Wolfgang Neuss’ Gedicht „Das Beste“

WOLFGANG NEUSS

Das Beste

Es läßt mich nicht ruhn
Wie kann ich wirklich was
für Europa tun?
Und wenn du mich einen
Landesverräter nennst:
Das Beste wäre für Europa
wenn Frankreich bis an die Elbe reicht
und Polen direkt an Frankreich grenzt

um 1965

aus: Wolfgang Neuss: Der totale Neuss. Gesammelte Werke. Hrsg. von Volker Kühn. Rogner & Bernhard, Berlin 1997

 

Konnotation

Als Wirbelwind des politischen Kabaretts, als Berliner Großschnauze und als systemkritisches „Zwerg Mundwerk“ (FAZ) hat der aus Breslau stammende Humorvirtuose Wolfgang Neuss (1923–1989) die Bundesrepublik verwirrt. Seine Karriere vom komischen Knallchargen zum Lautsprecher der APO, später dann vom politischen Unruhestifter zum bekennenden Haschisch-Orakel gründete sich auf demonstrative und stets witzige Abweichungen vom Zeitgeist.
Auch den karrierefördernden Patriotismus hat Neuss konsequent verweigert. Zur kritischen Dämpfung der nationalen wie auch der Europa-Euphorie hat er denn auch eine boshafte poetische Miniatur geliefert, die vermutlich in den 1960er Jahren entstanden ist. Das Verschwinden des eigenen Landes hat er als anzupreisende politische Utopie empfunden – für die subversive Phantasie des Außenseiters war das allemal eine Pointe wert.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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