Ernst Jandls Gedicht „my own song“

ERNST JANDL

my own song

ich will nicht sein
so wie ihr mich wollt
ich will nicht ihr sein
so wie ihr mich wollt
ich will nicht sein wie ihr
so wie ihr mich wollt
ich will nicht sein wie ihr seid
so wie ihr mich wollt
ich will nicht sein wie ihr sein wollt
so wie ihr mich wollt

nicht wie ihr mich wollt
wie ich sein will will ich sein
nicht wie ihr mich wollt
wie ich bin will ich sein
nicht wie ihr mich wollt
wie ich will ich sein
nicht wie ihr mich wollt
ich will ich sein
nicht wie ihr mich wollt will ich sein
ich will sein.

1966

aus: Ernst Jandl: poetische werke 8. Luchterhand Verlag, München 1997

 

Konnotation

Prägnanter kann man die Selbstbehauptung eines lyrischen Subjekts kaum formulieren. In litaneihaften Wiederholungen und minimalen Verschiebungen der Personalpronomina und (Hilfs-)Verben veranschaulicht der große Wort-Artist Ernst Jandl (1925–2000) die Totalverweigerung eines Ich, das sich den gesellschaftlichen Domestizierungsversuchen nicht beugen will. Das Gedicht ist 1966 entstanden, wurde aber erst 17 Jahre später veröffentlicht.
Das Eröffnungsgedicht des Bandes selbstporträt des schachspielers als trinkende uhr (1983) demonstriert eine Individuation des Subjekts, die kompromisslos nur auf „das Eigene“ gerichtet ist. Alle Versuche der Vereinnahmung werden zurückgewiesen. „my own song“ ist eins jener Gedichte, die Jandl in Zusammenarbeit mit Musikern inszeniert bat. Mit großem Erfolg beim Publikum.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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