JÜRGEN NENDZA
Es wird nicht schwarz vor Augen. Die Akustik
aus dem Nachbarhaus, ein Würfelspiel, ein Spieler
ohne Worte. Wie der Käfer in der Weltholz-
Schachtel. Ein Foto davon gibt es nicht. Nur
den geheimen Sender, der weiterschabt in deinem Ohr.
2004
aus: Jürgen Nendza: Haut und Serpentine. Gedichte. Landpresse Verlag, Weilerswist 2004
Der Aachener Lyriker Jürgen Nendza (geb. 1957) ist ein lyrischer Wahrnehmungsforscher. Seine Gedichte beginnen mit der minuziösen Beobachtung von Naturdetails oder alltäglichen Gegenständen, bis ein Geräusch, ein Geruch oder ein Bewusstseinsreiz die Dinge auf eine andere Bahn lenkt und in eine beunruhigende Schwebe bringt. So kann es geschehen, dass die zuvor so sinnfällig geordnete Welt aus den Fugen gerät und umkippt in ein Vexierbild.
Das ganz Große – die Welt – scheint hier in einem winzigen Alltagsgegenstand komprimiert. Der Name „Welthölzer“, ursprünglich der Markenname eines deutschen Zündwarenmonopolherstellers, verweist auf eine universalistische Ambition. Die Addition der Sinnesreize, die Nendza hier vornimmt, ergibt keinen sinnstiftenden Zusammenhang. In einer Streichholzschachtel wird die Welt geborgen – die Zeichen dieser Welt sind allerdings nicht mehr lesbar. Was bleibt, sind akustische Reize.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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