VOM ERLEUCHTENDEN KÜSSEN DER MORGENSTUNDE
dieses genaue EXAKTE, Gehirn am frühen Morgen dieses
aaaaaweihevolle
Gehirn das alles erkannte das alles mit Röntgen (mit Kniffen)
aaaaadurch-
glänzte : erkundete am Morgen so weise so weinen so grimmig
aaaaaent-
rätselnd – alles aufgeschlagen enthüllt erfahren so Rosen
aaaaaIrrwisch
nämlich Gurren von Täubchen der Pfauenstab in der Brust
16.3.2010
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Inhalt
Die Herzen zerschlissen, die Eisblumen verblüht, die armen Seelen vergraben im Schnee. Doch niemand muß ungetröstet bleiben. Wer sich den Umarmungen Friederike Mayröckers überläßt, erfährt von der Zärtlichkeit, die noch in den unscheinbarsten Dingen steckt: in der Wäscheklammer nicht weniger als im Huflattichblatt, im Sträußchen Tau genauso wie in den Sternen, die geheimnisvoll auf der linken Wange der Herzensfreundin funkeln. Dreißig Liebeserklärungen der großen Wiener Dichterin ans Leben; dreißig Liebeserklärungen an die letzte, die höchste Instanz – die Poesie.
Insel Verlag, Ankündigung
Wunderbares poetisches Kleinod
Drei Jahre nach Erscheinen des fulminanten, knapp 350 Seiten umfassenden Lyrikbuches dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif wurde im März 2012 mit Von den Umarmungen ein weiterer Gedichtband von Friederike Mayröcker veröffentlicht. Die schön gestaltete Ausgabe gehört zum Jubiläumsprogramm „100 Jahre Insel-Bücherei“ und enthält neben mehreren Zeichnungen der Wiener Autorin 28 Gedichte, die von Januar bis Anfang Juli 2010 entstanden sind.
In einer FAZ-Rezension über den 2010 mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichneten Vorgängerband befand Wulf Segebrecht es als „sehr merkwürdig“, daß Leser, Dichterkollegen und Literaturkritiker, die sich über die Poesie Friederike Mayröckers geäußert haben, begeistert und hingerissen, aber auch zutiefst irritiert seien. Bei aller Bewunderung ihrer Gedichte würden sie zugleich bekennen, daß sie sie überhaupt nicht oder allenfalls nur ansatzweise verstünden.
Die filigrane, assoziationsreiche Lyrik der größten deutschsprachigen Dichterin der Gegenwart entzieht sich gewiß dem schnellen Verstehen. Wer aber in den Kosmos dieser unverwechselbaren Poesie eintaucht, wird schon bald vom unwiderstehlichen Sog eines sich immer wieder verzweigenden und zusammenfließenden Sprachstroms ergriffen, der einen gefangennimmt und die Frage nach dem Verstehen nicht unbedingt als vorrangig erscheinen läßt. Friederike Mayröcker ist eine im besten Sinne Sprachbesessene, deren unstillbarer Lebenshunger auch noch im hohen Alter – trotz Wehmut, Trauer und Tränen – aus ihrer Literatur spricht.
Wie in zahlreichen früheren Gedichten klingt auch in Von den Umarmungen ein elegischer Grundton an, der allerdings selten in Trübsal mündet wie im Eingangsgedicht „vom Umschlingen der Sperlingswand mitten im Epheu“ mit dem großartigen Schlußbild Trübnisse : Dunkelrosen der Nacht. – Folgt man Hans Magnus Enzensbergers Ansicht, daß es in der Lyrik letzten Endes darauf ankomme, den unerhörten Vers zu treffen, dann wird man bei Friederike Mayröcker immer wieder fündig. Weitere Beispiele aus dem neuen Gedichtband belegen es:
und der Winter tappte gegen die Scheiben nämlich die tappende Jahreszeit
die Weiden des Stadtparks haben sich gewölbt über meine Tränen
Kommunion von Schnee und zerschlissenem Herzen
das schwirrende Ohr des Sommers : mit Libellen Schmetterlingen und Käfern.
Wenn in vielen Gedichtüberschriften auch vom Umarmen und vor allem vom Küssen die Rede ist, bedeutet das nicht immer, daß Zärtlichkeit angesagt ist. So knallhart wie in „vom Küssen der Füsze der Braut“ geht es allerdings sonst in Von den Umarmungen nur selten zu:
ich habe diese Haut dieses Fell meiner Haut meine Haut zerrissen meine
Haut in Fetzen zerfetzt zerschossen dieses Fell meiner Haut und dasz
ich winsele heule wer nimmt mich in seine Arme diese Haut diese Wolken-
haut so zerstört und der Myrthenkranz tief in die Stirn gedrückt damals
März ’24 ….
In anderen Gedichten des kleinen Lyrikbandes sind die Nähe Friederike Mayröckers zur Natur und ihre Vorliebe für den Frühling spürbar. Hier offenbart sich auch wieder der Lebenshunger der Autorin, die selbst unscheinbarste Dinge zum Gegenstand ihrer faszinierenden Poesie macht – und sei es eine Wäscheklammer:
ÜBER DAS KÜSSEN
die Kluppe = Wäscheklammer sagt sie, für Puppenwäsche für kl. aus-
geschnittene Schemen von Tiermodellen sagt sie, Puppenwäsche zum
Aufhängen auf bunten Fäden durchs Kabinett gespannt usw., und auf
der Kluppe=Wäscheklammer die 1. 3 Buchstaben seines Namens („bri.“)
im Seitenfach der Umhängetasche in meinen Lungenflügeln dasz ich
raschelnd fliege mit meinen Papierflügeln rauschend berauscht von
der Fahle des Morgens, aber mit jedem Tritt in den Abgrund der Geistes-
existenz stürzend / Schneewächten während das Unheil einer (famosen)
Person nämlich Zwitter des Lichts, als verblüffen
10.1.2010
Friederike Mayröckers 2009 erschienenes dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif gehört für mich neben Ernst Jandls Letzte Gedichte (2001), Thomas Klings Auswertung der Flugdaten (2005) und Ulf Stolterfohts holzrauch über heslach (2007) zu den exzellentesten deutschsprachigen Lyrikbänden, die nach der Jahrtausendwende veröffentlicht worden sind. Mit Von den Umarmungen hat sie nun ihrem großen Gedichtbuch ein wunderbares poetisches Kleinod folgen lassen. Wir warten gespannt auf weitere Werke.
Axel Kutsch, editiondaslabor.de, 13.9.2012
Über das Erhellende der Verfinsterung
− manuskripte-Preis 1993: Laudatio auf Friederike Mayröcker. −
I
Es gibt wenige (und der vor Ihnen Stehende kann sich nicht darunter zählen), denen die Beschreibung von Friederike Mayröckers poetischem Werk nicht zur Lobrede gerät. Der Vorgang scheint etwas Naturgesetzliches zu haben. Und ist wie Naturgesetze beruhigend und beunruhigend zugleich. Heute immerhin braucht er letzteres nicht zu sein. Lobrede lautet der Auftrag.
Ihr Gegenstand ist ein literarisches Werk, das seit bald vierzig Jahren sich als ein stetiges heftiges Fort- und Vorschreiben darstellt.
Ein Werk, das, beirrbar nur durch sich selber, PROZESS, PROGRESS und PROGRESSION, PROZEDUR und PROZESSION ist.
Vielleicht sind diese Fremdwörter, die von den beiden lateinischen Verben für „voranschreiten“ abgeleitet sind, hilfreich beim zaghaften Versuch, die Lobrede etwas hinauszuschieben.
PROZESS will sagen, daß Friederike Mayröckers Werk Vorgang, Ablauf, Verfahren ist.
PROGRESS, PROGRESSION weisen auf Fort-Schritt (nicht in einem positivistischen Sinn), auf Entwicklung, Steigerung. Mit diesen Begriffen ist es nun allerdings bereits nicht mehr weit her mit dem Versuch, der Lobrede zu entgehen, ist sie unvermeidlich geworden, für den jedenfalls, der daran erinnert, wie diese Autorin auf sich selbst zu und über sich selbst hinaus sich entwickelt und gesteigert hat.
PROZEDUR hingegen möchte Aufmerksamkeit beanspruchen für die im Werk (im doppelten Sinn des Wortes) aufgehobenen Mühseligkeiten und für die Vielfalt der Arbeits-Weisen („Weisen“ sei wiederum doppelsinnig!) Friederike Mayröckers bei der Verwirklichung ihrer poetischen Setzung und Schöpfung.
PROZESSION schließlich sollte darin das Rituelle, Gelenkte, Inszenierte und Organisierte festzuhalten versuchen.
Aber ob bloß deskriptiv oder schon Lobrede: Alle fünf Begriffe sollen einen anderen aus diesen Überlegungen ausbürgern. Den des Resultats nämlich. Gewiß, in die Hand genommen, von außen betrachtet, sind die Bücher Friederike Mayröckers Resultat eines Schaffensvorgangs. Die Lektüre aber, jede Beschäftigung mit ihnen erfährt sie, vom ersten bis zum letzten Satz oder Vers, wieder als den Vorgang selber. Und das gilt genau so für das Gesamtwerk. Weshalb auch Bezeichnungen wie diese, Gesamtwerk eben, oder Lebenswerk, im Grunde unpassend erscheinen. Sie stellen sich eine Programmierung in Etappen und Epochen vor, möglichst auf ein abgerundetes Ganzes und schlimmstenfalls Klassizität hin.
Friederike Mayröcker dagegen – und das ist das Aufregende für den, der sie liest, weil er als Leser nämlich in ganz dieselbe Situation versetzt wird – begann und beginnt jedesmal wie von vorne. Als ob ihr alles abhanden gekommen wäre, worüber sie verfügte, was sie geleistet und gemeistert hat.
II.
Ich setzte mich also am Nachmittag an die Schreibmaschine, doch ohne sie zu berühren. Das Klappern der Tasten hätte mich umgeworfen. Oder es war wie eine abergläubisch empfundene Pflicht, das Schweigen nicht zu brechen. Um mir einen Kaffee zu kochen, schlich ich mich auf Zehenspitzen in die Küche. Draußen, auf dem Vorplatz, trommelte lautstark der Regen, aber ich durfte kein Geräusch machen. Ich mußte, wie die andern, tot sein.
Die Sätze sind nicht von Friederike Mayröcker. Sondern aus Guido Morsellis Roman Dissipatio humani generis oder Die Einsamkeit. Zu Beginn dieses Romans findet sich der Ich-Erzähler allein auf der Welt. In einer Nacht davor ist das ganze menschliche Geschlecht lautlos und spurlos verschwunden. Ausgerechnet er, der sich in dieser Nacht umbringen wollte, ist als einziger übrig geblieben und wird dann später mit seinen, vielleicht lebenserhaltenden Aufzeichnungen beginnen.
Die Stille vor diesem Beginn, die Angst, dieses Alleinsein und sich nicht zu rühren wagen: Ist nicht genau so, und nur so, der Augenblick denkbar, bevor Friederike Mayröcker jeweils wieder zu schreiben beginnt? Jedesmal, wie gesagt, als ob es das erstemal wäre.
Zur Beschwörung der Dramatik und Schmerzhaftigkeit des nächsten Augenblicks, des Beginns des Schreibens also, müssen nun Sätze von Friederike Mayröcker zitiert werden. Diejenigen, in denen die Lautlosigkeit vor dem Schreiben am schreiendsten, erschreckendsten durchbrochen ist. Sie stehen in mein Herz mein Zimmer mein Name (1988) und sind nur ein Beispiel für viele, wie bei Friederike Mayröcker die Metapher ins lebendige Fleisch zu schneiden vermag:
(…) mit einer schrecklichen Fräse dringe ich jeden Morgen in diese meine Schreibarbeit ein, ich fresse mich in diese meine Schreibarbeit (…).
Übrigens: wie zwiespältig und ungesichert sein muß, was da gleicherweise demonstrativ auf Distanz gehalten und possessiv in Besitz genommen wird! – „diese meine“, heißt es zweimal von der „Schreibarbeit“.
III.
Aber darum soll es jetzt nicht gehen. Sondern darum, daß die Fräse im Ohr weiterlärmt, auch in die Scheuheit und in die Verschwiegenheit der folgenden Passage hinein. Sie ist dem jüngsten TEXTKIND, SPRACHKIND Friederike Mayröckers entnommen; es trägt den in seiner Weitläufigkeit und Widersprüchlichkeit unauslotbar programmatischen Titel Schubertnotizen, oder das unbestechliche Muster der Ekstase (1994):
Wenn ich noch Wäsche haben könnte, Herr Vater, wäre es mir außerordentlich nützlich, wenn Sie mir einen Nachtrag von Sacktüchern, Halstüchern, Strümpfen schicken könnten, auch Beinkleider – Mantelsack aufgerissen, die Münzen klingeln im Mantelsaum, klopfen an Knie und Wade während des Laufens, ziehen die Futter nach unten (…).
Die Stelle ist vermutlich Zitat aus einem Schubert-Brief. Aber nichts verrät es. In einer früheren Schubert-Prosa (Heiligenanstalt, 1978) hat Friederike Mayröcker Zitate durch Anführungszeichen als dokumentarisch ausgewiesen. Diesmal ist der Text, auch wenn er von Schubert stammen sollte, angeeignet, ist ganz ihr eigener. Mit ihm ist die nackte Not, die daraus spricht, die hintergründige Verzweiflung ihre eigene. Und vor allem ist es die heile Verwahrlosung und wie sie unmerklich auf die Sprache, die Syntax der Sätze übergreift.
Man muß es einer Mayröcker-Laudatio nachsehen, daß sie den Ehrgeiz entwickelt, ansatzweise kreativ zu sein. Man muß also dieser hier nachsehen, daß sie nun ausgerechnet Verwahrlosung als ein Schlüsselwort für den Zugang zu Friederike Mayröckers Dichtung entdeckt haben will. Verwahrlosung verstanden als der Zustand desjenigen, der sich von den Konventionen, Reglementierungen verabschiedet hat. Der derartigen Ballast abwirft, weil sie seine Autonomie beeinträchtigt und seine Konzentration.
Das Befreiende einer so erfahrenen Verwahrlosung ist leicht zu übertragen auf ein anderes Schlüsselwort des Werks von Friederike Mayröcker: die Durchlässigkeit. „bin von Durchlässigkeit befallen, der Durchlässigkeit anheimgegeben“, heißt es ebenfalls in den „Schubertnotizen“. Die Ausdrucksweise („befallen“, „anheimgegeben“) deutet zunächst auf einen krankhaften Zustand, auf Verletzlichkeit und Widerstandslosigkeit des Ichs gegenüber dem poetischen Material. Aber „Durchlässigkeit“ beinhaltet auch eine strikte Forderung an dieses. Es muß, wenn es sich behaupten will, an Schwere und Kompaktheit verlieren. Sich verwandeln, atomisieren, auflösen, im äußersten Fall entmaterialisieren lassen: in Licht, Dunkelheit, in die vergehende und in die stillstehende Zeit.
Weil darin der Entmaterialisierungsprozeß am weitesten vorangetrieben wird, ist gerade Friederike Mayröckers scheinbar kompaktestes, monumentalstes Buch, Herz mein Zimmer mein Name, das aus einem einzigen, absatzlos über dreihundertdreißig Seiten sich erstreckenden Satz besteht, in Wirklichkeit ihr schwerelosestes, gelöstestes.
Obwohl doch die Prosa dieses Werks der Endpunkt einer Verfinsterung der Poesie- und Existenzerfahrung der Autorin ist. Sie setzte ein mit Die Abschiede (1980) steigerte sich in Reise durch die Nacht (1984) und Das Herzzerreissende der Dinge (1985) bis zur Düsterkeit der folgenden Sätze, in mein Herz mein Zimmer mein Name eben: „ich fühle mich an manchen Tagen ohne Gesicht“, heißt es da, und, zweihundert Seiten später, präzisierend und gravierender noch:
ich greif mein Gesicht, sage ich, und es ist schon ein Totenschädel, ich greif mein Gesicht und da ist schon der Totenschädel, während ich das Handtuch gegen mein Gesicht presse, spüren meine Hände, es ist ganz ohne Fleisch (…)
Aber nicht nur in der Prosa der letzten Jahre, auch in der Lyrik nehmen solch schockierende Chiffren und Bilder und Weisen von Tod und Vergänglichkeit zu.
IV.
Aber wer sich unermüdlich in sie versenkt, wer unerschrocken genug in das Dunkel, die Nacht, Umnachtung und in den Verfall blickt, wird erkennen, daß mit ihnen nicht das letzte Wort gesprochen ist. Daß das letzte Wort vielmehr dem ERHELLENDEN DER VERFINSTERUNG gehört – und der Zurückverwandlung des nackten Schädels in ein Gesicht.
(In den Landschaften der spanischen Extremadura blüht über Abhänge und an Wegböschungen weißer Ginster. Am Tag ist er nur weiß. Wenn es aber einnachtet, beginnt er zu leuchten, geht ein Licht von ihm aus, das keine Dunkelheit völlig auszulöschen vermag.)
Aus den Sätzen Friederike Mayröckers schlägt das Erhellende entgegen als „ein fortwährendes Denkflattern“ (so nennt sie es in Stilleben, dem bisher letzten Prosabuch, von 1991), als eine schrankenlose Wahrnehmungsbereitschaft, als Sprachphantasie und als – bald explodierende, bald verhaltene – „Ausdruckswut“ (Francis Ponge). Sie alle erweisen sich als strukturbildend, auch in den explosiven und halluzinatorischen, noch in den komplexesten Texten der Friederike Mayröcker. Die Struktur erschließt sich manchmal nur schwer und allmählich. Immer öfter in letzter Zeit legt die Autorin jedoch von vornherein hilfreiche Spuren zu ihr an: durch das Dialogische der Texte, durch Leitmotiv oder Refrain, wiederkehrende Redewendungen, durch Kapitelüberschriften oder Vorspanne zu den Textabschnitten.
Und in der Struktur, der komplexen wie der einfachen, ist die Fähigkeit zur poetischen Distanz am Werk. In allem Glühen und Lodern, in der Exaltation und Anarchie von Friederike Mayröckers Schreiben berührt sie uns oft wie eine Wundererscheinung. Aber es ist eine, auf die Verlaß ist. Wo sie sich einstellt, gewinnt das poetische Ich aus der Passion und aus den Passionen, denen es sich aussetzt, jene Weitsicht und Hellsichtigkeit und Selbsterkenntnis, wie sie einst Jean Paul seinem Luftschiffer Gianozzo zugestanden hat, wenn er ihn auf die Welt hinunter und danach auf sich selber blicken läßt:.
Drunten lagen die müden Wachslarven auf dem Hinterkopf, hier oben steht eine reflektierende auf dem Hals, sagt ich, und griff über mein Gesicht, um solches wie eine Larve abzun
ehmen und zu besehen.
V
Der Laudatio mangelt es an Systematik. Sie taucht irgendwo kurz ein und gleich wieder auf. Sie streift und streift den Gegenstand, statt sich ihn einzuverleiben.
Zudem: von allen Seiten hat sie sich des Beistands versichern müssen. Und muß es sogar weiterhin. Nochmals bei Francis Ponge zum Beispiel, der gesagt hat:
Wir sind in unserer Sprache eingeschlossen. (…) Aber welch wunderbares Gefängnis! Welches Glück!
Um Beistand anzugehen sind aber auch Alfred Kolleritsch und, natürlich, die Autorin selber. Kolleritsch spricht sie in einem Gedicht an als „so wach / so treu im revier deiner sprache“. In einem ihrer Gedichte, einem der langen des Bandes Gute Nacht, guten Morgen (1982), findet sich, unvermutet, kursiv gedruckt und wie aus dem Zusammenhang gerissen, der Vers:
Ich lebe ganz bewußt in einem Poesie-Reservat.
Beide, „Revier“ und „Reservat“, sind sehr einleuchtende Metaphern für die in erschütternder Ausschließlichkeit poetische Existenz Friederike Mayröckers. Wie eine Jägerin verfolgt sie die Sprache auf allen Fährten und in all ihre Verstecke, wie eine Wächterin und Hegerin nimmt sie sich des Poesie-Bestands und der Erhaltung der gefährdeten Gattung an.
Die poetische Existenz ist durchwirkt mit der Ahnung von Verlust und mit der Trauer darüber; aber auch gestützt und geschützt durch die Auflehnung der Sprache gegen jeden Versuch, sie aus dem „Poesieparadies“ (so hießen Reservat und Revier in Das Herzzerreißende der Dinge) zu vertreiben.
VI.
Ende des Jahres wird Friederike Mayröcker siebzig. Das ist kein Alter, sagen wir. Das ist Das besessene Alter, sagt sie, im Titel ihres letzten Gedichtbandes, der von unserem „kein Alter“ nichts weiß. Und trotzdem eine einzige poetische Umsetzung dessen ist, was, wiederum, Jean Paul wußte, damals als er in seiner „Konjektural-Biographie“ schrieb:
Alle Glieder veralten am Menschen, aber doch nicht das Herz. Mit jedem Jahr werd’ ich meines jünger und weicher schreiben.
Heinz Schafroth, manuskripte, Heft 124, 1994
Theo Breuer: „Wie eine Lumpensammlerin“ – Vermerk zu Friederike Mayröckers Werk nach 2000
Michael Wurmitzer: Weltkonfrontation und Weltdistanz. Eine philologisch-kulturwissenschaftliche Untersuchung zu Friederike Mayröckers ,études‘.
Paul Jandl: Interview mit Friederike Mayröcker – „Ich bin ja eigentlich gegen den Tod“
Friederike Mayröcker im Interview mit Astrid Nischkauer am 8.3.2017 im Café Sperl
Protokoll einer Audienz. Otto Brusatti trifft Mayröcker: Ein Kontinent namens F. M.
Hans Ulrich Obrist spricht über die von ihm kuratierte Ausstellung von Friederike Mayröcker Schutzgeister vom 5.9.2020–10.10.2020 in der Galerie nächst St. Stephan
Friederike Mayröcker übersetzen – eine vielstimmige Hommage mit Donna Stonecipher (Englisch), Jean-René Lassalle (Französisch), Julia Kaminskaja (Russisch) und Tanja Petrič (Slowenisch) sowie mit Übersetzer:innen aus dem internationalen JUNIVERS-Kollektiv: Ali Abdollahi (Persisch), Ton Naaijkens (Niederländisch), Douglas Pompeu (brasilianisches Portugiesisch), Abdulkadir Musa (Kurdisch) und Valentina di Rosa (Italienisch) und Bernard Banoun – im Gespräch mit Marcel Beyer am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle.
räume für notizen: Friederike Mayröcker: Frieda Paris erliest ein Langgedicht in Stücken und am Stück, Juliana Kaminskajas Film das Zimmer leer wird gezeigt. Die Moderation übernimmt Günter Vallaster am 29.1.2024 in der Alten Schmiede, Wien
Fest mit WeggefährtInnen zu Ehren von Friederike Mayröcker Mitte Juni 2018 in Wien
Sandra Hoffmann über Friederike Mayröcker bei Fempire präsentiert von Rasha Khayat
Im Juni 1997 trafen sich in der Literaturwerkstatt Berlin zwei der bedeutendsten Autorinnen der deutschsprachigen Gegenwartslyrik: Friederike Mayröcker und Elke Erb.
Zum 70. Geburtstag der Autorin:
Daniela Riess-Beger: „ein Kopf, zwei Jerusalemtische, ein Traum“
Katalog Lebensveranstaltung : Erfindungen Findungen einer Sprache Friederike Mayröcker, 1994
Ernst Jandl: Rede an Friederike Mayröcker
Ernst Jandl: lechts und rinks, gedichte, statements, perppermints, Luchterhand Verlag, 1995
Zum 75. Geburtstag der Autorin:
Bettina Steiner: Chaos und Form, Magie und Kalkül
Die Presse, 20.12.1999
Oskar Pastior: Rede, eine Überschrift. Wie Bauknecht etwa.
Neue Literatur. Zeitschrift für Querverbindungen, Heft 2, 1995
Johann Holzner: Sprachgewissen unserer Kultur
Die Furche, 16.12.1999
Zum 80. Geburtstag der Autorin:
Nico Bleutge: Das manische Zungenmaterial
Stuttgarter Zeitung, 18.12.2004
Klaus Kastberger: Bettlerin des Wortes
Die Presse, 18.12.2004
Ronald Pohl: Priesterin der entzündeten Sprache
Der Standard, 18./19.12.2004
Michael Braun: Die Engel der Schrift
Der Tagesspiegel, 20.12.2004.
Auch in: Basler Zeitung, 20.12.2004
Gunnar Decker: Nur für Nervenmenschen
Neues Deutschland, 20.12.2004
Jörg Drews: In Böen wechselt mein Sinn
Süddeutsche Zeitung, 20.12.2004
Sabine Rohlf: Anleitungen zu poetischem Verhalten
Berliner Zeitung, 20.12.2004
Michael Lentz: Die Lebenszeilenfinderin
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.12.2004
Wendelin Schmidt-Dengler: Friederike Mayröcker
Zum 85. Geburtstag der Autorin:
Elfriede Jelinek, und andere: Wer ist Friederike Mayröcker?
Die Presse, 12.12.2009
Gunnar Decker: Vom Anfang
Neues Deutschland, 19./20.12.2009
Sabine Rohlf: Von der Lust des Worte-Erkennens
Emma, 1.11.2009
Zum 90. Geburtstag der Autorin:
Herbert Fuchs: Sprachmagie
literaturkritik.de, Dezember 2014
Andrea Marggraf: Die Wiener Sprachkünstlerin wird 90
deutschlandradiokultur.de, 12.12.2014
Klaus Kastberger: Ich lebe ich schreibe
Die Presse, 12.12.2014
Maria Renhardt: Manische Hinwendung zur Literatur
Die Furche, 18.12.2014
Barbara Mader: Die Welt bleibt ein Rätsel
Kurier, 16.12.2014
Sebastian Fasthuber: „Ich habe noch viel vor“
falter, Heft 51, 2014
Marcel Beyer: Friederike Mayröcker zum 90. Geburtstag am 20. Dezember 2014
logbuch-suhrkamp.de, 19.1.2.2014
Maja-Maria Becker: schwarz die Quelle, schwarz das Meer
fixpoetry.com, 19.12.2014
Sabine Rohlf: In meinem hohen donnernden Alter
Berliner Zeitung, 19.12.2014
Tobias Lehmkuhl: Lachend über Tränen reden
Süddeutsche Zeitung, 20.12.2014
Arno Widmann: Es kreuzten Hirsche unsern Weg
Frankfurter Rundschau, 19.12.2014
Nico Bleutge: Die schöne Wirrnis dieser Welt
Der Tagesspiegel, 20.12.2014
Michael Lentz und Marion Poschmann: Verse, die ins Blut gehen
Die Zeit, 17.12.2014
Elfriede Czurda: Glückwünsche für Friederike Mayröcker
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Kurt Neumann: Capitaine Fritzi
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Elke Laznia: Friederike Mayröcker
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Hans Eichhorn: Benennen und anstiften
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Barbara Maria Kloos: Stadt, die auf Eisschollen glimmt
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Oswald Egger: Für Friederike Mayröcker zum 90. Geburtstag
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Péter Esterházy: Für sie
Manuskripte, Heft 206, Dezember 2014
Wilder, nicht milder. Friederike Mayröcker im Porträt
Zum 93. Geburtstag der Autorin:
Einsame Poetin, elegische Träumerin, ewige Kinderseele
Die Presse, 4.12.2017
Zum 95. Geburtstag der Autorin:
Claudia Schülke: Wenn Verse das Zimmer überwuchern
Badische Zeitung, 19.12.0219
Christiana Puschak: Utopischer Wohnsitz: Sprache
junge Welt, 20.12.2019
Marie Luise Knott: Es lichtet! Für Friederike Mayröcker
perlentaucher.de, 20.12.2019
Herbert Fuchs: „Nur nicht enden möge diese Seligkeit dieses Lebens“
literaturkritik.de, Dezember 2019
Claudia Schülke: Der Kopf ist voll: Alles muss raus!
neues deutschland, 20.12.2019
Mayröcker: „Ich versteh’ gar nicht, wie man so alt werden kann!
Der Standart, 20.12.2019
Zum 96. Geburtstag der Autorin:
Zum 100. Geburtstag der Autorin:
Hannes Hintermeier: Zettels Träumerin
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.5.2024
Michael Wurmitzer: Das Literaturmuseum lässt virtuell in Mayröckers Zettelhöhle schauen
Der Standart, 17.4.2024
Barbara Beer: Hier alles tabu
Kurier, 17.4.2024
Anne-Catherine Simon: Zuhause bei Friederike Mayröcker – dank Virtual Reality
Die Presse, 18.4.2024
Paul Jandl: Friederike Mayröcker: Ihre Messie-Wohnung in Wien bildet ein grosses Gedicht aus Dingen
Neue Zürcher Zeitung, 17.6.2024
Sebastian Fasthuber: Per Virtual-Reality-Trip in die Schreibhöhle der Dichterin Friederike Mayröcker
Falter.at, 9.7.2024
Roman Bucheli: Friederike Mayröcker war ihr eigenes Gesamtkunstwerk. In ihrer Wiener Papierhöhle schrieb und zeichnete sie ein Leben lang
Neue Zürcher Zeitung, 12.7.2025
Fabian Schwitter: Von Fetischen und Verlegenheiten
Kreuzer :logbuch, Oktober 2024
Cornelius Hell: Kreuz und quer durch Mayröcker-Texte
oe1.orf.at, 17.12.2024
Cornelius Hell: Friederike Mayröcker und die Dorfwelt
oe1.orf.at, 17.12.2024
Cornelius Hell: Friederike Mayröcker und der heilige Geist
oe1.orf.at, 17.12.2024
Cornelius Hell: Friederike Mayröcker und das Skandalon des Todes
relidion.orf.at, 20.12.2024
Cornelius Hell: Friederike Mayröcker ist der Frühling
relidion.orf.at, 21.12.2024
Martin Reiterer: Gegen den Strich gebürstet
Der Standart, 16.12.2024
Iris Radisch: Majestät am Campingtisch
Die Zeit, 18.12.2024
Bernd Melichar: Sie weidete in Poesie, sie war nicht von dieser Welt
Kleine Zeitung, 18.12.2024
Clemens J. Setz: Ihre Stimme macht alle Selbstgespräche tröstlicher
Süddeutsche Zeitung, 19.12.2024
Oliver Schulz: Darum war Friederike Mayröcker von Sprache besessen
Nordwest Zeitung, 19.12.2024
Lothar Schröder: Einfach mit Larifari beginnen
Rheinische Post, 19.1.2024
Bernhard Fetz: Zum 100. Geburtstag von Friederike Mayröcker
hr2, 20.12.2024
Joachim Leitner: Wie Friederike Mayröcker in Tirol den Mut zum „Mayröckern“ fand
Tiroler Tageszeitung, 19.12.2024
Marie Luise Knott: Engelgotteskind
perlentaucher.de, 20.12.2024
„Königin der Poesie“: 100 Jahre Friederike Mayröcker
Der Standart, 2012.2024
Martin Amanshauser: Durch ihre Welt tanzen die Blumen, Tiere und Gedanken
Die Presse, 20.12.2024
Gerhild Heyder: „Der Tod ist mein Feind“
Die Tagespost, 20.12.2024
Paul Jandl: Vor hundert Jahren wurde Friederike Mayröcker geboren: eine Dichterin, die mit ganzem Herzen an das glaubt, was von oben kommt
Neue Zürcher Zeitung, 20.12.2024
Richard Kämmerlings: Unaufhörlicher Dialog mit Lebenden und mit Toten
Die Welt, 20.12.2024
Peter Mohr: Den Kopf verlieren
titel-kulturmagazin.net, 20.12.2024
Michael Denzer: „Haben 1 Gedicht im Kopf“
salto.bz, 24.12.2024
Fakten und Vermutungen zur Autorin + Instagram + KLG + IMDb + ÖM + IZA + Archiv 1, 2 & 3 + Internet Archive + Kalliope + DAS&D + Georg-Büchner-Preis 1 & 2 und Interview 1, 2, 3 & 4
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shi 詩 yan 言 kou 口
Nachrufe auf Friederike Mayröcker: Bayern 2 1 + 2 ✝︎ BaZ 1 + 2 ✝︎ BR24 ✝︎ dctp ✝︎ der Freitag ✝︎ Die Furche ✝︎ FAZ 1 + 2 ✝︎ FR ✝︎ junge Welt ✝︎ Kleine Zeitung ✝︎ Kurier ✝︎ literaturhaus ✝︎ literaturkritik.de 1 + 2 ✝︎ NÖN ✝︎ NZZ 1 + 2 ✝︎ ORF 1 + 2 ✝︎ Poesiegalerie ✝︎ Presse ✝︎ Salzburger ✝︎ Spiegel ✝︎ SRF ✝︎ Standart ✝︎ Stuttgarter ✝︎ SZ ✝︎ Tagesanzeiger ✝︎ Tagesspiegel ✝︎ Welt 1 + 2 ✝︎ WOZ ✝︎ WZ ✝︎ Zeit 1 + 2 + 3 ✝︎
Friederike Mayröcker – Trailer zum Dokumentarfilm Das Schreiben und das Schweigen.









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