Peter Wawerzinek: Akt-Kalendarium 1991

Mashup von Juliane Duda zu der Kategorie „adhoc“

adhoc

In wohlmeinenden Artikeln über Peter Wawerzinek kann man unablässig nachlesen, daß er ständig mit dem Schreiben von Gedichten beschäftigt ist. Hat sie je einer gesehen? Auf Nachfrage bei unterschiedlichen S.C.happy-Kennern konnte nur Asteris Kutulas tatsächlich Gedichte besagten Autors vorzeigen. In seinem gemeinsam mit Tilo Köhler herausgegebenen „Monatsboulevard“ Sondeur wurden 1991 12 Akt-Kalendergedichte veröffentlicht und hier passend zum Erscheinen von Rabenliebe noch einmal hervorgeholt. Weitere Hinweise auf die Lyrik des Autors sind sehr erwünscht.

 

JANUAR
Schwarzer Falleib. Selbstspiel mit Äskulaphänden.
Verzicht sinnt eitle Splitter. Ichsterblichkeit.
Rasch zitiert Neid den Gram. Wendeltreppenzeit.
Trost such die Verpönte hinter dunstigen Wänden.

FEBRUAR
Trotzwunsch läßt Buhlerträume kreisen.
Schwindelkurse zur Besteigung 1 Gliederpuppe.
Die Potenz hat Lippen aus Eisen.
Du hast vor Ziegenpeter Angst. Der Rest ist dir schnuppe.

MÄRZ
Sekundenhaut. Höllenklimmen. Pimmelpyramiden aufgetürmt
Gott schuf Gestammel: Herr Richter ich verführe!
Sandel meine Sinne. Reihe substantiver Schwüre:
Vulva atme stoßzerstürmt. Die Libido kennt kein Ende.

APRIL
Gib mir ein Geldstück
wechselschlüpfriger April
oder schenk mir gleich den Überfick
wie ich im Traum nicht aber will.

MAI
Triumpf zeugt Glosse. Geschlecht bricht Geschlecht.
Wollustreiter ohne Rosse sprayen emsig ins Gefecht.
Bordelle voller Bibelkäufer. Die Besitzerinnen blind.
Körper zucken Bettelsilben, die noch keine Sprache sind.

JUNI
Getuschel im Käfig nomineller Triebe!
Lustschlaffe Schübe. Ritusflüstern smarter Worte.
Orgasmus und Retorte. Saure Gewohnheitsorte.
Machos mit Eskorte: Ich liebe nur, weil ich mich liebe.

JULI
Erinnerung toll rosarote Hyroglyphen.
Die kirregeile Lustkantate stummt.
Von zwei Fliegen, die zusammenschliefen
ist eine eben durchgebrummt

AUGUST
Periodische Küsse. Schnickgefüge.
Posenschwindel. Zerknautschte regressive Süße.
Wechsellüste vorm Notwehrspiegel der Lüge.
Im Bett: Paarbloße Schuhe für geschnürte Füße.

SEPTEMBER
Von Grabschefingern die Schmusehaut befreit
Fleischpures Zittern. Reinheit, tugendschwer.
Bar aller Liebesspuren kuschelpink geweiht
für Männerpranken rüd und ordinär.

OKTOBER
An Fingerkuppen nebelfeucht Geschlier.
Tonloses Ruppeln. Notzucht, die befreit.
Schnöd zwischen Angel und Liebe, Spiel und Tür
Bleibt jedem seine Standartzeit.

NOVEMBER
Um mich herum Reizmischer Schlüpferstürmer
Brustgrabscher, Stiesel, Wichser, Fliegen.
Am Paradiesapfel lümmeln schlaffe Würmer,
die sich nicht mich nicht mal den Schwanz hochkriegen.

DEZEMBER
Den Liebeshügel tolldreist hinuntergerodelt.
Auf heißesten Kufen! Mösenfrech und gliedvital.
Fröstelndes Tal: Aus & mannesgenug gejodelt. Hör ich
mich rufen: Niemals! Da oben liegt noch mein Schal!

Aus: Sondeur, Heft 10, Januar 1991

 

 

 

Durch die Gegend | Peter Wawerzinek

Heimkindheit mit Peter Wawerzinek – Jakob Hein spricht mit Peter Wawerzinek in seinem Podcast Verrückt

 

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Bild von Juliane Duda mit den Übermalungen von C.M.P. Schleime und den Texten von Andreas Koziol aus seinem Bestiarium Literaricum. Hier „Der Wawerzinek“.

 

Bild von Juliane Duda mit den Zeichnungen von Klaus Ensikat und den Texten von Fritz J. Raddatz aus seinem Bestiarium der deutschen Literatur. Hier „Wawerzinek, das“.

 

 

Peter Wawerzinek singt bei der  7. Nacht der schlechten Texte.

 

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