Saison für Lyrik

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch Saison für Lyrik

Saison für Lyrik

AN K.

Dem ich zu oft das Herz mit Essig tränkte,
Mein kaltes Lot in blutende Verse senkte,
Du nimmst mein Heft, im Zwang der Zahl geschrieben,1

Und zählst die Strophen: „Ich find sieben mal sieben,
Wie auch die Späne fest zusammenkleben,
Verschüttetes Mikado, schlecht verspanntes Leben,
Kolloquium plappernder Worte –“. Ja, nun lache,
Greif zum Radierer und zum Rechner. Übe Rache:

„O Vers, wie einer Schnur entlanggegraben!
O Jubel, Klage, abgefüllt in Waben!“

Schon seh ich, Blutender, den Rotstift blitzen,
Geschärft von mir! Ich kenn mich aus in Spitzen!

Adolf Endler

 

 

 

Ein Anhäufung von Gedichten

besagt vorerst nichts über Qualität und Wirkungsmöglichkeit der gesammelten Arbeiten. So liegt das Resümee der vorliegenden kleinen Anthologie in der Hand des Lesers. Er wird in diesem Taschenbuch nicht mehr, aber auch nicht weniger als einen Querschnitt durch die Produktion der letzten Zeit, vornehmlich des Jahres 1967 finden. Er erwartet dabei keine Repräsentanz im quantitativen Sinne. Naturgemäß vermögen siebzehn Autoren keine Totale zu geben. Aspekte zur Situation der Lyrik in der DDR, zur Problematik der hier versammelten Dichter will das Buch dennoch vermitteln.
So treffen sich Naturgedichte und Gedichte der Stadtlandschaft, Liebesgedichte und Porträtgedichte, politische und Weltanschauungsgedichte von bekannten und von Autoren aus der jüngeren und jüngsten Generation. Wenn dennoch mancher Wunsch für Sujet und Form unerfüllt bleiben mag, tröstet vielleicht die Hoffnung, daß der Leser in der großen Anzahl der unveröffentlichten Arbeiten und vielleicht in der oder jener wichtigen Reprise die individuelle Handschrift seiner Autoren findet. Vielleicht vermag die Sammlung darüber hinaus von bemerkenswerten und lebensfähigen neuen Strömungen in der jüngsten Dichtung mitzuteilen. Möglicherweise – und das wäre nicht das geringste Anliegen des Bandes – versteht sie es auch, manchen Leser neugieriger zu machen auf einen der Dichter und seine Gedichte.

Aufbau Verlag, Klappentext, 1969

 

Anthologien im Aufbau-Verlag 1945–1990

(…)

Am heftigsten file die Kritik an Saison für Lyrik aus. Der Herausgeber Joachim Schreck hatte eine Auslese aus der Jahresproduktion 1967 gebündelt, ohne die sonst in Anthologien mitvertretenen Festtagsdichter wie Uwe Berger, Helmut Preißler oder Max Zimmering zu berücksichtigen. Für die Beurteilung wog die Entscheidung schwer, die Auswahl innerhalb der Taschenbuchreihe bb in einer Auflage von 25.000 Exemplaren zu verbreiten.2 Damit erschien die von neuer Subjektivität getragene Lyrik nicht als Experiment von Außenseitern, sondern erhob scheinbar repräsentativen Anspruch. Auf dem VI. Schriftstellerkongreß (1969) sprach Helmut Preißler im Zusammenhang mit Saison für Lyrik von „zunehmend schwächlicherer, blutarmer und indifferenter Lyrik“.3 Der Herausgeber Joachim Schreck mußte den Verlag verlassen, weil er nicht nur die Anthologie und die Lyrikproduktion insgesamt zu verantworten hatte, sondern auch ein Gegner der Niederschlagung des Prager Frühlings war. Der Verlag nahm die Restbestände von Saison für Lyrik aus dem Vertrieb und verzichtete vorläufig auf allzu innovative Anthologien.

(…)

Carsten Wurm, aus Günter Häntzschel (Hrsg.): Literatur in der DDR im Spiegel ihrer Anthologien. Ein Symposium, Harrassowitz Verlag, 2005

 

Fakten und Vermutungen zum Herausgeber

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