Stefan Brecht: Gedichte

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Stefan Brecht: Gedichte

Brecht-Gedichte

GELB
des Mondes.
Seide von Birnen, Gruben-
schatten des Alters.
Raub
von Spielzeug. Gang
dessen, der niemals ankam.

 

 

 

Aus den Gedichten Stefan Brechts

lassen sich die Stationen seiner Biographie ohne große Mühe herauslesen. 1924 in Berlin geboren, verlebt er die Kindheit in der Weimarer Republik. Bei Machtantritt der Nazis müssen seine Eltern emigrieren. Während entscheidender Jahre seiner Entwicklung lebt er in verschiedenen Ländern Europas und faßt schließlich in den USA Fuß, deren Bürger er 1944 wird. Mit Deutschland verbindet ihn zuwenig, als daß er sich entschließen könnte, nach dem Kriege dorthin zurückzukehren. Er studiert, wird Doktor der Philosophie und übt die verschiedensten Tätigkeiten aus, zum Beispiel auch die des Schauspielers. Heute lebt er in New York. Selber bezeichnet er sich als „gelegentlicher Verfasser von Gedichten“. 1978 erscheint ein Band Poems in englischer Sprache. Doch er will auch „die Muttersprache, die schönste nicht verlieren und eines Tages, als er in der Phase zwischen Traum und Erwachen seine Umgebung überdeutlich und zugleich verfremdet wahrnimmt, kommt ihm sein erstes deutschsprachiges Gedicht in den Sinn.

Aufbau Verlag, Klappentext, 1981

 

Dichtung zwischen Traum und Wirklichkeit

Der Autor dieses Bandes selbst erhebt nicht den Anspruch, ein Dichter zu sein. Er versteht sich als „gelegentlicher Verfasser von Gedichten“. Relativ spät erst veröffentlichte der Doktor der Philosophie und Schauspieler seinen ersten Gedichtband in englischer Sprache. Doch dann erinnert er sich auch an seine „Muttersprache, die schönste“, und schreibt die ersten deutschsprachigen Gedichte, die mit diesem schmalen Band nun auch dem Leser hierzulande zugänglich werden.
Gedichte des Sohnes von Bertolt Brecht: Karge Verse mit kurzen Beschreibungen. Gedichte wie Bilder eines Szenariums. Der Lapidarstil ist vorherrschend. Einzelne Gesichter, Gegenstände und Orte werden so nahe herangeholt, daß die Hintergrunde oft verschwimmen. Stefan Brecht hat sich, wie es scheint; die Unbestechlichkeit des Blicks bewahrt. Er schreibt auf, was ihn sichtbar bedrängt.
Es wäre ein Fehler, den Sohn am Vater zu messen. Der alte Brecht ist ein Denkmal, das keine Literaturkritik umgehen kann, der junge Brecht ist kein ambitionierter Literat; in seinen Gedichten wird keine Perfektion angestrebt. So wirkt auch manches gekünstelt, während anderes pointiert und gelungen erscheint. Der Dichter trauert auf seine Weise um den Vater.

Sehr still
ist des Toten Mund.
Die Luft hängt über ihm
wie ein See. Macht entwich ihm
in einem Hauch.

Das Gedicht über die Mutter, heiter in der Grundstimmung, läßt er mit der Verallgemeinerung ausklingen: „Dem / Rat / der Mütter / ist zu mißtrauen.“ Der Schwester schreibt er zum Geburtstag: „Angekommen, sieht man, / man ist noch nicht da.“ Und als eine große Lebenserfahrung weiß er zu verkünden: „Der Lustige / überlebt.“ Der Extrakt seiner Menschenkenntnis lautet:

Mich verwundert
gelegentlich die Sorge in den Gesichtern
der Menschen,
auch, und sogar besonders,
zu Friedenszeiten.
ein bitterer Zug des Unterliegens in einem inneren
Kampf oder
böse Ärgernis ob eines ungelösten Problems
unlösbar.
Dem Kampf um die Existenz
fügen sie den Kampf mit sich hinzu
den niemand gewinnen kann.

Stefan Brecht schreibt über sich, über andere, über Städte, Wetter, Amerika und andere Orte der Welt, über Bäume, Seen, das Exil und die Liebe. Ein Band mit Zeugnissen einer ausgeprägten Subjektivität. Diese zeigt sich dann, daß einer als besonderer Mensch Besonderes aufspürt und vorbringt. Viele Gedichte sind auf die Schlußpointe hin geschrieben. der Text ist dicht und transparent zugleich. Als Stilmittel dienen mancherlei verwirrende Dissonanzen. Es werden nicht nur Gleichnisse erzählt sondern auch Rätsel aufgegeben. Stefan Brecht hat seine Gedichte, wie er selber sagt, in einer Phase zwischen Traum und Erwachen aufs Papier gebracht. Verfremdung und ein überdeutlicher Wahrnehmungssinn erschließen dem Leser eine Realität, die vertraut und zugleich unbekannt ist.

Martin Roland, Neue Zeit, 12.7.1982

 

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + Kalliope
Nachrufe auf Stefan Brecht: Tagesspiegel ✝ Berliner Zeitung

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