Paul Eluard: Gedichte

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Paul Eluard: Gedichte

Eluard-Gedichte

TRAUM VOM 21. SEPTEMBER 1943

Mir träumte ich ginge schnell
Auf den Straßen von Tirol
Manchmal um schneller zu gehen
Ging ich auf allen Vieren
Und meine Handflächen waren hart
Und schöne Bäuerinnen
in der Tracht dieser Gegend
Begegneten mir grüßten mich
Mit sanfter Gebärde
Und ich kam zu den Gefängnissen

Man hatte die Fenster mit Bändern geschmückt
Die Türen standen weit offen
Und die Gefängnisse waren leer
Ich konnte dort wohnen
Eintreten hinausgehen wie ich wollte
Ich konnte dort arbeiten
Konnte dort glücklich sein
Unten in einem Stall
Erwarteten bebänderte
Rappen mein Vergnügen

Wie Wasser in der Sonne
Erzitterten die Mauern
Die Bäuerinnen auf dem Platz
Lachten ohne zu wissen warum
Es war das Fest des Schnees
Mitten im Sommer unter den Blumen

Ich ging von reiner Luft geschwellt
Leicht und schnell auf den Straßen zurück
Ich kam an die gleichen Gefängnisse
Besonnt leer und fröhlich

Ich bin verwundert erwacht
Keinem Menschen begegnet zu sein

 

 

 

Paul Eluard

Frankreichs größter lebender Lyriker, ist in der Welt berühmt. In Deutschland kennt man kaum seinen Namen. Der Grund für diese Unkenntnis ist in der Tatsache zu suchen, daß Eluards Werk bis heute nicht in deutscher Sprache vorliegt. Vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten – der nicht nur politisch gesehen, sondern auch vom Literarischen und Ästhetischen aus für lange Jahrzehnte noch die entscheidende Zäsur in der deutschen Entwicklung sein wird – war außer einigen Bildern beinahe nichts vom französischen Surrealismus nach Deutschland gedrungen. Manchen Interessierten allenfalls waren die Namen von André Breton, von Aragon und schließlich der Name des Verfassers von Capitale de la Douleur nicht unbekannt geblieben. Zur näheren Bekanntschaft mit dem literarischen Surrealismus und den aus ihm folgenden Entwicklungen reichte es damals nicht. Um so weniger war nach dem Jahre 1933 die Gelegenheit dazu gegeben.
Der Übertragende ist sich des Wagnisses bewußt, in einem innerlich zerstörten Land, das sich selbst ohne Grenze herabwürdigte, die Welt Paul Eluards als eine Welt reiner Schönheit und tiefer Sehnsucht nach Unschuld proklamieren zu wollen.
Paul Eluard, der heute fünfzig Jahre alt ist, hat auf seinem Weg zu dieser Welt hin alles Künstliche, das den Künstler versucht, hinter sich gelassen. Er ist kein Vertreter irgendeiner Schule, und jedes Wort, das er schreibt, widerlegt die Behauptung, die Kunst könne um irgendeiner Erscheinung willen da sein, die nicht mit dem Menschen identisch ist. Eluard hat die fruchtbaren Elemente des Surrealismus in sich aufgenommen, ohne Surrealist zu bleiben. Er kam zu der großen Sparsamkeit, der beseelten Präzision, die den großen Dichtern vorbehalten ist. Seine Gedichte nennen die Kreaturen und Dinge beim rechten Namen voller Liebe und Vertrauen in einer lieblos gewordenen Welt. Daher ist ihm auch der gute Haß der Liebenden gegeben gegen die Feinde des Menschen.
Wie sucht und findet Paul Eluard seine Wahrheit? In einem seiner berühmtesten Gedichte „Die Waffen des Schmerzes“ spricht er die Worte aus, die ein ganzes Programm der Dichtung sind: „Ich sage, was ich sehe, was ich weiß, was wahr ist.“ Lassen wir ihn selber erklären:

Im allgemeinen versucht das Denken zunächst die Dinge und ihre wechselseitigen Beziehungen zu unterscheiden: Die Dinge selbst ergeben konkrete, ihre Beziehungen abstrakte Ideen, und zu diesem Zweck müssen wir vom Subjekt zum Gegenstand gehen. Nun, um diesen Weg vom Subjekt zum Objekt zurückzulegen, müssen wir über ein gewisses Maß von Neigung oder Abneigung verfügen, das heißt über Bewertungen. Dieser Umstand führt die Tiere, die Kinder, die Wilden, die Irren, die Dichter zu den einfachsten Irrtümern oder Wahrheiten. Sie halten ein Glas für einen Abgrund oder eine Falle, ein Feuer für einen Juwel, den Mond für eine Frau, eine Flasche für eine Waffe, ein Bild für ein Fenster. Sie begehen einen Irrtum, wenn sie eine Beziehung durch Abneigung herstellen, wenn sie jene aber durch Sympathie finden, so können wir sicher sein, daß sie ihnen zur Begründung einer Wahrheit dienen wird. Sie sind also abwechselnd Gewinnende und Opfer ihrer Fähigkeit, Vergleiche anzustellen. Und ebenso ist das Leben für sie abwechselnd gut oder schlecht, wie für die anderen. Manche entkommen diesem Zustand der Stagnation nur, um einem anderen, nicht weniger beharrenden zu verfallen: die Tiere gewöhnen sich ans Haus, die Kinder werden vernünftig, die Wilden zivilisieren sich, die Irren werden geheilt, die Dichter vergessen sich. Nur einige Dichter gelangen dazu, diese traurige Alternative zu überkommen und, indem sie ihre Persönlichkeit entfalten, das Herz der Menschen umzuformen, wenn sie ihnen, ganz nackt, eine poetische Wahrheit zeigen.

Einer der großen Entdecker poetischer Wahrheiten in unserer Zeit ist Paul Eluard, dessen Name auf die ruhmvollste Weise mit der Französischen Widerstandsbewegung verbunden ist. Schon im Kriege der spanischen Republik gegen die angreifenden Mächte der Finsternis hatte Eluard in einigen wundervollen Gedichten Stellung genommen, wo die Repräsentanten der „poésie pure“ in Nabelschau und Gleichgültigkeit verharrten.
In den Jahren der Besetzung Frankreichs erreichte Paul Eluards Dichtung, die selbstverständlich die Illegalität des französischen Geistes teilte, ihre schönste Klarheit auf der einen, ihre äußerste Wirksamkeit auf der anderen Seite. Eluard anerkannte vom ersten Moment der Aufrichtung der sogenannten „Neuen Ordnung“ die handelnde, organisierende Kraft des Poetischen, jene oberste Aufgabe, der französische Dichtung seit den Tagen des Agrippa d’ Aubigne gedient hatte.
Dieser Aufgabe getreu schuf Eluard die illegale Anthologie L’Honneur des poètes, organisierte er mit Jean Paulhan das Nationale Schriftstellerkomitee, gründete er illegale Zeitschriften wie die Eternelle Revue, schrieb er vor allem seine noch im Zorn ruhigen, zauberisch reinen Verse, die die geheimnisvolle Tiefe von Kristallen besitzen. Alle diese Verse erklären auf die ergreifendste Weise, worum es ihrem Schöpfer geht, besser, als irgendein Interpret es vermöchte. Das Bild des Menschen rein halten inmitten einer entfesselten Unterwelt, aber nicht in esoterischer Kühle, sondern mit allen zusammen, die guten Willens sind. Kein Bild Eluards wäre vollkommen – und das von mir gezeichnete ist gewiß ganz unvollkommen –, das ihn nicht zeigte, wie er sich vor der Gestapo verborgen halten muß, wie er Flugblätter herstellt.
Paul Eluard ist der Ansicht, daß ein großer Dichter keinen Grund hat, sich dem politischen Tageskampf fernzuhalten. Der Mann, der den Henkern Europas und den widerlichen Kreaturen, die ihnen die Stiefel leckten, zurief: „Les vainqueurs d’hier périront“ – gehört der Kommunistischen Partei Frankreichs an wie seine Freunde: der Maler Picasso, der Dichter Aragon, der Psychologe Wallon, der Physiker Joliot-Curie, der Biologe Prenant.
In Deutschland sprechen die Dichter und Wissenschaftler mit Vorliebe von ihrer Verachtung des Politischen – solange sie zwischen Barbarei und Menschenwürde frei entscheiden dürfen. Siegt die Barbarei, zögern sie nicht, ihre Farben anzulegen und ihren Befehlen gemäß zu handeln.
Die hier veröffentlichten Übertragungen entstammen im wesentlichen dem Band Au rendez-vous allemand (Editions des Trois Collines Genève-Paris). Das große Gedicht an Picasso, eines der schönsten Zeugnisse dieser fruchtbaren und ergreifenden Freundschaft zweier Humanisten, ist dem Werk A Pablo Picasso (Editions des Trois Collines) entnommen. „Traum vom 21. September 1943“ erschien ins Le Lit La Table (Editions des Trois Collines), „Freiheit“, eines der verbreitetsten Gedichte Eluards, in Poésie et Vérité 1942 (Editions de Minuit). Das Gedicht „Ewigkeit derer die ich nicht wiedersah“, wurde zum erstenmal in der Wochenzeitung Les Lettres Françaises veröffentlicht. Die obengenannten Bände sind neben dem Livre ouvert und Poésie ininterrompue die wichtigsten Werke Eluards aus den letzten acht Jahren.
Dieser Versuch einer Übertragung gehört meinem großen Freund und Kameraden Paul Eluard; er gehört meinen unbekannten, ermordeten Brüdern Desnos und Max Jacob, Saint-Pol-Roux und Decour, Crémieux und Roger Paul-Bernard und all den anderen, die im Kampf für den Menschen Frankreichs Namen tiefer in unsere Herzen senkten.

Stephan Hermlin, Vorwort

 

Zeitgeschehen in der Dichtkunst

Von der heutigen französischen Literatur ist bisher sehr wenig zu uns gedrungen. Zu lange war der Horizont verschlossen. Kaum kennen wir einige Namen der heute lebenden französischen Dichter. Die Gedichte von Paul Eluard, die soeben im Verlag Volk und Welt, Berlin, herauskommen, sind unter den ersten Sendboten: sie eröffnen uns wieder den Ausblick auf das große Panorama der sich immer wieder fruchtbar erneuernden französischen Poesie.
Das schöne Sprachbild Eluards nimmt sofort gefangen und wird in seinem Rhythmus und sicher auch in seiner Eigenart in der formenklaren Nachdichtung Stephan Hermlins deutlich. Eluard gehörte wie alle großen Dichter der französischen Widerstandsbewegung an und verstummte nicht während der für Frankreich so schmerzhaften Zeit. Er legt nicht einseitigen Nachdruck auf überspitzte Formalistik und doch sind seine Verse von durchdringender Schönheit. Erst in der Synthese des vollendeten Ausdrucks und des hohen ethischen Gehalts wirkt Paul Eluards Dichtung. Des Dichters Wollen kommt in den Worten zum Ausdruck:

Ich sage was ich sehe
Was ich weiß
Was wahr ist

Die in dem Band enthaltenen Gedichte entstammen zum größten Teil der Zeit des Krieges, und in jedem Wort singt die Gewißheit, daß die in den Kot gezerrte Menschenwürde sich wieder erhebt, singt die reine Liebe zur Wahrhaftigkeit und zum Leben.
Wir lernen in Paul Eluard den größten Lyriker Frankreichs kennen, der, wie es im Vorwort heißt, sich nicht scheute, aktiven Anteil am politischen Kampf zu nehmen, da der echte Künstler nicht abseits stehen kann.

Elisabeth Borchardt, Neues Deutschland, 18.10.1947

Paul Eluard gegen die „Hyperpolitisierung des Dichters“

Mit großer Not und Mühe war es der Leitung der Kommunistischen Partei Frankreichs gelungen, in den Reihen der unzufriedenen und antistalinistischen Intellektuellen ein wenig Ruhe zu schaffen, und schon zeigen sich Erscheinungen, welche nichts Gutes ankünden – für die Hüter der orthodoxen Linie. Nach den Erklärungen von Jean Cassou, Vercors, Edith Thomas und Pierre Emmanuel, die sich auf die eine oder andere Art von der Partei entfernten, scheint nun eine viel bedeutendere und weitgehendere „Affaire“ im Gang zu sein, da es sich um einen weiteren der überschätzten kommunistischen Schriftsteller Frankreichs handelt, der zusammen mit Aragon und Picasso die „Elite“ der Partei bildet. Paul Eluard lebte in den letzten zwei Jahren sehr zurückgezogen, und sein Name wurde bei den verschiedenen Veranstaltungen, sowie in Kominformkreisen selten genannt. Er wohnt in Clerenton, wo er augenblicklich an völlig neutralen Büchern arbeitet (eine Anthologie der Lyrik Frankreichs in den letzten 600 Jahren, eine Sammlung seiner Dichtung von 1932, 34, 36 und 38) und sich wenig um Politik interessiert. Er brach nun dies lange Schweigen in einer Unterredung, welche er zwei brasilianischen Journalisten gewährte und die geeignet ist, viel Staub aufzuwirbeln.
Das Interview erschien im Februarheft der großen Zeitschrift Jornal de Lettras aus Rio de Janeiro und ist von den zwei Redakteuren Antonio Clinto und Louis Wiznitzer gezeichnet, welche Eluard in Clerenton besuchten, und sich mit ihm während drei Stunden unterhielten. „Paul Eluard bricht ein zweijähriges Schweigen“, heißt die Unterredung, aus der wir die sensationellsten Teile übersetzen, um die neue Einstellung des Dichters zu beleuchten. Die erste Frage lautet: Verneinen Sie Ihre surrealistischen Vergangenheit? Eluards Antwort:

Ich verneine gar nichts. Ich schreite bloß durch Verwandlungen. Nur dies. Die Vergangenheit, als solche, kann nicht verneint werden; wir können sie höchstens als Gegenwart verneinen, als Fortsetzung einer Sache, die aufgehört hat zu existieren…

Man darf nicht vergessen, daß die Kommunisten den Surrealismus als „degeneriert und entartet“ bezeichnen, und daß Eluard in jener Epoche das Manifest Pro Trotzki – „Planète sans visas“ – unterschrieb und so wird seine Antwort klar. Die zweite und wichtigste Frage lautet: Lange Jahre hindurch haben Sie nur Liebesdichtung geschrieben. Glauben Sie in Ihrer neuen Orientierung, daß der Dichter noch über Liebe sprechen kann und sich mit anderen Dingen befassen darf – sei es nicht die Politik? Die Antwort Eluards ist sensationell:

Es gibt keine privilegierten Bereiche. Ich schreibe über Liebe, über Vögel, wie ich es früher tat. Es gibt keine verbotenen Stoffe. Und vor allem gibt es nicht Dichtung auf Befehl. Manchmal möchte ich Gedichte über Arbeiter, Kumpel und Werktätige schreiben, und sehe, daß ich Gedichte über die Blätter der Bäume geschrieben habe. Es geschieht auch manchmal, daß ich die Liebe besingen möchte, und bis zuletzt besinge ich die Freiheit. Als ich das Gedicht „Liberté“ schrieb, während des Krieges, dachte ich an die geliebte Frau und wiederholte ihren Namen. Nachher merkte ich, daß meine Liebe für sie mit der Liebe der Freiheit übereinstimmte und daß das Gedicht ein Liebes- und Zornschrei war. Es gibt keine soziale Dichtung im üblichen Sinne des Wortes. Viele Kommunisten möchten aus der Dichtung ein Propagandaplakat machen. Für diese muß alles unbedingt in den Dienst des sozialen Kampfes gestellt werden. Durch seine innere Einstellung kann der Dichter nicht gestatten, daß seine Dichtung als Instrument gebraucht wird. Sie ist Instrument, aber auf eine andere Art als Befreiungs-, Liebes- und Verständnislied. Die Hyperpolitisierung des Dichters ist stets eine Gefahr, und das Gleiche ist auch sein Wille, die Dichtung mit einer falschen funktionellen Ehrlichkeit zu beflecken. In diesem Fall verliert er nicht nur die Fähigkeit seines Schaffens, sondern er wird auch als Mitglied einer Gemeinschaft unnötig. Das gelenkte Gedicht hört auf, ein Gedicht zu sein, schon weil es gelenkt ist.

Wenn man bedenkt, daß Eluard im Jahre 1948 eine Sammlung Poèmes politiques herausgab, in der General Markos und andere Politiker gepriesen wurden, ist diese Einstellung doppelt interessant – und wichtig. Die zwei brasilianischen Redakteure erinnerten sich ebenfalls dieser Einzelheit und vergaßen auch nicht, daß „manche Hitzköpfe unter den Kommunisten, den Dichter (Eluard) als Titoisten bezeichnen“, und sie befragten ihn „über diese Gerüchte, sowie über seine Lage in der KP“. Diesmal war die Antwort kurz, ohne ein einziges Wort, in dem er die „Linie“ billigt. Er sagt bloß:

Verzeihen Sie, ich möchte aber nicht über Politik reden. Sprechen wir über Dichtung.

Für einen politischen Dichter jedenfalls eine merkwürdige Antwort, deren Inhalt, zusammen mit den Aeußerungen über das „Propagandaplakat“ bestimmt nicht die Billigung der Genossen der „Humanité“ finden wird. Es ist nun interessant zu sehen, auf welche Art die Leitung der Partei zu den Worten Eluards Stellung nehmen wird.
Für die Freunde der „reinen Literatur“ enthält das Interview ebenfalls einige unerwartete Neuigkeiten. So erklärt Eluard über das Werden seiner Dichtung folgendes:

In Davos lernte ich meinen besten Freund kennen. Er heißt Manuel Bandeira. (Anmerkung: Bandeira ist der größte moderne Lyriker Brasiliens). Während meines späteren Lebens, als ich verschiedene Wege beschritt und versuchte, eine eigene Dichtung zu gestalten, war Bandeira stets bei mir. Ich kann deshalb heute behaupten, daß ich meine Dichtung Manuel Bandeira verdanke.

Die Worte Paul Eluards sind von größter Bedeutung, und es ist klar, daß der Surrealistische Dichter von gestern gegen „die Hyperpolitisierung“ des Dichters Stellung nimmt – in mutigen und ungeschminkten Worten. Nach solchen Erklärungen, wie sie der Dichter in Clerenton den zwei brasilianischen Journalisten machte, ist der Stein ins Rollen gekommen, und man darf den Folgen dieser Unterredung mit Spannung entgegensehen – wenn hüben oder drüben nicht die bequeme Lösung des Schweigens gewählt wird. So sieht es aber ganz und gar nicht aus…

St. B., Die Tat, 12.3.1951

 

AN PAUL ELUARD

Am Donnerstag, dem 21. Juni, wird Paul Eluard im Hörsaal III der ETH über „Poésie et Vérité“ sprechen.

Die Worte, welche aus dem Sinn gerissen,
Du warfst sie wieder in den Sinn zurück,
Und denen, die auf Krücken gingen, diesen
Zwei Flügel zu und weit ein Himmelstück.

Das Blauste, welches Frankreichs Himmel hatten,
Ein pflaumenblaues Band dem Tag, der Nacht,
Auch dann, als ungezählten Helmes Schatten,
Zu Nacht den Tag Frankreichs gemacht!

Es war kein Wort, das Macht gesprochen,
So hart und tausendmal aus Stahl,
Es war nicht aber tausendmal gebrochen,
An deinem Wort und seiner Qual.

Als diese selber noch entmachtet,
Des Rechtes selbst des Schreis beraubt,
Aufs Schiff des Schweigens schwarz verfrachtet,
Blind hast du, Seher, Licht geglaubt.

Und Tausende mit dir im Dunkeln
Und Hunderttausende in Finsternis
Und Millionen sahen funkeln
Und glaubten sich des Lichts gewiß.

Das Blauste, welches Frankreichs Fahne hatte,
Das Röteste, das ihre Falte barg,
Das Weißeste, der Reine reinster Gatte,
Wall wieder, keiner Kosung karg,

Nahtlos auf Frankreichs fugenlosen
Gefilden frei und rein von Meer zu Meer,
Reseden, Lilien und Rosen,
Gewährter Garten ewiger Wiederkehr!

Max Eichenberger

 

 

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„Welch eine Abendröte“ Stephan Hermlin – zum 100. Geburtstag eines spätbürgerlichen Kommunisten

 

Bild von Juliane Duda mit den Zeichnungen von Klaus Ensikat und den Texten von Fritz J. Raddatz aus seinem Bestiarium der deutschen Literatur. Hier „Hermlin, der“.

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