Wolfgang Weyrauchs Gedicht „Aber wie“

WOLFGANG WEYRAUCH

Aber wie

bucklicht Männlein,
seh Dich doch,
hinterm Stuhl,
komm heraus,
tu Dir nichts,
tu mir nichts,
zwick mich nicht,
spring mir nicht
auf den Kopf,
aber wie,
bins ja selber

1979/80

aus: Wolfgang Weyrauch: Dreimal geköpft, Brennglas Verlag, Assenheim 1983

 

Konnotation

Wolfgang Weyrauch (1904–1980) war nach 1945 der aktivste Prophet des literarischen „Kahlschlags“ und einer Sprache der Ernüchterung und balancierte dabei zwischen Gesellschaftskritik und literarischem Experiment. Dass er auch eine Schwäche für Clownerien und Kobolde hatte, verrät das Gedicht aus seinem literarischen Nachlass.
Das „bucklichte Männlein“ ist ursprünglich eine Gestalt aus der romantischen Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn, ein frecher Kobold, der Unheil stiftet und alles selbständige menschliche Handeln vereitelt. In Weyrauchs Gedicht hat das lyrische Ich das Gesetz des Handelns an sich gerissen, wobei es zunächst nur um ein Stillhalteabkommen mit dem Männlein zu gehen scheint. Das Versteckspiel mit dem unberechenbaren Kobold erweist sich indes als bedrohliche Selbstbegegnung: Was bedeutet es, wenn man sich im unberechenbaren Unglücksboten selbst wieder erkennt?

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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