Nikola Wapzarow: Poesiealbum 185

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Nikola Wapzarow: Poesiealbum 185

Wapzarow/Kurkhaus-Müller-Poesiealbum 185

EIN BRIEF

Entsinnst du dich
des Meers und der Maschinen,
der Laderäume
aaaaaaaaaaaaazäher Finsternis?
Der wilden Sehnsucht
aaaaaaaaaaaaaaaaaanach den Philippinen,
nach Sternen
aaaaaaaaaaaüber Famagusta groß?
Entsinnst du dich eines Matrosen bloß,
den nicht die Sehnsucht in die Ferne riß,
dorthin, wo, wenn der Abend schließlich sinkt,
zu dir vom Land der Hauch der Tropen dringt?

Entsinnst du dich,
aaaaaaaaaaaaaawie sacht in unserm Blute
die letzten Hoffnungen erkaltet sind,
der Glaube
aaaaaaaaaan den Menschen,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaan das Gute,
an die Romantik,
aaaaaaaaaaaaaaaSehnsüchte
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaawie Wind?

Entsinnst du dich, und
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaauch wie schnell das geht,
wie wir uns in des Lebens Falle fanden?
Wir kamen zur Besinnung zwar.
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaZu spät.
Wir fanden grausam uns bereits in Banden.
Im Käfig saßen wir wie wilde Tiere
gefangen, unsre Augen blitzten gierig,
um Mitleid bat
aaaaaaaaaaaaaunsre Erniedrigung.
Wir waren aber jung,
aaaaaaaaaaaaaaaaaawaren so jung…!

Doch dann… Auf einmal
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaakrallte sich ein Haß,
ein greller Haß tief in die Herzen ein.
Haß, der wie Wundbrand,
nein, wie Aussatz fraß
an unsern Seelen,
aaaaaaaaaaaaaaaeine Höllenpein,
der Netze warf, erbarmungslose, weit
der Leere
aaaaaaaaaund der Hoffnungslosigkeit,
ins Blut kroch, winselte und drohend schrie,
es war zu früh, es war noch allzu früh…

Doch droben –
wunderbar,
aaaaaaaaaaam hohen Himmel
sahn wir die Möwen ihre Flügel breiten.
Der Himmel glänzte über uns
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaawie Glimmer,
und blau und unermeßlich
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaawarn die Weiten,
wo ganz allmählich hinterm Horizont
allabendlich
aaaaaaaaaader Segel Weiß entschwindet,
die Masten sinken ferne wie gewohnt,
wir aber waren lange schon erblindet.

Das ist Vergangenheit für mich –
vorbei. Wir aber lagen auf dem gleichen Stroh,
ich muß dir sagen, wie ich heute frei
mich fühle, zukunftsgläubig, froh.

Das ist das Neue, das mich daran hindert,
mir letztlich
aaaaaaaaaanoch die Schläfe
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaazu durchbohren.
Er transformiert
aaaaaaaaaaaaaaim Herzen mir den Zorn
für jenen Kampf,
aaaaaaaaaaaaader
aaaaaaaaaaaaaaaaheute
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaabrodelt.
Das gibt zurück uns einst die Philippinen
und Famagustas
aaaaaaaaaaaaaagroße Sterne auch,
die Freude,
aaaaaaaaaafast erstorben schon im Herzen,
und unsre tote Liebe zu Maschinen,
die blaue Uferlosigkeit des Meeres,
und wo im Wind wir spürn der Tropen Hauch.

Ringsum ist Nacht.
Der Rhythmus der Maschine
trägt den Gesang
aaaaaaaaaaaaaader Zeit, auf den ich schwöre.
Ach, wüßtest du, wie ich das Leben liebe!
Und wie ich hasse
aaaaaaaaaaaaaaajegliche
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaChimäre…

Ich weiß, so, wie ein neuer Tag anbricht –
Von unsern Köpfen brechen wir das Eis.
Am finstern Horizont
aaaaaaaaaaaaaaaaaader Sonne Licht,
ja, aufstrahlt
aaaaaaaaaaunsre
aaaaaaaaaaaaaaaSonne
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahell und weiß.

Und mag sie auch wie einem kleinen Falter
die Flügel mir versengen
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanoch zum Schluß.
Ich werd sie nicht verwünschen,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaawerd nicht jammern,
weil ich doch weiß,
aaaaaaaaaaaaaaaaadaß jeder sterben muß,
Doch sterben, wenn
aaaaaaaaaaaaaaaaadie Erde sich befreit
vom giftigen
aaaaaaaaaaaAussatz,
aaaaaaaaaaaaaaaaaader sie überzieht,
wenn Millionen auferstehn vom Leid,
das ist ein Lied,
aaaaaaaaaaaaajawohl, das ist ein Lied!

Übertragen von Günther Deicke

 

 

 

Und aus dem Samen deines Bluts
erschufst du
deiner Mutter und Bugarien
viele Söhne
und der Welt
viel Brot und viele Lieder

Jannis Ritsos, Verlag Neues Leben, Klappentext, 1983

Schumann sagte über Chopin,

seine Werke seien mit Blumen getarnte Geschütze. Ich möchte über Wapzarow sagen, seine Verse sind Blumen, die unter Mühen und mit Kraft gepflückt wurden unter den Geschützen und den schweren Stiefeln der Faschisten. Wie er gearbeitet und geglaubt hat, wollen auch wir arbeiten und glauben, daß uns eine bessere Zukunft erwartet, daß uns diese roten Blumen erwarten, daß uns Frieden erwartet.

Jarosław Iwaszkiewicz, Verlag Neues Leben, Klappentext, 1983

 

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