Paul-Henri Campbell: Zu Yvonne Reddicks Gedicht „Feuermacher“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zu Yvonne Reddicks Gedicht „Feuermacher“ aus Yvonne Reddick: Firesetter

 

 

 

 

YVONNE REDDICK

Feuermacher

Du hast mir zwei Wörter auf einem Zettel hinterlassen.
Unter unserem Bett lag dein vergessenes Feuerzeug.
Ich rannte in den Wald und hielt seine Flamme an einen Tannenzapfen –

die harzigen Schuppen zischten wie ein Molotowcocktail.
Ich warf ihn über deinen Wildzaun
In die Fichten, wo wir einst die Nachtschwalben hörten.

Nach drei Monaten Dürre glichen die Bäume Strohhalmen.
Ein Flackern im Zunder, panische Vogelrufe.
Der Ostwind seufzte in die Flammen, während ich fortging.

Ich stellte mir deinen Garten vor: ein Bündel flammender Briefe
Wo einmal die Papierbirke stand.
Die Eichen, wie Knochenhände vorm Hintergrund eines Glutofens.

Nach nur zwei Tagen hatte mein Buschfeuer fünfzig Hektar verschlungen.
Sirenen durch den Hitzeschleier,
die Dörfler Silhouetten mit Schlauchwinden.

Torferde: Feuer lauert unterm Grund, schwelt.
Weizen brannte von der Wurzel aufwärts.
Am dritten Tag ein Regen aus Ruß. Die Schule leer.

Nach neun Tagen schöpften die Feuerwehrleute den See aus,
Gaben das Dorf in der Dunstglocke auf.
In der neunten Nacht – fand ich das Treppenhaus,

das an die Luft führte, das Schlafzimmer war aufgesprengt,
die Sparren und der First rauchten
Du tratst hervor aus der verkohlten Türöffnung.

Aus dem Englischen übersetzt von Jutta Kaußen

 

Yvonne Reddicks Gedichtband Translating Mountains (2017)

thematisiert den Verlust des Vaters und eines Freundes, die beim Bergsteigen ums Leben gekommen waren. Es sind Gedichte einer Poetin, die sich zwar berufsbedingt intensiv in universitären Bücherbergen bewegt, die aber oft auch kletternd vertikale Landschaften durchzieht. Wie auch in dem oben abgedruckten Gedicht verschmelzen in vielen Gedichten der in Glasgow geborenen Yvonne Reddick furiose zwischenmenschliche Dramen mit ähnlich bewegten Natur- und Landschaftsbildern. Vielleicht kein Wunder für eine Dichterin, die in ihrer Dissertation Ted Hughes als einen „Ecopoet“ und Umweltschützer vorstellt. „Ich glaube, wir sind ein integraler Bestandteil dieses weitgefächerten und unübersichtlichen Netzes aus Lebewesen, kulturellen Artefakten und anorganischen Dingen“, sagte sie einmal im Gespräch mit Alice Hiller. Ist es nun Spiegel oder Metapher, wenn die Torferde und Tannenzapfen zu Kommentaren von Bewusstseinszuständen und Gefühlen werden? Diese Zeilen erinnern an die in Prosa verpackte Poetik eines John Cowper Powys, darin mythologische, dramatische, philosophische Narrative mit einem eigentümlichen Sensorium für die Landschaft, darin sie stattfinden sollen, zur Sprache finden. Das Times Literary Supplement jedenfalls gab sich erstaunt über diese Melange aus rohem Erleben und subtiler melismatischer Verssprache, worin nichts dem Zufall überlassen zu sein scheint.

Paul-Henri Campbell, Volltext, Heft 4, 2019

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