Lydia Daher: Kein Tamtam für diesen Tag

Daher-Kein Tamtam für diesen Tag

DER MOND IST EIN LANGWEILER

und trotz dieser einsicht oder wegen ihr
stanze ich souvenirs aus dunklem grund
für lichtigkeiten ansichtssachen

außerdem die notiz zerfahrener räder
wanderbaustellen und wallfahrten
ein kunstblumengesteck

in der fernfahrerkabine
ein stopp in der mitte des luftzugs
ein lächeln weggesteckt wie eine krankheit

wenn die heiligen einmarschieren
weise sie ein: dies ist das spiel
um die letzte gewissheit

kein wenn und abels grab befindet sich an
der autobahn zwischen damaskus und beirut
1. ausfahrt ahnung 2. ausfahrt angst

ursprung der neiddebatten
und ein paar wurzeln mittendrin
im hort horizontaler vergehen

hat das etwas zu bedeuten?

ich glaube nicht (an gott:
wenn es dich gäbe hättest du
dann lieber krauses haar?)

einer hat mal gesagt
wo auch immer wir sind
da gehören wir hin

aber das stimmt nicht
wir gehören uns dort
wo wir sein werden

kein anhalten und ausdehnen
kein dasein und sosein
kein von hier würde ich gern

eine postkarte schreiben

Lydia Dahers Texte

sind poetische Suchmeldungen. Entschieden unsicher, aber klaren Blickes, neuland-gierig, spielfreudig, wortgewaltig und sorgsam forschen sie „nach einem Ton der außen klingt wie innen.“ Sie verdichtet ihr Leben und Erleben zu wort- und bildmächtigen Texten, die von ihr vorgetragen auch auf der Bühne ihre berührende Wirkung nicht verlieren. Wer sie also nur liest, der verpasst etwas, zum Glück liegt deswegen dem Buch auch eine CD mit von Lydia Daher selbst vorgetragenen Texten bei (Musik von Sebastian Giussani).

Voland & Quist, Ankündigung

Lyrik für alle Sinne

Samtweich fühlt sich das Buch an, ein haptisches Erlebnis.
Die Texte der jungen Dichterin sind klar und schnörkellos, wie die „Fanfaren“ auf dem Cover es ahnen lassen. Auch der ungeübte Lyrikleser braucht sich nicht ängstlich zu fragen: „Was hat die Dichterin sich dabei gedacht?“ Lydia Daher sagt es unmißverständlich, wortgewaltig und wortgewandt. Die Bildhaftigkeit ihrer Sprache ist beeindruckend. Die Bilder, die sie entstehen läßt, lassen nicht los, lassen wachsam werden, bewegen tief, sind keine Kopien, sind echt und einzigartig – erlebt, gefühlt und kritisch beobachtet. Die CD zum Buch ist ein Fest für die Ohren.
Mit ihrer warmen tiefen Stimme rezitiert die Dichterin einige Texte aus dem Buch, die musikalische Begleitung ist unaufdringlich und sehr stimmungsvoll.
Ein Buch mit CD, ein Genuß ganz ohne Tamtam.