Paul-Henri Campbell: Zu Peter Orlovskys Gedicht „Mein Bett ist gelb bezogen“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zu Peter Orlovskys Gedicht „Mein Bett ist gelb bezogen“ aus Peter Orlovsky: Sauber abgewischt

 

 

 

 

PETER ORLOVSKY

Mein Bett ist gelb bezogen

Mein Bett ist gelb bezogen – Oh Sonne, auf dir sitz ich
Oh goldenes Feld auf dir lieg ich
Oh Geld von dir träum ich –
aaaaaMehr, mehr rief das Bett – erzähl mir mehr –
Oh Bett das das Gewicht der Welt auf sich nahm –
aaaaaAll die verlorenen Träume liegen auf dir
Oh Bett dem keine Haare wachsen, das nicht gefickt werden kann
aaaaaOder doch gefickt werden kann
Oh Bett beladen mit den Krümeln aller Zeitalter
Oh gelbes Bett marschier zur Sonne wo deine Reise endet
Oh 50-Pfund-Bett das weitere 400 Pfund aushalten kann –
aaaaawie stark du bist
Oh Bett, nur für Menschen & nicht für Tiere
aaaaagelbes Bett wann werden die Tiere gleiche Rechte haben?
Oh 4beiniges Bett für immer überm Boden stehend
Oh gelbes Bett früher oder später liegen auf dir
aaaaaDie Nachrichten aus aller Welt

 

„Das Vergnügen an schönen Ärschen“ sei,

dies notiert Gregory Corso 1977 mit orphischem Wise-assery in Bezug auf Peter Orlovskys Schreiben, wohl „universal“. Eine frivole und ungeniert zur Schau gestellte Lust durchzieht eine Reihe an Gedichten, die Peter Orlovsky während eines Aufenthaltes in Paris 1957 – frisch verliebt in Allen Ginsberg – niederschreibt. Es handelt sich um die allerersten Poeme, die der damals 24-Jährige in Zimmer 25 von Madam Rachous Beat Hotel (9 Rue Gît-le-Cœur) vermutlich in „Allens“ Reiseschreibmaschine hämmert. Der Frankfurter Dichter Marcus Roloff inszeniert diese ungestümen Texte in anregenden Übersetzungen, die sowohl die häufig gefeierte Unmittelbarkeit des Mid-Century lebendig machen als auch die verschlagene Selbstironie Orlovskys und seine Selbstzweifel zeigen, in denen auch bei aller offenen Sinnlichkeit eine seltsam dunkle Befangenheit mitschwingt. Was für William Carlos Williams ein roter Schubkarren war, ist hier ein zerwühltes gelb bezogenes Bett – Liebesnest und Grab der Träume zugleich. In einem anderen, wenige Wochen später in Cannes entstandenen Gedicht heißt es sogar: „Mein Gefühl sagt mir, Liebe ist ein eher plumpes Bett, wie so’n Gegenstand.“ Auf der Rückfahrt von Europa im Januar 1958 auf der gerade neu in Stand gesetzten RMS Mauretania wird dieser fluffige Ort in einem als Reisebericht und Epistel an Allen angelegten Langgedicht zu einer „Bettgrube“, darin man „Liebe macht“, nachdem der blinde Passagier Gregory Corso den dichtenden Klüngel mit „Provisorischem“ versorgt hatte. Auf die Zeitzeugenschaft dieser Gedichte, ihre dokumentarische Autorität wurde oft hingewiesen: Orlovskys Texte sind wie aus dem Tag gegriffen – intim, nähkästchenhaft, nicht ohne Kommentar, Urteil und, ungeachtet ihrer bezaubernden Naivität, voller Reflexion.
Immer wieder setzt sich Peter Orlovsky ins Verhältnis zu seinem Partner Allen Ginsberg, mit dem er vierzig Jahre lang eine Liebes- und Lebensgemeinschaft lebt. Doch diese Verhältnisbestimmung ist häufig asymmetrisch, auch dieses Gedicht oben fragt: „wie stark bist du.“ Anderswo dichtet Orlovsky: „Erkenne eine große Kluft zwischen mir & Allen – er / hat ein eher verbales Bild von Poesie – / verbindet Bilder, um Erkenntnis / zu untergraben […]“; dieser Charakterisierung stellt „Saint Peter“ seinen eigenen poetischen Impetus entgegen: „ich werd high durch Gefühl / & Gefühle für noch reinere / Gefühle oder so was / in der Art.“ Während Ginsberg mit fast prophetisch, missionarischem Willen seine unvergesslichen Monumente wie die „Sunflower Sutra“ oder mit „A Supermarket in California“ schafft, ist Peter Orlovsky nicht politisch, sondern eher existenziell bei sich selbst – verzweifelt und beseelt – im Versuch einer seelischen Katharsis.

Paul-Henri Campbell, Volltext, Heft 3, 2020

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