ACHIM VON ARNIM
Nochmals
Ich sehe ihn wieder
Den lieblichen Stern,
Er winket hernieder,
Er nahte mir gern;
Die Haare ihm fliegen,
Er eilet mir zu!
Das Volk träumt von Kriegen,
Ich träume von Ruh’;
Die Andern sich deuten
Was künftig daraus;
Vergangene Zeiten
Mir leuchten in’s Haus.
1823
Das Gedicht erschien erstmals in Achim von Arnims (1781–1831) Novelle „Raphael und seine Nachbarinnen“ (1823), die sich in fiktiver Form an die Biografie des genialischen Renaissance-Malers und Baumeisters Raffael (1483–1520) herantastet. Die Produktivität des Künstlers wird in der Novelle an die ständige Präsenz zweier „Nachbarinnen“ gebunden, die als Musen und Geliebte des Malers agieren. In der Novelle ist es Raphael selbst, der zur Laute ein naiv-romantisches Sehnsuchtslied singt.
Die alte Kunst, in Sternbildern zu lesen und das Kommende daraus abzuleiten, verbindet sich in der Beschwörung des lyrischen Ich mit einer fast biedermeierlichen Sehnsucht nach dem stillen, ungefährdeten Glück im Winkel. Das kosmische Element, der Stern, wird hier als geheimer Bündnispartner des Menschen kenntlich gemacht. Dem retrospektiven Bewusstsein des Ich gilt dieses Hoffnungszeichen als eine Art Symbol für das „goldene Zeitalter“: So beginnen sie wieder einmal zu „leuchten“, die „vergangenen Zeiten“.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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