Wilhelm Busch’ Gedicht „Dilemma“

WILHELM BUSCH

Dilemma

Das glaube mir – so sagte er –
Die Welt ist mir zuwider,
Und wenn die Grübelei nicht wär,
So schöß ich mich darnieder.

Was aber wird nach diesem Knall
Sich späterhin begeben?
Warum ist mir mein Todesfall
So eklig wie mein Leben?

Mir wäre doch, potzsapperlot,
Der ganze Spaß verdorben,
Wenn man am Ende gar nicht tot,
Nachdem daß man gestorben.

1874

 

Konnotation

Wilhelm Busch (1832–1908), der geniale Zeichner, Dichter und Bildergeschichten-Erzähler, war kein „Freudenlieferant der Deutschen“ (Theodor Heuss), sondern ein finsterer Misanthrop. Seine Helden sind von Beginn an abonniert auf Gemeinheit, Hinterlist und Boshaftigkeit, ihr Hochmut paart sich mit einer markanten Neigung zur Gewalt. So ließ Busch auch keine Gelegenheit aus, seinen Weltekel deutlich zu machen.
Das 1874 in dem illustrierten Bändchen Dideldum! erschienene Gedicht verweist auf eine religiöse Kategorie, die Busch aus dem Werk des von ihm glühend verehrten Philosophen Arthur Schopenhauer (1788–1860) entnommen hat: auf den Gedanken der Wiedergeburt. Busch macht in „Dilemma“ daraus ein sarkastisches Possenspiel. Denn wenn die Wiederkehr unentrinnbar ist, dann gelingt einem Suizidanten – so die böse Logik – noch nicht einmal die ersehnte Selbstzerstörung.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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