Wolfgang Bächlers Gedicht „Ausbrechen“

WOLFGANG BÄCHLER

Ausbrechen

Ausbrechen
aus den Wortzäunen,
den Satzketten,
den Punktsystemen,
den Einklammerungen,
den Rahmen der Selbstbespiegelungen,
den Beistrichen, den Gedankenstrichen
– um die ausweichenden, aufweichenden
Gedankenlosigkeiten gesetzt –
Ausbrechen
in die Freiheit des Schweigens.

1976

aus: Wolfgang Bächler: Ausbrechen. Gedichte aus 30 Jahren, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 1976

 

Konnotation

Der 1925 in Augsburg geborene Dichter Wolfgang Bächler gehörte zu den produktivsten und zeitkritischsten Lyrikern der Nachkriegszeit, bevor er, gequält von Ängsten und Depressionen, in den 1980er Jahren fast vollends verstummte. „Ich führte ein schweifendes Leben“, so bekannte Bächler, „schlug meine Zelte häufig auf und ab, ein unsteter Einzimmerbewohner, ein Wanderer zwischen zwei Welten… ein Deutscher ohne Deutschland…“
Bächlers frühe Gedichte, gesammelt in den Bänden Tangenten am Traumkreis (1950) und Türen aus Rauch (1963), beschreiben die Erfahrungen einer vom Krieg und den totalitären Ideologien versehrten Generation. Später dominierten Motive des Unheimlichen, der dunklen Jahreszeit und einer bedrohlichen Daseinsfinsternis. Bächler habe als Autor nicht von der blauen Blume geträumt, sondern von Stalin – so hat es ein Schriftstellerkollege ausgedrückt. Nach langen Jahren des totalen Rückzugs veröffentlichte er 1976 die Gedichtsammlung Ausbrechen, deren Titelgedicht den Entschluss zum Schweigen als Akt der Befreiung markiert.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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