Wolfgang Schlenker: nachtwächters morgen

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Wolfgang Schlenker: nachtwächters morgen

Schlenker-nachtwächters morgen

UM MITTERNACHT

nachts wenn die erde sich langsamer dreht
wachen mit einer anderen panik als der von zitaten
im schatten von aber-das-ist-eine andere-geschichte

das glauben denkt ohne schlußfolgerungen
von den gesetzen die haltbarsten sind
wahrscheinlich die ungeschriebenen

und es gibt arten von dummheit
derer man sich nicht lange zu schämen braucht
weil niemand alles weiß selbst die dummheiten nicht

das entschleierte märchen von der wahrscheinlichkeit
wurde ein wort mit sieben buchstaben
das hieß zukunft

der junge mond wurde eine chrysantheme aus messing
das gurgeln der tauben ein neues datum
der durst des fragens ein sonnenstand

es gibt brücken zwischen glück und unglück
die fragen im kalten wasser leuchten zurück
den anfang lernt man an ihren schatten entlang.

 

 

 

nachtwächters morgen ist Wolfgang Schlenkers

erster Gedichtband

bei Urs Engeler und sein fünftes Buch insgesamt. Nach der Erkundung der Häuser im vorausgegangenen Band „herr heute“ sind die neuen Gedichte wieder größtenteils im Freien geschrieben. Gärten kommen darin vor, Vögel, Bäume und auch der Horizont, „denn nie ist rückwärts gewandt der horizont“.

Urs Engeler Editor, Ankündigung, 2000

 

Wolfgang Schlenker

SEHNSUCHT NACH WALDMEISTER

was einmal waldschaft war
jetzt ist es nur noch umfeld
grünliche mater, laub und lustlos
sandiger materialismus
vor moosbewachsenen breiten
im tal der längenminusgrade
grundstückpreis
statt hoch zu preisende bäume
peitschenwind und dauerregen
statt dass sich holde düfte regen
der boden aufgerissen
wie ein maul am schotterweg
und aller steinchen angebissen
wie von karies faul

pure verschwendung hier atemholen
das fromme mädchen ausschicken
es wartet ihr weder wolf
noch irgendwie eine gewalt
zur belohnung
das schiere nichts bis
weit hinterm horizont
und eine leere
die alles übersonnt

(Aus: nachtwächters nachtgesänge ohne länge)

Peter Wawerzinek

 

Hans Thill: Wolfgang Schlenker Stelen

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