ROBERT GERNHARDT
Nachdem er durch Metzingen gegangen war
Dich will ich loben: Häßliches,
du hast so was Verläßliches.
Das Schöne schwindet, scheidet flieht –
fast tut es weh, wenn man es sieht.
Wer Schönes anschaut, spürt die Zeit,
und Zeit meint stets: Bald ist’s soweit.
Das Schöne gibt uns Grund zur Trauer.
Das Häßliche erfreut durch Dauer.
1984
aus: Robert Gernhardt: Gesammelte Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2005
Der Oberbürgermeister der schwäbischen Kleinstadt Metzingen soll heftig protestiert haben, als ihn im Januar 1985 die Kunde vom Gedicht des Meister-Humoristen Robert Gernhardt (1937–2006) erreichte. Tatsächlich hat der Dichter der Hauptstadt der Schnäppchenjäger, in dem sich ein Textil-Outlet ans nächste reiht, keine Huldigung dargebracht, sondern einen zweifelhaften Hymnus auf die Verlässlichkeit des Hässlichen.
Im Konkurrenzverhältnis zwischen der Hässlichkeit und der Schönheit hält hier die sonst so verachtete Hässlichkeit alle ästhetischen Trümpfe in der Hand. Dauer, Konstanz und Haltbarkeit des Hässlichen siegen über das vergängliche Schöne. In einer Anmerkung zu dem an Heinrich Heine (1797–1856) geschulten Gedicht teilt Gernhardt mit, dass ihm nach einer Lesereise durch schwäbische Volkshochschulen klar wurde, dass er so viel „Kitsch, Konsumschrecken und Zerstörung nicht hinnehmen darf “.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
Mühlheim am Main kommt schlimmer weg.
Der war eindeutig nie in Dettingen…..