Wilhelm Busch’ Gedicht „Glückspilz“

WILHELM BUSCH

Glückspilz

Geboren ward er ohne Wehen
Bei Leuten, die mit Geld versehen.
Er schwänzt die Schule, lernt nicht viel,
Hat Glück bei Weibern und im Spiel,
Nimmt eine Frau sich, eine schöne,
Erzeugt mit ihr zwei kluge Söhne,
Hat Appetit, kriegt einen Bauch,
Und einen Orden kriegt er auch,
Und stirbt, nachdem er aufgespeichert
Ein paar Milliönchen, hochbetagt;
Obgleich ein jeder weiß und sagt:
Er war mit Dummerjan geräuchert!

nach 1900

 

Konnotation

Lachen ist ein Ausdruck relativer Behaglichkeit.“ Trotz dieses Bekenntnisses zum Humoristischen hat der Dichter, Zeichner und Bildergeschichtenerfinder Wilhelm Busch (1832–1908) immer wieder dafür gesorgt, dass seinen Lesern das Lachen im Halse stecken blieb. Denn Sarkasmus und schwärzeste Misanthropie durchziehen seine Dichtung – und je älter Busch wurde, desto erbarmungsloser wurde auch seine Ironie.
Ein Lieblingsfeind Buschs war der Bourgeois, der sich seine Vergnügungen mit ererbtem Vermögen finanziert und seine Bürgerkarriere mit Dickleibigkeit und gut gefülltem Konto beschließt. Einen bitterbösen Lebenslauf widmet er dieser Form von Großbürgertum in seinem Gedichtband Sein und Schein, der posthum 1909 erschien. Diesem verhassten Bürger wird am Ende noch ein grotesk-unreiner Reim hinterhergeschickt, ein Kalauer vom niederdeutschen „Dummerjan“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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