Robert Kelly: Die Sprache von Eden

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Robert Kelly: Die Sprache von Eden

Kelly-Die Sprache von Eden

Was du entdeckst
im verdunkelten Zimmer
aus so viel Aufgesagtem
des Wortes Zwielicht
Achill hört dem Ozean zu
mein sei dieses Wasser
und niemals ging eine Frau
durch seine Träume Fluchten
den Hörer in der Hand
ich warte auf das Wort
so viele Heroinen
streicheln zum Urteil
hingestreckt das Polster

 

 

 

Das im Oktober 2002 entstandene Gedicht hat bis jetzt gewartet, um in Form des roughbooks 041 eine verheißungsvolle und einfache Gestalt anzunehmen, mit der es die Stimmen finden kann, die es begehrt.

Vorwort

 

Die Sprache von Eden

ist ein weit ausgreifendes, psychoanalytisches Gedicht. In diesem verdichteten, montierten Gesprächsprotokoll vermischen sich die Stimmen eines Analytikers mit den Stimmen seiner Patienten: Das hochbegabte Kind spricht mit der Stimme des ewig abwesenden Vaters, der die stets verrückte Mutter umgebracht haben soll. Sind wir alle nicht der lebende Beweis für diesen Vorfall? Darüber herrscht einstweilen noch keine Einigkeit. Wir müssen nachdenken. Aber schon nähert sich lärmend der Rasenmäher von Atlantis, die U-Bahn der Toten rattert herein und die große kabbalistische Frage steht im Raum: Wie viele sprechen in jedem Einzelnen von uns? Ein Gedicht: wie eine Übertragung. „The Language of Eden“, das der amerikanische Dichter Robert Kelly 2014 auf www.metambesen.org veröffentlicht hat, liegt hier zum ersten Mal in Buchform und zweisprachig in amerikanischer und deutscher Sprache vor.

roughbooks, Ankündigung

 

Beitrag zu diesem Buch:

Jonis Hartmann: Therapie?
fixpoetry.com, 17.1.2017

 

Gregor Dotzauer: An den Ufern des Metambesen. Der amerikanische Dichter Robert Kelly und seine Frau Charlotte Mandell haben im Netz einen Verlag gegründet. Kleiner Blick auf das Gratisangebot von Metambesen.

 

DIE MORD AG SUTRA
für Robert Kelly

Pincus’ Schenke
an der Kelly als Schuljunge
vorüberging          Höhle
in der Mörder oder Höhle in der Juden
die Mörder waren
keine Benya Kriks sagt er
doch miese Typen
so verdorben
halt wie Amerika sie
um die Ecke bringt          doch ich meine ja
ganz andere Pincus’ Schenken Treffs von Einäugigen
die Hand steif geworden im Kaftan
jüdische Banditen
Mannsbilder von Nasen angeschwollen mit violetten Adern
von Schläfenlocken noch kraus nach Kindertagen
die sich über die Grenze wagten in drei Mänteln
Uhrenarmbänder vom Handgelenk zu den Schultern
zwar ohne Bart pfiffen sie gekonnt
Geheimbotschaften die in jüdischem Code
besagten
„das Zaren-Arschloch riecht nach Essig“ usw.
& sahen sich bemüßigt mit Messern umzugehen          nicht bloß
um etwas Salami abzuschneiden
sondern um eine Kehle aufzuschlitzen
& Blut zu verspritzen auf
der Kaufmannsweste oder Bilder
in ihm zu sehen
von Rabbis mit unerhörten Ständern
in der Welt der Laien
wirklich so wie sie es sahen die
Bordelljuden & Schank-
wirte waren
Fachleute im Kneipengeschäft
wo die meisten die Polacken
saufen ließen doch selber einen
abzockten wenn es nötig wurde
sich sogar gegenseitig einen bliesen
in polnischen Gefängnissen
von dort bis Brooklyn strömte es
machte die Runde          suchte
goldene Königreiche
an der Ecke Stone & Sutter
(dachte Kelly) manche lungerten
in Hauseingängen unglaublich mörderische Litwaks
mit Namen wie Lepke         Gurrah          „Dutch Schultz“
aaaaaaaaaRothstein          Lansky          Siegel
fuhren in schnittigen Cadillacs
mit vollverchromter Karosse im Stil von neunzehneinunddreißig
zu Festessen an hohen Feiertagen
bei Truthahnbraten          Hähnchen          Gans mit Pilzen
„eine Fischsuppe darauf Seen aus Zitronensaft schwammen“
tranken kostbaren samtweichen Madeira Schnaps aus Kanada
aaaaaaaaaZigarren von J.P. Morgan schnupften Kokain schlürften Orangen
oder schütteten Zitrone in ihren Wodka
sie würden die feinsten Streifenanzüge tragen englische Navy-Seide
doch mit einem Kopf für das Geschäft
Juden ließen Hochbahnen hinter sich Tommy Guns schossen
andere Juden drehten Filme
stiegen schwarzen Mädchen nach         legten eine heiße Sohle aufs Parkett
für Gangster aus Rom
tranken auf das Wohl ihrer Mütter mit Weinen aus Ungarn
die nach Sonne & Wanzen rochen
von denen der Vater des Toten ins Tagebuch schrieb
„mein Kind ist der Trost eines schweren Herzens
eine stattliche Erscheinung
nicht gerade jüdisch schmeichelt aber ein Traum von
Stärke          Zähigkeit          gebrochenen Versprechen
der Prügel eines Pferdes zwischen seinen Beinen
alle Ehre          & mein heimlicher Stolz auch
seinen toten Körper umgeben zu sehen
von eintausend blühenden Rosen aus dem alten Polen
ein Chor wie der in Warschaus Synagoge
geleitet von Sirota           lässt die Lieder von Engeln erklingen
die Blitzlichter von fünfzig Kameras explodieren
blenden die bescheidenen Bediener von Knopfmachinen Arbeiter
in schwarzen Anzügen & Seidenrevers einige
mit gelben Schuhen          Ehefrauen mit Milchflecken          deklassiert
ausgestochen von dem Hengst in seinem Sarg
dessen gegeites Haar noch immer riecht wie
Hurenhäuser abends auf der Atlantic-Avenue
keine Moldawanka-Wahnsinnsnächte in Odessa
daran erinnert heben die Handlanger den Sarg
süßliche Flecken in den Achseln orangefarbener Anzüge
Westen in Erdbeerfarben          Lederschuhe in Blau
& unter der Manschette des gemordeten Sohnes
ein diamantenbesetztes Armband“          so hätten
Babel oder ein Onkel
schreiben können selbst wenn das Fleisch
schwindet während andere
Mörderjuden die den pausbäckigen Jungen erschreckten
mit Visionen von Ganoven          hart wie Zement
die Körper in den Seen der Catskills
oben standen ihre Väter & warfen
die Flusen ihrer Hosen rein
baten um Freude          Erlösung
von Amerika dem strahlenden
Unterdrücker im weißen Kabriolett
oben auf den Straßen in Brownsville
den Adler der vergoldeten Staaten in den Arm gekrallt
& hungrig          sprungbereit
in Gesichter die ihm verhaßt
von Jude & Heide
zuerst sucht er in ihren Herzen nach „Freiheit“
& dann den Hans im Glück

Jerome Rothenberg

 

 

Fakten und Vermutungen zum Übersetzer + roughradio + Kalliope +
Facebook
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Keystone-SDA

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + PennSound + Poets.org +
Kalliope

 

Robert Kelly liest „Trigonometry“ and „The Ritual“ aus The Logic of the World in The Bookstore in Lenox MA, 12. Juli 2010.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00