Walter Helmut Fritz’ Gedicht „Geblieben war ein Fenster“

WALTER HELMUT FRITZ

Geblieben war ein Fenster

Als wir gestern zurückkamen, war unser Haus nicht mehr da.
Nicht mehr da?
Nicht mehr da. Später entdeckten wir es als Wolke,
die davontrieb. Geblieben war ein Fenster.

nach 1980

aus: Walter Helmut Fritz: Gesammelte Gedichte 1979–1994, Hoffmann & Campe Verlag, Hamburg 1994

 

Konnotation

Achtsam sein: Den Titel seines ersten, 1956 veröffentlichten Gedichtbands hat der 1929 in Karlsruhe geborene Lyriker Walter Helmut Fritz zum Produktionsgesetz seiner literarischen Arbeit gemacht. Schon immer hat dieser Dichter die kurze lyrische Form bevorzugt, die „Poesie ohne Aufwand“, die durch konzentrierte Betrachtung ein Maximum an Erfahrung erzielt.
Wer wie dieser Dichter in „der Schrift aller Erscheinungen“ zu lesen versteht, der registriert auch jene Augenblicke des existenziellen Schocks, die unser gewohntes Leben aus den Angeln heben. Das Fundament des Lebens, das eigene Haus, ist dem lyrischen „Wir“ abhanden gekommen, hat sich ins materielle verflüchtigt. Walter Helmut Fritz’ Gedicht, das in den 1980er Jahren entstanden ist, lässt in diesem Verschwinden nur eine Hoffnung: das Fenster ist noch da, der traditionelle Ort für den empfindsamen Beobachter, der das Treiben der äußeren Welt und das Rätsel des Daseins begreifen will.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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