T.S. Eliot: Vier Quartette

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von T.S. Eliot: Vier Quartette

Eliot-Vier Quartette

BURNT NORTON

I

Jetzige Zeit und vergangene Zeit
Sind vielleicht gegenwärtig in künftiger Zeit
Und die künftige Zeit enthalten in der vergangenen.
Ist aber alle Zeit ewige Gegenwart,
Wird alle Zeit unwiderrufbar.
Was hätte sein können ist ein abstrakter Begriff
Und bleibt als stete Möglichkeit bestehn
Nur in der Welt spekulativen Denkens.
Was hätte sein können und was wirklich war,
Weisen auf ein, stets gegenwärtiges Ende.
In der Erinnerung widerhallen Schritte
Den Gang entlang, den wir niemals beschritten,
Gegen das Tor hin, das wir nie geöffnet
In den Rosengarten. So hallen meine Worte
Wider in dir.
aaaaaaaaaaaDoch wozu es dient
Den Staub von trocknen Rosenblättern aufzustöbern,
Das weiß ich nicht.
aaaaaaaaaaaaaaaaaAndere Töne hallen
Im Garten wider. Willst du ihnen folgen?
Rasch, sprach der Vogel, suche sie, suche sie,
Dort, um die Ecke. Durch das erste Tor
In unsere erste Welt, wollen wir folgen
Dem Spottlied der Drossel? In unsere erste Welt.
Dort waren sie, würdevoll, unsichtbar,
Glitten schwerelos über das welke Laub
In der herbstlichen Wärme, durch die zitternde Luft,
Und der Vogel rief, antwortend der unhörbaren
Im Dickicht verborgenen Musik, und unsichtbar
Schoß ein Blickstrahl auf, denn die Rosen
Sahen aus, wie Blumen, die angesehen werden.
Dort waren sie, Gäste bei uns, empfangen und empfangend.
So schritten wir und sie im streng geordneten Zug
Die leere Allee entlang, in das Buchsbaum Rondell,
Um in den entwässerten Teich hinabzusehen.
Ausgetrocknet der Teich, braun gerändert der trockene Zement,
Aber Wasserglanz aus Sonnenlicht füllte den Teich
Und leise, leise, erhob sich die Lotosblume,
Die Oberfläche strahlte aus dem Kern des Lichts
Und sie standen hinter uns gespiegelt im Teich.
Da zog eine Wolke vorbei. Der Teich war leer.
Geh, sprach der Vogel, denn das Laub war voller Kinder,
Die sich erregt versteckten und ihr Kichern verhielten.
Geh, geh, geh, sprach der Vogel; die Menschen
Ertragen nicht sehr viel Wirklichkeit.
Vergangene und künftige Zeit,
Was hätte sein können und was wirklich war,
Weisen auf ein, stets gegenwärtiges Ende.

 

 

 

Einführung

T.S. Eliot, der Dichter, der bahnbrechend wie kein anderer auf die zeitgenössische Dichtung Englands gewirkt hat, ist von Geburt Amerikaner. Er kam 1888 in St. Louis, Missouri, zur Welt. 1910 bis 1911 studierte er in Paris, kehrte dann nach den Vereinigten Staaten zurück und studierte an der Universität Harvard Philosophie und Sanskrit, bis er 1914, als der Ausbruch des ersten Weltkriegs seinen Plan, die Sommerschule der Universität in Marburg an der Lahn zu besuchen, vereitelt hatte, nach England kam. Ein Jahr lang arbeitete er an der Universität Oxford und ließ sich dann dauernd in London nieder.
1917 erschien sein erster Gedichtband, Prufrock, 1919 das erste Bändchen Poems, die bereits seine starke Eigenart bekundeten. 1920 folgte ein Band Prosa-Essays The Sacred Wood. 1922 erschien sein erstes Werk großen Formats, The Waste Land, das einige Jahre später von Ernst Robert Curtius ins Deutsche übertragen wurde. Der Einfluß dieser herben, starken Dichtung war so weitgehend, sie fand so viele Nachahmer, daß es uns heute bereits schwerfällt zu ermessen wie sehr Eliot damals Neutöner war. In grellen, erschütternden Akzenten klagt hier ein Dichter mit verzweifeltem Hohn ob der entgötterten Welt, die ihn umgibt.
Ähnliche Stimmungsgehalte erfüllen das 1924 geschriebene Fragment Sweeney Agonistes, das erst 1932 veröffentlicht wurde. 1925 erschien ein weiterer Band Gedichte, der die früheren mit einschloß (Poems 1909 to 1925). 1930 erschien die Gedichtfolge Ash-Wednesday, in der sich Eliot zur christlichen Weltanschauung bekennt; (Rudolf Alexander Schröder hat sie zwanzig Jahre später ins Deutsche übertragen.) 1936 erschien eine Gesamtausgabe Collected Poems 1909–1935, darunter die herrlichen „Ariel Poems“. Um diese Zeit setzt die Schaffensperiode an, aus der endlich, als ihre vollendetste Blüte, der Gedicht-Zyklus der Four Quartets entstehen sollte. Damals erschien das Versdrama, das die Ermordung des heiligen Thomas à Becket behandelt, „Murder in the Cathedral“. Moderne Versrhythmen und Prosa sind hier meisterlich verbunden; das Werk ist erfüllt von mystischer Philosophie, einem ungeheuer sensiblen Naturempfinden und überlegener Ironie.
Schon im nächsten Jahr, 1936, erschien die Dichtung, die der Dichter selbst als ein Experiment in neuen Formen bezeichnet – Burnt Norton. So heißt ein altes, verlassenes Haus in der Grafschaft Worcestershire, in dessen verwildertem Garten der Dichter die erste Anregung zu diesem Gedicht empfing. Damals ahnte er noch nicht, daß es nicht allein stehen würde, sondern den Auftakt zum großen Werk bilden sollte, in welchem er das Thema am Grunde seines Schaffens – und aller metaphysischen Dichtung behandelt: 

Jetzige Zeit und vergangene Zeit
Sind vielleicht gegenwärtig in künftiger Zeit
Und die künftige Zeit enthalten in der vergangenen.

Doch als er die Dichtung vollendet hatte, fühlte er, daß dies kein Abschluß sei. 1937 bis 1939 arbeitete er am Drama The Family Reunion, das dieses Thema von einem anderen Gesichtspunkt aus beleuchtet. Der schuldig schuldlose Held befreit sich erst von den Furien des Gewissens, die ihm die Gegenwart vergiften, nachdem er die Wurzeln des Geschehens im Vergangenen aufgedeckt hat.
1940, bei dem Erscheinen von East Coker, wußte Eliot bereits, daß dieses Gedicht der zweite Teil eines vierteiligen Werkes war. Die Bezeichnung „Quartett“ bezieht sich weder auf die Anzahl der „Sätze“ noch der Instrumente; sie ist dem Gebiet der Kammermusik entlehnt, weil in diesen Dichtungen innerhalb der herrschenden Tonart verschiedene Themen gleichsam bald von diesem, bald von jenem Instrument angeschlagen werden.
Das Zweite Quartett beginnt mit der Rückkehr in die „Urheimat des Bluts“. East Coker heißt ein Dorf in der Grafschaft Somerset, wo die Ahnen Eliots zwei Jahrhunderte lang lebten, vom fünfzehnten Jahrhundert bis sie 1667 nach Amerika auswanderten. Im ersten Satz läßt der Dichter aus der visionär geschauten Landschaft jener Gegend das erdgebundene Leben der Landbewohner der Prärieformation neu erstehen, in einem eindrucksvollen Passus, der einem Gedicht seines Ahnen Sir Thomas Eliot (1490 bis 1546) fast wörtlich entnommen ist. Im zweiten Satz schildert ein lyrisches Intermezzo mit einem darauffolgenden Übergang im freien Rhythmus der gesprochenen Rede das Grauen des Alterns für den selbstherrlichen Menschen, der keine Demut hat, bis wir im III. Teil mit einer Paraphrase des heiligen Johannes vom Kreuz in die „dunkle Nacht“ der Mystik eingehen. Der IV. Satz, im barocken Stil von 1640 mit seinen „concetti“ und Antithesen gehalten, ist ein Bekenntnis zur zentralen Heilswahrheit des katholischen Glaubens. Dies wird verständlich, wenn man weiß, daß der „sieche Arzt“ und der „sterbende Pfleger“ mit Christus, der „bankrotte Millionär“ mit Adam gleichzusetzen ist. Im V. Teil ist die Verzweiflung überwunden, ungebeugt und mutig bereitet sich die christliche Seele auf neue Fahrten vor.
Ein Jahr nach East Coker erschien das III. Quartett, „The Dry Salvages“. Dieses Wort, das mit Dehnung der vorletzten Silbe auszusprechen ist, dürfte eine Deformation von „les trois sauvages“ sein: so heißt an der Küste von Massachusetts eine Felsengruppe, auf der sich ein Leuchtturm erhebt. Diese Landschaft ist jene, in welcher Eliot seine Knabenjahre verbrachte und in einigen Versen des ersten Satzes ruft er jene Zeit wieder auf. Das ganze Werk ist ein gewaltiger Gesang vom Meer; das Anfangsthema erweitert sich zur symbolischen Verherrlichung der Seeleute und zur ergreifenden Klage um sie – Seeleute, die gleichzusetzen sind dem Menschen, der unverzagt ins Leben ausfährt. Der III. Satz schildert die zeitlosen Momente, „zwischen den Ufern von hüben und drüben“ im Leben des modernen Menschen und seine bange Frage nach der Zukunft. Das Werk endet mit der ernsten Warnung, durch den Mißbrauch des Okkultismus diese Frage lösen zu wollen, und weist auf die einzig wahre Lösung hin – die mystische Versenkung der Heiligen.
Das vierte und letzte Quartett wurde 1942, in Englands dunkelster Schicksalsstunde, gedichtet. Der Dichter gemahnt an den Höhepunkt der englischen Geistesgeschichte, die Blüte der Mystik im vierzehnten Jahrhundert, mit den Zitaten aus Juliana of Norwich („All shall be well, and all manner of thing shall be well“) und „The Cloud of Unknowing“ („With the drawing of this Love and the voice of this Calling“) und an den Märtyrertod des enthaupteten Königs Carl I. „Little Gidding“ heißt eine dem Andenken König Carls I. gewidmete Kapelle, um die vor Zeiten eine anglikanische Klostergemeinschaft gruppiert war. Die Rose, deren Geist nicht mehr beschworen werden kann, ist eben die weiße Rose der Stuarts, und an dieser Stelle bekennt sich der Dichter zu jener höchsten Vaterlandsliebe, die keine Partei mehr kennt (III). Der IV. Satz, einer der schönsten des gesamten Werkes, ist ein Beispiel wie das sichtbare Geschehen der Welt beim Dichten zum Symbol wird. Das Bild der jäh und furchtbar niederfahrenden Flamme geht unmittelbar auf Fliegerangriffe zurück – daraus entsteht jedoch die Anrufung des Paraklet, dessen feurige Zungen das winterliche Eis der Seele entflammen und durch den allein, im Augenblick der Gnade, Eins werden Vergangenheit und Zukunft.
Gewaltig und versöhnend klingt das Werk mit einer Wiederholung des Eingangsthemas aus, das sich dem Dichter sechs Jahre früher aufgetragen hatte.

Nora Wydenbruck, Vorwort

 

Ein rückwärts gewandter Avantgardist

Er hat 23 Ehrendoktorhüte erhalten, wurde 1948 mit dem Nobelpreis geehrt, und er war – auf distanzierte Weise bewundert wie kein anderer Poet des zwanzigsten Jahrhunderts – Träger sowohl des Order of Merit als auch des Pour le mérite.
Sein Werk, in dem der essayistische und dramatische Teil weit umfangreicher als der lyrische ist, zeigt die Widersprüche einer Person, die mehr und mehr zu einer öffentlichen Instanz wurde, sich dabei aber hinter mancherlei Masken und Attitüden verbarg, so daß der englische Romancier V.S. Pritchett sagen konnte, T.S. Eliot sei „eine ganze Schauspielertruppe, verborgen in einem einzigen Kostüm“.
In der Tat hat sich dieser Amerikaner, der sich zu einem hundertfünfzigprozentigen Engländer umstilisierte, in Rollen und Posen gezeigt, die im Laufe der Zeit eine Reihe unterschiedlicher Meinungen und Vermutungen aufkommen ließen.
Derselbe Autor, der mit The Waste Land das weltweit spektakulärste und folgenreichste Werk der lyrischen Moderne geschrieben hat, verwandelte sich in der zweiten Hälfte seines Lebens in einen frömmelnden und knochentrockenen Gentleman, der gerade auf die Angehörigen der britischen Oberschicht, der er sich integrieren wollte, einen bisweilen leicht komischen Eindruck machte, weil er, wie fast alle gesellschaftlichen Grenzgänger und Konvertiten, das, was er nachahmen wollte, übertrieb.
Sein Übertritt zur anglikanischen Hochkirche und sein Bekenntnis zur Monarchie hat ebenso etwas Gewolltes, Verkrampftes wie seine geistige Hinwendung zum europäischen Klassizismus. Eliots Entwicklung verlief gewissermaßen gegen den Strom der Zeitgeschichte. Er verbarrikadierte sich hinter Institutionen und Ideen, die um ihn herum immer stärker in Zweifel gezogen, ja attackiert wurden; und während die Intellektuellen Englands sich mit dem Marxismus und der Psychoanalyse anfreundeten, blockte er das moderne Denken in sich und um sich herum ab – aus Gründen, die, wie moralisch und ideologisch er sie auch aufzuputzen verstand, letztlich doch in seinem Naturell begründet lagen, in den Driften seiner Biographie.
Eliot wollte nicht, wie die Dichter sonst, Gefühle zum Ausdruck bringen, sondern er wollte sie verschweigen, überspielen – auf jeden Fall nicht erkennbar werden lassen. Für seine Methode, das Emotionale auszuklammern oder zumindest weit von sich zu rücken, prägte er den Begriff „objektives Korrelat“.
Statt mit einer einzigen, seiner persönlichen Stimme zu reden, inszenierte er ein ganzes Gewirr von Stimmen, und er achtete darauf, daß keine seiner Stellvertreterfiguren mit ihm direkt gleichgesetzt werden konnte.
Weit mehr als Ezra Pound, der seine Personae zu Sprachrohren dramatischer Impulse machen wollte, gelang es seinem Zögling Eliot, sich aufzuspalten und als ein stattliches Ensemble murmelnder, räsonnierender und klagender Wesensteile auf sich aufmerksam zu machen. Es waren allerdings nicht immer, wie Eliots klassizistische Haltung vermuten lassen könnte, hehre Gedanken und edle Motive, die der Dichter thematisierte. Oft brachte er Regungen fragwürdiger Beschaffenheit zum Ausdruck, und zwar anfangs durchaus ungeläutert: frivol, brüsk und roh; der Prozeß vergeistigender Sublimation setzte erst später ein, nach der Hinwendung des Dichters zu Tradition und Religion.
Die Entwicklung, die Eliot in seinem Leben zurückgelegt hat, läßt sich gut durch ein Epigramm Nietzsches beschreiben, das mir seit je als psychologischer Universalschlüssel zu Moral und Ethik erschienen ist:

Steigt ihr?
Ist es wahr, daß ihr steigt,
ihr höheren Menschen?
Werdet ihr nicht, verzeiht,
dem Balle gleich

in die Höhe gedrückt
– durch euer Niedrigstes?…
flieht ihr nicht vor euch, ihr Steigenden?…

Eliot ist der sonderbare Fall eines Dichters, der eine öffentliche Beichte ablegt, in der er nicht von dem spricht, was ihn bewegt, umtreibt, quält. Bezeichnenderweise beschreiben ihn seine Weggefährten und literarischen Mitstreiter denn auch als einen Mann, der zwar gesellig – und bisweilen sogar lustig – sein konnte, doch der stets etwas wie Schuldbewußtsein und Zerknirschtheit mit sich herumtrug: eine Ahnung oder ein Wissen, das ihm zu schaffen machte und das ihn oft bissig und verletzend werden ließ, immer dann, wenn er inneren Druck nach außen ableiten mußte.
Der Dichter, der dem Alkohol keinesfalls abhold war, hatte lebenslang mit Schüchternheit, Ängsten und Obsessionen zu kämpfen. Und schon vor Peter Ackroyds faktenreicher und sublimer Biographie, die 1984 in England und 1988 in Deutschland erschien, konnten aufmerksame Leser seines Werkes auf den Verdacht kommen, daß es bei ihm gewisse wiederkehrende Sujets gab, die, gleichviel ob sie nun Erfindungen oder bloß ,Zitate‘ waren, gewiß nicht so oft zur Sprache gekommen wären, hätten sie nicht für den Autor eine persönliche Bedeutung besessen.
Da ist vor allem eine eindeutig feindselige Einstellung zur Frau.
Diese Misogynie war nicht erst das Ergebnis seiner ersten Ehe, die er 1915 in London einging und die, nach einem kurzen Auftakt relativen Glücks, eine einzige Kette von Verhängnissen gewesen ist: ein, wie Eliot einmal bekannte, Leben wie in einem Dostojewski-Roman, verfaßt allerdings nicht von dem russischen Seelenkundler, sondern von dem (offensichtlich als zweitklassig eingestuften) englischen Schriftsteller John Middleton Murry.
Es gibt eine These, derzufolge Eliot homophil gewesen sein soll. Und ein Vertreter dieser Ansicht, James E. Miller, meint, es sei überhaupt nur zu der überstürzten Verehelichung mit der Engländerin Vivien Haig-Wood gekommen, weil der Intimfreund des angehenden Poeten, der Franzose Jean Verdenal, zu Beginn des Ersten Weltkriegs gefallen war und Eliot sich zu einer kompensatorischen Übersprunghandlung gedrängt sah.
Die Anhänger der Homosexuellen-Theorie ziehen zur Erhärtung ihrer Postulate meist The Waste Land heran – ausgerechnet jenes Gedicht, das gemeinhin als Ausdruck kollektiven Unbehagens angesehen wird: als lyrische Verobjektivierung modernen Großstadtlebens, das so krude und trostlos ist, daß ihm der Verfasser – ähnlich wie Joyce das im Ulysses tut – zum Ausgleich für fehlende transzendentale Perspektiven etwas Mythisches und Magisches unterlegen muß.
Eliot selbst hat später allerdings erklärt, die Kritiker hätten ihm irrtümlicherweise die Ehre erwiesen, in seinem Poem eine gesellschaftsrelevante Verlautbarung zu sehen:

Für mich war es nichts als eine Entlastung von einer privaten Unzufriedenheit mit dem Leben; es ist lediglich ein Stück rhythmischen Grollens.

Im allgemeinen neigte Eliot dazu, die Karten über sich und seine literarischen Äußerungen nicht offen auf den Tisch zu legen, zumindest verhielt er sich zwiespältig.
In einem frühen Brief sagte er, es gebe keinerlei Grund, sein Ich zu verstecken, höchstens – um Scherereien auszuweichen. Anderweitig meinte er, daß man Dichtung besser verstehe, wenn man mehr über den Verfasser wisse. Und hiermit korrespondiert auch die Erklärung, daß die private Sphäre eines nicht mehr lebenden Autors keinesfalls geheiligter Boden sei, den kein Psychologe betreten dürfe.
Eliot kannte zweifellos die Gefahren, die mit dem Auslöschen der Persönlichkeit im gesellschaftlichen Kontext verbunden waren. In seinem 1958, sieben Jahre vor seinem Tod, aufgeführten Drama Ein verdienter Staatsmann zeigte er sich als erbarmungsloser Diagnostiker:

… je länger wir uns verstellen,
Umso schwieriger wird es, aufrichtig zu sein,
Die Bühne zu verlassen, die eigenen Kleider zu tragen
Und aus uns selbst heraus zu sprechen
.1

Für sich nahm der Dichter jedoch das Recht auf Diskretion durch Mimikry in Anspruch. Er verfügte testamentarisch, das Publizieren von Biographien zu unterbinden. Und wenn es nach ihm gegangen wäre, besäßen wir heute wenig klärendes Schrifttum über ihn und über die Quellen seines Schaffens, vor allem gäbe es nicht das 1988 erschienene – von seiner zweiten Frau edierte – umfangreiche Konvolut von Briefen, die den Zeitraum von 1898 bis 1922 transparent machen und deren Partner, außer seinen in Amerika gebliebenen Familienangehörigen, zahlreiche literarische Berühmtheiten sind, u.a. Conrad Aiken, Sylvia Beach, Ernst Robert Curtius, André Gide, Hermann Hesse, James Joyce, Ezra Pound, Bertrand Russell, Paul Valéry und (eine Person, die ihn fast bis auf den Grund seines Wesens durchschaute) Virginia Woolf.
Das Versteckspiel, das Eliot im grellen Licht der literarischen Öffentlichkeit betrieben hat, war weniger Ausdruck einer individuellen Verwirrtheit als ein geschicktes Manöver, bei dem es ihm darauf ankam, möglichst viel über sich selber mitzuteilen und dabei doch draußen vorzubleiben.
Sein erstes bedeutendes Gedicht „The Love Song of J. Alfred Prufrock“ hatte ursprünglich den Titel „Prufrock among the Women“ getragen. Eliot zwischen Frauen, zwischen Weiberröcken – hier, in dieser prägend vorgegebenen Situation, liegt womöglich eine der Ursachen für den biographischen und künstlerischen Werdegang des Poeten, der, dem Wunsch seines bereits betagten Vaters nach, hatte Priester werden sollen, während die geistig ambitionierte Mutter ihn gern auf literarischen Pfaden wandeln sehen wollte, damit er zur Meisterschaft entwickeln konnte, was bei ihr – dies die Bekümmernis ihres Lebens – nur dilettierende Angestrengtheit war.
Eliot, der – Prufrock among the women! – zwischen mehreren älteren Schwestern aufgewachsen war und der sich erklärtermaßen in weiblicher Gesellschaft immer sehr wohl gefühlt hat, entwickelte dennoch zum anderen Geschlecht eine merkwürdige Feindschaft, die sich in diversen Blaubart-Phantasien und Lustmordvorstellungen kundtat.
Der Dichter, der es liebte, sich bisweilen grün zu schminken, und der einmal auf einem Maskenball als der berüchtigte Frauenmörder Dr. Crippen erschien, ersann eine obszöne Figur namens Bolo, mit der er seine Freunde konfrontierte. Doch er erschuf auch die – ins offizielle Werk eingebrachte – Gestalt Sweeney, die so etwas wie die Verkörperung abgespaltener perverser Triebe war und die in einigen Gedichten ebenso auftaucht wie in dem unvollendet gebliebenen Drama Sweeney Agonistes, in dem der Protagonist sagt:

Ich kannte mal einen, der machte ein Mädchen kalt
Jeder Mann könnte ein Mädchen kalt machen
Jeder Mann muß das, braucht das, will das
Einmal im Leben ein Mädchen kalt machen
1 

Das Erhabene, zu dem Eliot in seinem Werk schließlich gelangte, war eine Läuterung des Amorph-Perversen, das er durch intellektuelle Exerzitien zurückdrängte und phasenweise transformierte.
Auf die satirischen und imagistischen Gedichte der Frühzeit folgte 1922 The Waste Land, ein kathartisches Buch, das zu den Hollow Men von 1925 und zu der zerknirschten Bußübung Ash-Wednesday von 1930 überleitete. 1939, als Eliot bereits mit der Niederschrift der Four Quartets beschäftigt war, legte er eine Verschnaufpause ein und suchte beim Unreflektiert-Animalischen Zuflucht: er schrieb, mit großem Einfühlungsvermögen und spürbarer Tierliebe, Old Possum’s Book of Practical Cats, ein humorvolles entspanntes Szenario vierbeiniger Lebensklugheit, das – sicher hätte er sich über diese Metamorphose gefreut – später Substanz und Kolorit des Musicals Cats liefern sollte.
Eliot konstatierte:

Die Entwicklung des Künstlers besteht in einem unaufhörlichen Selbstopfer, einem ständigen Tilgen der eigenen Persönlichkeit.

Im Gegensatz zu Pound, der ein eher zu schwach entwickeltes Ego unentwegt mit fremden Schicksalen und externem Erlebnismaterial anzureichern trachtete, hatte Eliot sich einer emotionalen Überkompression zu entledigen, bevor er angehäuftes Wissen in Weisheit verwandeln und in seinen Quartetten sagen konnte:

In meinem Anfang ist mein Ende

und:

In meinem Ende ist mein Anfang.

In dem 1920 publizierten Gedicht „Gerontion“, das Eliot dem Waste Land hatte voranstellen wollen (ein Vorhaben, von dem Pound ihn merkwürdigerweise abhielt), war von Christus als einem Tiger die Rede. Solche Zuordnung, die wenig Vertrauen in die Gestalt des Erlösers verrät, ist im Grunde auch in den Quartetten anzutreffen, die nur bedingt christlichen Glauben widerspiegeln.
Die Quartette sind die Beschwörungsformeln eines Mannes, der sich nach einem transzendentalen Bezugssystem sehnt, das er, weil er es in den großen Weltreligionen nicht findet, erst selber erschaffen muß – ganz wie zuvor die magische Unterfütterung des Waste Land: „Mit Mars verkehren, Zwiesprache halten mit Geistern / … Horoskope stellen“ – diese Sentenzen aus den Quartetten erinnern an Eliots früheres Interesse fürs Kartenlegen und andere Formen der Wahrsagerei. Auch in seiner großen Confessio bleibt der Dichter ein Mensch, dem es an Ur- und Gottvertrauen fehlt; nur hat er jetzt das Triebhafte unter Kontrolle und alles Sinnliche durch Stoizismus ersetzt: 

Hier bin ich nun auf dem halben Weg, nachdem ich zwanzig Jahre –
Zwanzig meist vergeudete Jahre, die Jahre entre deux guerres –
Bestrebt war, den Umgang mit Worten zu lernen, und jeder Versuch
Ist ein ganz neues Beginnen, eine neue Art von Mißlingen,
Weil man erst lernt, die Worte zu meistern
Für Dinge, die man nicht mehr sagen will, oder für Formen,
In denen man sie nicht mehr sagen möchte. Darum ist jeder Versuch
Ein neuer Anfang, ein Vorstoß in das Sprachlose,
Mit schlechter Ausrüstung, die sich weiter abnützt
Im Durcheinander unbestimmter Gefühle,
Ungezügelter Truppen des Herzens. Und was zu erobern wäre
Durch Kraft und Gehorsam, wurde bereits ein-, zweimal
Oder gar öfter entdeckt von Meistern, denen zu gleichen
Ein vermessener Wunsch ist – doch hier geht es nicht um Wettstreit –
Der Kampf geht nur um das Wiedergewinnen des Verlorenen,
Wiedergefunden und immer wieder verloren: und nun unter Bedingungen
Die denkbar ungünstig scheinen. Doch vielleicht geht es weder um Gewinn noch Verlust.
Für uns gilt nur der Versuch. Der Rest ist nicht unsere Sache
.2 

Das Schaffen Eliots war weniger von einer Zielrichtung bestimmt als von einem dumpfen Lebensgefühl, das, ungeachtet der Modernität des Waste Land, eigentlich nichts mit der Dynamik des technischen Zeitalters und der Simultaneität der Metropolen zu tun hatte, sondern einem horror vacui entstammte, den der Autor in rhythmischen Versen wegmurmeln wollte – wie in Kinderliedern, in denen ja auch die Suggestivität des Lautmalerischen wichtiger ist als der Inhalt.
Eliot wußte nur zu gut, daß ein Teil seines Ruhms auf Mißverständnissen beruhte. Er war, wie sehr seine Epoche sich auch im Waste Land zu erkennen glaubte, ein Gnostiker des Privaten, der, indem er von sich selbst sprach, quasi zufällig zum lyrischen Speaker des Zeitgeistes wurde – in dem Augenblick, als er, von Pound hierbei kräftig unterstützt, beschloß, aus zusammenhanglosen Fragmenten ein großes Poem zu bosseln, eine Collage, die ursprünglich „He Do The Police In Different Voices“ heißen sollte, doch die sodann, die Menschen der roaring twenties gleichsam beim Revers packend, den grandiosen Titel The Waste Land erhielt.
Wovon der Dichter zuvor geträumt und der Mutter geschrieben hatte, das gelang ihm 1922: anerkannt zu werden vom englischen Literaturbetrieb, ein Hürdensprung, der, wie Eliot es drastisch formulierte, „dem Knacken eines Safes“ entsprach.
Durch The Waste Land erlangte Eliot den Nimbus eines nomadisierenden Großstadtintellektuellen – weniger bei der überkandidelten englischen Elite, der er so gerne angehören wollte, als bei akademischen Lesern und Poeten in aller Welt.
Pound fand erst durch das Gelingen von The Waste Land den Mut, weiter an seinen Cantos zu arbeiten. Doch Eliot selbst sah sich von seinem Erfolg eher in eine Krise gestürzt, wußte er doch nicht, wie er weitermachen sollte. Er hatte, wie Ackroyd erkannt hat, „nur wenige originelle Ideen“, doch er war „empfänglich für das, was an Gedankengut bereits existierte… der eigentliche Schaffensprozeß war für ihn dann ein Akt der Synthese, sowohl in seiner Dichtung wie in seiner Prosa“ (mit Prosa meinte Ackroyd: Essayistik).
Eliot hatte sich bereits in jungen Jahren als alten Mann gesehen: „Ich werde alt… Ich werde alt… / Hochgekrempelt trag ich meine Hosen bald.“3 – so hatte er schon sein frühes Konterfei Prufrock verspottet. Und in „Gerontion“, einem Gedicht, dessen Titel ein direkter Hinweis auf Greisenhaftigkeit, Vergreisung, ist, lautete die Auftaktzeile:

Hier bin ich, ein alter Mann in einem dürren Monat.

Der Dichter, so scheint mir, hatte sich früh ans Alter herangewitzelt und auch heranmeditiert. Vom Alter versprach er sich vermutlich ein Zurückweichen der Dämonen, die ihn bedrängten. Sweeney und die anderen sexuellen Quälgeister wurden gebannt… durchs Alter… und durch ein allmähliches Zusammenfügen der multiplen Ich-Splitter, die schließlich, an Eliots Lebensabend, zu einer homogenen Person zusammenfanden: einem „old man“, der sich nicht länger hinter Masken verstecken mußte und der seinen Obsessionen keine obskuren Phantasiegestalten mehr aufzubürden brauchte.
Eliot hatte sich in die umgekehrte Richtung wie sein Jahrhundert entwickelt. Er hatte der Avantgarde, deren lyrischer Bahnbrecher er gewesen war, den Rücken gekehrt. Und er fand an der Seite seiner zweiten Frau Valerie jenes schlichte Glück, das insgeheim jeder sucht, selbst der hochmütigste Poet.
Der Zustand menschlicher Nähe und Wärme inspirierte den Dichter zu den einzigen persönlich getönten Versen, die er in seinem zerquälten Leben publik gemacht hat: 

EINE HULDIGUNG AN MEINE FRAU

Der ich die hüpfende Freude verdanke,
Die meine Sinne bei unserem Erwachen erfrischt,
Und den Rhythmus, der den Frieden unseres Schlafs beherrscht, das Atmen in der Übereinstimmung 

Von Liebenden, deren Körper nacheinander riechen,
Die dieselben Gedanken denken, ohne die Notwendigkeit von Worten
Und dieselbe Sprache schwatzen, ohne die Notwendigkeit von Bedeutung. 

Kein mürrischer Winterwind kann erfrieren und
Keine erbarmungslose Sonne kann verdorren
Die Rosen im Rosengarten, die uns und nur uns gehören.

Doch diese Huldigung ist da, damit andere sie lesen:
Sie enthält private Worte – an dich gerichtet, in der Öffentlichkeit
.4 

Übersetzer: 1 = Erich Fried, 2 = Nora Wydenbruck, 3 = Klaus Günther Just, 4 = Hans-Jürgen Heise. – Als Band 4 der Werke erschienen 1972 im Suhrkamp Verlag T.S. Eliots Gesammelte Gedichte 1909–1962; zweisprachig, herausgegeben von Eva Hesse; mehrere Übersetzer. 1988 folgte eine Ausgabe als suhrkamp taschenbuch. Die hier beigebrachten Gedichtzitate basieren auf der Veröffentlichung von 1972. 

Hans-Jürgen Heise, in Hans-Jürgen Heise: Wenn das Blech als Trompete aufwacht. Essays, Kowalke & Co. Verlag 2000

Die Sprachversucherin 

EINE BESCHREIBUNG VOM FÜNFZEHNTEN NOVEMBER: PORTRÄT T.S. ELIOT 

Im Herbst 1924 war Gertrude Stein in Paris zu einer Abendgesellschaft bei Lady Rothermere eingeladen worden, damit sie dort mit T.S. Eliot bekannt gemacht werden könnte. Überraschend jedoch suchte sie der Dichter zuvor in Begleitung der gemeinsamen Freundin in der rue de Fleurus auf, und Eliot und Stein führten eine „ernste Unterhaltung“, worauf Stein meinte, sich die Teilnahme an der Party sparen zu können; sie setzte sich stattdessen gleich an ihr „Porträt“ Eliots, denn der skeptische Dichter hatte ihr – halbherzig – angeboten, etwas in der von ihm betreuten Literaturzeitschrift The Criterion zu veröffentlichen, sofern es eine neue Arbeit sei.
Stein versah ihren Text mit dem Datum der Komposition und setzte quasi Eliot mit Zeitdruck gleich. Der Text weist Elemente des Stein’schen Stils der zwanziger Jahre mit dem für diese Epoche neuen Interesse an struktureller Kohäsion auf; zu Anfang karikiert Stein die wortreiche Selbstgefälligkeit mancher Kollegen – wie Eliot. Im Gegensatz dazu stehen die lyrischen, beschwörenden Reimwiederholungen besonders am Schluss. Das „Porträt“ erschien nicht, wie zunächst vorgesehen, im Oktober desselben Jahres, sondern 1925 in der Januar-Ausgabe des
Criterion.
Es gibt online eine Originalaufzeichnung des von Stein selbst gelesenen Textes
. 

Am fünfzehnten November sagt man uns wird sie hier oder da erscheinen und in Gesellschaft von jemandem sich wiederfinden der sich bemühen wird behilflich zu sein in jeder erdenklichen schwierigen Lage deren Eintreten als auch nur im Geringsten wahrscheinlich angesehen werden kann. Dies für den Fall dass es wie gewöhnlich kein Nachlassen der Art gegeben hat in der jüngst alles wie zu erwarten Wiederholung war. Zweimal zu leugnen. Ein oder zweimal.
Am fünfzehnten November anstelle dessen was zweifellos ein Grund zum Befund war und folglich bestenfalls schwarz oder weiß ergab und bestens beinahe so viel wie ergänzt worden war. Um mit dem Ergebnis zufrieden zu sein.
Ich glaube das war ich.
Am fünfzehnten November sagen wir ein Jahr. Am fünfzehnten November gaben sie zu milde zurück. Am fünfzehnten November auch.
Der fünfzehnte November hat als Nutzen am bestem mehr als genug Tag. Es darf auch erwähnt werden dass der sechzehnte und jedermann Mobiliar sehen kann und weiter und weiter als das. Die Idee ist die dass da aus gutem Grund alles zur Wahl steht die Wahl daraus besteht dass die Wahl sich versteht.
Nach Widerspruch ist es wünschenswert.
Im Falle des Zufalls lassen sich kein Vorfall keine Wiederholung keine dunkleren Gedanken wieder vereinen. Wieder und wieder.
In vielen Fällen liegt in Einigkeit Stärke.
Kann einer der denkt was gegenwärtig ist als wäre es mitten in mehr Aufmerksamkeit kann einer der darüber nachdenkt wie es einfach zu gegenwärtigen wäre kann einer wirklich Teil daran haben es zu sagen Kann das einer.
All dies so eifrig wie nicht.
Eine vollkommen andere Sache. Eine vollkommen andere Sache wenn alles davon schrecklich gut gewählt ist und gründlich korrigiert.
Er sagte wir, und wir.
Wir sagten er.
Er sagte wir.
Wir sagten er, und er.
Er sagte.
Wir sagten.
Wir sagten es. Wie wir es sagten.
Wir sagten dass vierzig dasselbe wäre wie das was wir hörten.
Es hängt vollkommen davon ob sofern endgültig sicher, sicher so viel wie
Gefalle gefälligst. Gefalle ihnen gefälligst gefällig.
Die Hälfte gehört habend.
Gefallen gehabt habend habe gefälligst gehabt habend gefälligst die Hälfte gehabt habend.
Gefalle gefälligst der Hälfte.
Gefallen.
Ja und ein Tag.
Ein Tag und nichts gehört habend.
Vierzig extra.
Nichts gefällt mehr als zu haben was großen Gefallen findet.
Froh sagen zu können dass es ein Fehler war.
Wenn bei jedem Teil eines Teils und das ist im Ganzen das Beste von allem in dem was es hergibt und jegliche Befriedigung wenn bei jedem Teil weniger wenig und mehr als normal ist es nicht im Geringsten nötig dass etwas mehr hinzugefügt wurde am Tag. Es ist um einiges bereichert und ferner erledigt außerdem.
Das erwähnt mehr und mehr und von Erwähnung zu Erwähnung macht es dies mehr und mehr nötig zu erwähnen dass achtzehn auf drei erfolgt. Kann wiedergehen überraschend sein.
Am fünfzehnten November an Zuwachs wachsend wächst es wie gründlich überlegt. Er hat einen Sohn und eine Tochter und das ist in diesem Fall wichtig da wiewohl in sich eine Freude kann es eine Freude sein.
Glücklicherweise ersetzt Ersetzung ihre Sendung und glücklicherweise da sie gegebenenfalls senden wird falls welche da sind und eins zurück und eins weg und eins unterwegs es zu übernehmen sein. Übernommen. Zeitige Brauchbarkeit.
Erwähnt als Fehler. Keine Erwähnung unerwähnt um nicht zu erwähnen soll nicht sein und glücklicherweise. Es war ein Glück.
Käme Ruf von Anruf, ruft an und kommt. Dem Ruf nach wöchentlich.
In diesem Fall eine Beschreibung.
Vorwärts und zurück wöchentlich.
In diesem Fall absolut eine Frage in Frage.
Eingerichtet als Bedeutung geliefert.
Weiter zurück als weit zurück.
Um einiges weiter.
Einfach und einfach und einfach, einfach einfach da. Einfach so dass auf diese Weise, einfach auf diese Weise einfach so dass einfach so in dieser Weise.
November der Fünfzehnte und einfach so dass einfach so dass einfach darin einfach indem einfach so dass darin einfach indem einfach in dieser Weise einfach so dass einfach so dass in dieser Weise einfach in dieser Weise, einfach in dieser Weise so dass einfach so das einfach so das einfach einfach in dem, einfach indem so das Einfachso einfach so dass einfach darin, so dass einfach in dieser Weise.
Eigentlich der fünfzehnte November.
Gespielt und spielt und sagt und Zugänglichkeit. Spielt und gespielt und Zugänglichkeit und Eindrücklichkeit. Gespielt und Spiele und Zugänglichkeit und Umgänglichkeit und ein Fehler. Eigentlich der fünfzehnte November. Lass uns mindestens drei lassen. Ihr auch. Lass uns mindestens drei lassen. Ihr auch. Lass uns mindestens drei lassen. Drei und da macht drei gemachte und drei machen macht, da und drei macht, vierzehn sind einige.
Einige gesondert eher als sonders ausgesondert.
Da Leser Rot als Blässe ausmachen und einige als Leser Rot machen und ihr auch.
Sehr beinahe eigentlich und wahrhaftig.
Ein Geschäft in vielem so sehr Geschäft insofern als es viel ist. Habe es in petto gehabt. Um es in petto zu haben. Und hatte es in petto. Oder hatte es in petto gehabt. Oder hatte es in petto gehabt. Um es in petto gehabt zu haben. Tipp einen Baum tipp einen Baum damit an.
Eisen ergeben ein Eisen hier und da. Will sagen.
Der fünfzehnte November kennt zum Glück einen Geburtstag. Und sehr zum Glück ein Geburtstag. Und sehr zum Glück ein Geburtstag. Der fünfzehnte November kennt, zum Glück, einen Geburtstag und sehr zum Glück einen Geburtstag, und sehr zum Glück einen Geburtstag.
Bis jetzt nicht um mal so zu fragen und so gefragt und bis jetzt, und wie letzthin nicht bis jetzt um mal so zu fragen wen und noch jetzt.
Bis jetzt nicht um mal so zu fragen und um zu fragen wie noch jetzt. Wie bis jetzt und wen jetzt und zu fragen und wen noch jetzt und aufzuziehen noch jetzt und bis jetzt und um mal so zu fragen und noch jetzt zu fragen wie bis jetzt, wie noch jetzt und zu fragen wie bis jetzt, und wie bis jetzt noch nicht zu fragen jetzt, und noch jetzt aufzuziehen wie bis jetzt nicht, wie noch jetzt nicht aufzuziehen bitte schön aufzuziehen wie bis jetzt um mal so zu fragen und wen und nicht jetzt. Bitte die Uhr aufzuziehen und noch jetzt und bis jetzt nicht. Bitte die Uhr aufzuziehen und jetzt nicht, bitte jetzt nicht bis jetzt.
Er sagte genug.
Genug dazu.
Er sagte genug.
Genug dazu.
Genug dazu.
Er sagte genug.
Er sagte genug.
Genug dazu.
Er sagte genug.
Nicht nur Wolle und wollene Seide und seiden nicht nur Seide und seidene Wolle und wollen nicht nur Wolle und wollene Seide und seiden nicht nur Seide und seidene Wolle und wollen nicht nur Wolle und wollene Seide und seiden nicht nur Seide und seiden nicht nur Wolle und wollen nicht nur Wolle und wollen nicht nur Seide und seiden nicht nur Seide und seiden nicht nur Wolle und wollen. 

Gertrude Stein, Neue Rundschau, Heft 4 / 2017

Rose und Feuer

– Lyrik, Kritik und Drama T.S. Eliots. –

Aus der unvergleichlichen Kleinasiatischen Reise von Carl J. Burckhardt vergißt sich nicht so leicht jene nächtliche Szene im kilikischen Adana, wo der jüdische Kaufmann Joseph seinem recht unbeteiligten europäischen Gast den orientalischen Tanz zu deuten sucht und daran die Differenz zwischen Europa und Asien exemplifiziert:

Ihr Europäer, ihr konserviert das Vergangene und beschwert euch damit, aber es ist tot, und im Augenblick der Not seid ihr so beladen, daß euch nur noch geringe Kräfte zur Abwehr taugen. Der Osten aber hat immer alles gegenwärtig, in einem ungeheuren Tanz kann er es auswirken, nichts widersteht dieser Gewalt.

Mehr als drei Jahrzehnte liegt dieses Nachtgespräch zurück. Seine Aktualität ist brennend, ist politisch geworden. Unsere großen Krisen tragen immer deutlicher die gemeinsame Signatur, daß wir, Europa, der Westen, das Abendland, wie immer man es nennen mag, von außen in Frage gestellt, gefordert, gewogen werden. Der Blick fremder Welten auf das Abendland ist von Jahr zu Jahr kritischer und verwirrender geworden. Die Frage, ob all das, was wir besitzen oder zu besitzen glauben, noch Gegenwart habe, ist in das Herz unserer Welt gedrungen. Sind wir nur noch Verwalter und Registratoren eines großen Erbes? Verzehrt uns das geschäftige Sorgen um das Kommende den gegenwärtigen Tag? Suchen wir uns nicht allzu hektisch unsere Gegenwärtigkeit zu demonstrieren, als daß wir ihrer sicher zu sein vorgeben könnten?
Diese Situation der von außen in Frage gestellten Gegenwart mußte für einen unbefangenen Blick am geistigen Leben Englands besonders früh und besonders scharf sichtbar werden, denn dieses Land repräsentierte ja das Ausgesetztsein – oder besser: Sich-ausgesetzt-Haben – des abendländischen Geistes an eine fragend-fremde Welt im höchsten Maße. Der junge Nordamerikaner Thomas Stearns Eliot, der sich in England einwurzelte, besaß die Sensibilität und Unbefangenheit, um die Exponiertheit des europäischen Erbes am äußeren Vorgang des Machtschwundes der britischen Nation abzulesen und um sogleich auf den Kern der hier zutage tretenden Problematik zu stoßen. Seine Zeitschrift Criterion war zwischen 1922 und 1939 das Forum, auf dem die stummen Fragen von außen ihre Formulierung fanden. Der kritische Fall der imperialen Geschichte Großbritanniens, Indien, wird für Eliot geradezu ein Paradigma zur Entwicklung seines Kulturbegriffes, der durch einen Pluralismus bestimmt ist, mit dem er sich der „selbstverständlichen Überzeugung“ der Engländer widersetzt, „daß ihre Kultur die beste auf der Welt sei“. Zugleich sucht er seinen englischen Lesern ihre „Unkenntnis der Beziehung zwischen Kultur und Religion“ bewußt zu machen, aus der sich für den Fall Indien so schwerwiegende Folgen ergeben hatten.

Von dem Briten, der sich der Bedeutung des Religiösen für die Herausbildung seiner eigenen Kultur nicht bewußt ist, konnte kaum erwartet werden, daß er dessen Wichtigkeit für die Bewahrung einer anderen erkennen würde.

Das ist für Eliot ein Musterfall für den unlösbaren Zusammenhang zwischen unserer Einsicht in die tragenden Kräfte der Vergangenheit und unserer Fähigkeit, Gegenwart zu haben, in der Gegenwart wirklich und wirksam zu sein.
„Geschichte kann Knechtschaft, Geschichte kann Freiheit sein“, heißt es in „Little Gidding“, dem letzten der Vier Quartette, die fast so etwas wie ein großes Lehrgedicht über Zeit und Zeitlichkeit sind, jedenfalls aber Eliots bedeutendste Dichtung, zwischen 1936 und 1942 entstanden.1 Lehrgedicht, sagte ich, weil hier vieles in der abstrakten Ausdrucksweise oder doch in der bloßen nachübersetzenden Verbildlichung des Abstrakten stehengeblieben ist, weil das Ringen um Gegenwart so wenig selbst lyrische Gegenwärtigkeit besitzt – und in aller Lyrik geht es doch um den Besitz von Gegenwart, um das Zugleich von Erfahrung und Gewißheit. Und gerade dies, Gegenwart möglich zu machen, drängt Eliot zur lyrischen Aussage. Gegenwart ist die einzige Dimension der Freiheit zwischen der Ohnmacht des Nicht-mehr und der des Noch-nicht; Gegenwart zu haben, ist der Sinn aller Hinwendung auf die Vergangenheit.

aaaaaaaaaaaaaThis is the use of memory:
For Liberation – not less of love but expanding
Of love beyond desire, and so liberation
From the future as weil as the past.

aaaaaaaaaaaaaaaaaaaSinn der Erinnerung
Ist die Befreiung – nicht als ein Weniger an Liebe,
Sondern im Weiter der Liebe übers Begehren hinaus,
Und so Befreiung vom Kommenden wie vom Gewesenen.

Erinnerung hebt die Last der Vergangenheit als des Unverstandenen, des nackten Faktums und Fatums, auf; Liebe befreit vom Begehren und damit vom Sog der Sorge um das Künftige. Aus beidem ersteht das Freisein für die Gegenwart. Dem Dichter scheint sich fast mühelos die große Frage zu beantworten, ob und wie wir noch Gegenwart haben können, in einem Schleier falscher Aktualitäten stichhaltiges Da-Sein. Wie aber ist es ihm selbst gelungen über die Formel hinaus
Eliots Zeitverständnis in den Vier Quartetten ist beherrscht von dem Grundgedanken, daß Zeit Anfang und Ende hat und daß als darin gleichsam „enthaltene“ Mitte Gegenwart entsteht. In dieser fast formalen Deutung ist Eliots wesentliche Affinität zum christlichen Weltverstehen fundiert, das zwischen Schöpfungsbeginn und Gerichtsende Raum gelassen sein läßt für die Gegenwarten der Geschichte. Zeit verläuft sich hier nicht im Unendlichen oder rotiert im Zyklischen. Kostbarkeit, Einmaligkeit und Dringlichkeit jedes Augenblicks ist erst durch Anbruch und Abbruch der Zeit gewährt. Der dezidierte Widerspruch zum ennui der unendlichen Zeit ist innerer Impuls dieser Verse.

To be conscious is not to be in time,
But only in time can the moment in the rose-garden,
The moment in the arbour where the rain beat,
The moment in the draughty church at smokefall
Be remembered; involved with past and future.
Only through time time is conquered.

Bewußtsein ist noch nicht In-der-Zeit-Sein,
Aber nur in der Zeit kann der Augenblick im Rosengarten,
Der Augenblick in der Laube, wenn Regen fällt,
Der Augenblick in der zugigen Kirche, wenns dämmert,
Erinnert werden – verwoben mit Vergangenheit und Zukunft.
Es wird nur durch Zeit überwunden.

Gegen den Überdruß an der unendlichen Gleichgültigkeit der modernen Zeitvorstellung, wie ihn etwa Baudelaire ausgesprochen hatte, war auch der Versuch der Erneuerung mythischer Strukturen gerichtet; Ezra Pound ist vielleicht die größte lyrische Verkörperung dieses Versuches. Sehnsucht nach der feiernden Wiederholung, ja der magischen Erneuerung des einmal Gültigen, seiner „Injektion“ ins Faktisch-Gegenwärtige ist der Sinn mythischen Dichtens. Noch in dem 1922 veröffentlichten und Ezra Pound gewidmeten Zyklus Das wüste Land, der seinen Ruhm begründete, ist Eliot eingehüllt in mythische Bezüge. Seine lyrische „Methode“ ist eine eigentümliche Synchronisierung mythischer Elemente mit banaler Aktualität; indem er so zeitlos Gültiges und Zeitfragmente auf eine Ebene projiziert, kommt eine Art „synthetischer Gegenwart“ heraus, die nicht überzeugt, weil sie die Fugen der bloßen Montage zeigt. Und die Anspielung auf einen ganzen Horizont von „Bildung“, die nicht viele gleicherweise vereinen werden wie der Autor, ist ein zweifelhaftes Verfahren, durch große mythische Assistenz dem gegenwärtigen Augenblick Erhöhung zu verschaffen. Muß der Leser mühsam in beigegebenen Anmerkungen die ausbleibenden Assoziationen zu Homer und Shakespeare, Ovid und Baudelaire, zur Gralssage und zum „Vicar of Wakefield“ ausgraben, ist seine unmittelbare Erfahrung das Gegenteil dessen, was beabsichtigt wurde, nämlich Zweifel an der Gegenwärtigkeit der abendländischen Tradition. Vorausgesetzt und gemeint ist ein Publikum von „Kennern“, aber Gegenwart ist nur bei den Ergriffenen. Das Wüste Land ist noch entfernt von der Einsicht, daß nicht Tradition die Gegenwart schafft, sondern daß lebendige Gegenwart sich das Gewesene zu gültiger Präsenz erweckt.
Zwischen 1922 und 1936, also zwischen dem Wüsten Land und den Vier Quartetten, ist für Eliot nicht nur Zeit verflossen, sondern die Zeitstruktur hat sich gewandelt. Die Dinge haben neue Erlebnisakzente erhalten. Der mythische Dichter ist ja durchdrungen von dem Glauben an die Wiederholung als das innerste Gesetz des Seins. Daher die Bedeutung der Vegetationssymbolik im Wüsten Land, das trotz des Gralsrequisits eine durch und durch „heidnische“ Dichtung ist. Der Durchbruch einer neuen Zeitvorstellung hatte sich 1930 in dem Zyklus „Aschermittwoch“ mächtig angekündigt.
„Weil ich nicht hoff’ auf Wiederkehr“, beginnt dieser Gesang der mythischen Resignation, aus der eine neue Weise der Freudigkeit am Faktischen, am Unwiederholbaren entsteht:

Because I know that time is always time
And place is always and only place
And what is actual is actual only for one time
And only for one place
I rejoice that things are as they are…

Weil ich weiß, daß Zeit immer Zeit ist
Und Ort immer Ort und nichts sonst
Und, was wirklich ist, wirklich nur
Für die eine Zeit und den einen Ort,
Bin ich der Dinge froh, so wie sie sind…

Das ist ein neues Seinsgefühl, das die Dinge in der Einzigkeit ihrer raumzeitlichen Gegenwart akzentuiert, ohne daß noch erkennbar auf die Bedingungen solcher Einzigkeit reflektiert wird, wie später in den Vier Quartetten. Man erkennt, wie die christliche Termination der Zeit diesem dichterischen Strukturempfinden adäquat werden konnte: die Bedeutung der Dinge hatte sich dem Blick verändert, und nun traten die Prämissen heraus, die das bedingt hatten. Die Dinge in der Welt können so Verschiedenes „bedeuten“, sie können gleichgültig oder absolut, Schattenwürfe oder Manifestationen einer ewigen Typologie, von höchster Flüchtigkeit oder von praller Solidität sein – immer wird gerade der Künstler ihren dichtesten Augenblick, ihre stärkste Gegenwärtigkeit erfassen wollen. Daß die Welt vergeht, daß sie zwischen Anfang und Ende eine nicht umkehrbare „Richtung“ hat, daß Zeit also ein terminierter Spielraum ist: das ist jetzt für Eliot die gleichsam „komprimierende“ Kraft, welche die Dinge in die Intensität ihres Da-Seins zwingt, das Jetzt und nicht Dann und nicht Wieder, das Hier und nicht Dort und nicht Irgendwo. Aber mehr noch: gerade der Moment des hereinbrechenden Vergehens, der Augenblick vor dem Zerfall wird zur gesteigertsten Phase des Seins. Stärkste Gegenwärtigkeit aus dem Vorgefühl des Zerfalls zu gewinnen wird zur Leidenschaft des Dichters; daraus erklärt sich, was Ernst Robert Curtius – der Eliots Ruhm nach Deutschland getragen hat – seine „Verwesungsbesessenheit“ nannte. Und in der Tat: die Polarität, das metaphysische Gleichgewicht zwischen Genesis und Apokalypsis, das zu wahren einem christlichen Weltverständnis immer auf gegeben bleibt, ist bei Eliot eigentümlich verschoben. Es ist eine untergründige Voreiligkeit, ein heftiges Drängen auf das Eschaton spürbar. Dies schon mit dem christlichen Weltbewußtsein gleichzusetzen, ist heute gang und gäbe, obwohl ein genaueres Hinsehen nur zu oft einen subtilen Platonismus zeigt, der die Wahrheit in der Realität der Dinge gefangen und erst im Feuer frei werden sieht; man denke daran, wie nahe sich Nihilismus und Platonismus dieser Art bei manchen literarischen Zeitgenossen stehen können. „Zeit, die Zerstörerin, ist Zeit, die Bewahrerin“ – solche coincidentia oppositorum ist noch nicht notwendig christliche Metaphysik.
Eliots Zeitgefühl scheint die Bewegung der Dinge auf den Katarakt des Endes hin zu beschleunigen. In den Vier Quartetten wird immer wieder die Gegenwart als Zusammenfall von Vergangenheit und Zukunft, von Anfang und Ende beschworen – aber ist nicht das Ende sehr viel dringlicher gegenwärtig als der Anfang?

What might have been and what has been
Point to one end, which is always present.
Footfalls echo in the memory
Down the passage which we did not take
Towards the door we neuer opened
Into the rose-garden.

Was hätte sein können und was gewesen ist,
Zielt auf ein Ende, das stets gegenwärtig ist.
Schritte hallen in der Erinnerung
Durch den Gang, den wir nicht gingen,
Zu der Tür, die wir nie öffneten,
In den Rosengarten.

Das ist, bis ins Versgefüge und -gefälle hinein, überlastig zum Ende hin; immer ist Gegenwart, das Offensein von Möglichkeiten, schon um ein weniges überschritten, und es beherrscht das Nicht-mehr, das Zu-spät den Sinn, die Melancholie der verfehlten Möglichkeiten, von denen man nicht erfährt, ob sie je wirklich gegenwärtig waren. Es ist viel von der fatalen „Geworfenheit“ der Existenzphilosophie in diesen Versen, und ich zweifle nicht an dem tieferen Grund der gemeinsamen Modernität jener Philosophie und dieser Dichtung – und ihres gemeinsamen Überholtwerdens.
Eliots Lyrik fehlt der Atem, der die Bilder zu ihrer vollen Gegenwart aufblühen ließe. Es ist, als sei dem Dichter nur noch zum Fragment Zeit gelassen, als sei das eben Heraufkommende schon apokalyptisch angeschlagen, als bröckelte es schon im Entstehen ab. Die Dinge, denen nicht genug Sein mitgegeben zu sein scheint, sind von hektischer Inkonsistenz. Immer hat das Sein den Zenith der Gegenwart schon durcheilt und in allem ist „das stumme Horchen nach dem unleugbaren Klang der Glocke der letzten Verkündung“. So ist die lyrische Zeit der Raum einer vorwegeilenden Hinfälligkeit der Dinge. Das ist der tiefere Grund, der E.R. Curtius von den Vier Quartetten sagen ließ, sie schienen ihm „rein künstlerisch betrachtet ein Ende, über das es kein Hinaus mehr gibt“, zu sein. Das ist eine doppeldeutige Formel, und sie muß so genommen werden.
Was Eliot über seinen Umgang mit dem Wort sagt, fügt sich dieser Melancholie ein. In den zwanzig Jahren zwischen den beiden Kriegen, in denen er versucht habe, „den Gebrauch der Worte zu lernen“, sei jeder neue Anfang nur eine neue Art der Verfehlung des Gewollten gewesen, „weil man erst dann gelernt hat, die Worte besser zu sagen, wenn man die Sache, für die sie gesucht waren, nicht mehr zu sagen hat“. Diese Grunderfahrung läßt sich im Gedicht eben noch mitteilen, aber sie schließt in sich die Mitteilung der Unmöglichkeit des Gedichtes. Ist also die Selbstaufhebung des Gedichts die Essenz der dichterischen Erfahrung Eliots? Jedenfalls ist es dies, was das Gedicht unmittelbar, also unterhalb seiner „lehrenden“ Funktion, auf den Leser überträgt. Die Melancholie macht die erlebte Zeit zur vergeudeten Zeit, nicht weil dies oder jenes mißlang, weil versagt war, was auch hätte gelingen können, nein, sondern weil Zeit ohnehin der vertane Aufenthalt vor dem Ende der Dinge ist. „Zwanzig verschwendete Jahre“, das ist kein zufälliges Fazit. Die verlorene Zeit, die nicht zu gewinnen war, ist ein Motiv, das schon der Zweiundzwanzigjährige in dem seltsamen „Liebesgesang des J. Alfred Prufrock“ ankündigt:

Ich hab mein Leben mit Kaffeelöffeln ausgeteilt.

Dreißig Jahre später sieht sich der Dichter „in treibendem Boot mit rinnendem Leck“. Immer bleibt der Sinn eines Gedichtes in einer gewissen Schwebe zwischen dem, was der Dichter von ihm weiß, und dem, was der Leser davon ergreift; und Eliot selbst hat es als eine Sache des „ästhetischen Taktes“ erklärt, nicht zu hartnäckig nach dem „Inhalt“ der lyrischen Aussage zu forschen. Dennoch gibt es jenseits der Detailfragen der Interpretation so etwas wie die Motorik des Gedichtes, die sich in Emotion umsetzt, und dies ist der eigentliche „Gegenstand“ des Gedichts. Für Eliot gibt es ebenso „festumrissene Gefühle“, wie es festumrissene Gedanken gibt. Liest man unter diesem Aspekt über die metaphysischen „Lehrstrophen“ der Vier Ouartette hinweg, so drängt sich als alles übergreifende Emotion die Melancholie auf, die sich im Sog der Zeit, angesichts des Substanzverzehrs in aller Realität einstellt. In der Melancholie verrät sich ein immanenter Eschatologismus, den ich nicht mit der christlichen Eschatologie gleichsetzen kann. Das christliche Eschaton ist kein innerer Trend der Dinge, es steckt nicht wie der Wurm in ihnen drin, sondern es „bricht herein“, überfällt sie inmitten ihrer prallen Hiesigkeit. Es war die große und gefährliche Versuchung der Gnosis, das Ende der Dinge nicht nur gewärtigen, sondern es „betreiben“ zu wollen; es war ein Konzept auf platonisierender Basis, ein Versuch, den Anfang zu diffamieren, um das Ende zu erzwingen. Für den christlichen Sinn ist zwischen Anfang und Ende der Welt ihre Gegenwart gewährt, und im Unwiederholbaren liegt die eigentümliche Solidität der Dinge. Nur wo die Gegenwart gebilligt ist, kann das Ende „hereinbrechen“. Ich möchte nicht sagen, Eliot sei ein Gnostiker; er diffamiert den Anfang nicht, aber er vergißt ihn in der Faszination des Endes.

Es ist das Ende, von wo wir ausgehen.

Da ist eine tiefwurzelnde Gemeinsamkeit mit jener Art von Philosophie, die gebannt ist vom „Sein zum Tode“ und die in der Entschlossenheit zum Ende sich verschließt gegen die Frage nach dem Anfang als gegen die Versuchung, sich die Geworfenheit unseres Daseins wegzudisputieren. Demgegenüber ist das christliche Zeitbewußtsein gleichsam „symmetrisch“: das Ende ist die Restitution in den Anfang, die Eschatologie die Endgültigkeit der Schöpfung, und Gericht bedeutet, daß Gott gegen die Negation des Bösen auf seinem ersten Wort besteht.
Eliots Dialektik der Zeit ist vor ihrem eigenen christlichen Anspruch fragwürdig, weil sie die Eschatologie immanentisiert, zur Kränklichkeit des Seins selbst macht. Da wird, im vierten Gedicht von East Coker, „die ganze Erde zum Hospital, gestiftet von dem ruinierten Millionär“, und im Gebresten allein ist Gesundheit. Erst der Schluß der Quartette sucht sich der Melancholie zu entreißen. Da steht noch einmal das die Dichtung Eliots durchziehende Symbol der Rose, Dantes Paradieseszeichen, Zeichen auch des erfüllten Augenblicks – aber ebenso der Hinfälligkeit des Augenblicks

Ash on an old man’s sleeve
Is all the ash the burnt roses leave.

Asche an eines alten Mannes Gewand
Ist alles, was bleibt, wenn die Rosen verbrannt.

Aber nun, am Ende, wenn „alles gut sein wird“, sind auch „Feuer und Rose eins“, der Augenblick ist durch sein Vergehen in die Ewigkeit gerettet. Ganz gleich, ob ich recht habe, wenn ich das neuplatonische Apokalyptik nenne – dieser Widerruf der Melancholie von fast neunhundert Versen setzt sich nicht mehr durch gegen die Emotion des Ganzen. Die gründliche Katalyse der Zeit gebiert noch nicht den Phönix der Ewigkeit, das Scheitern des Menschlichen ist noch nicht die Glorie des Göttlichen. Fragen der Unterscheidung stellen sich hier, wenn es richtig ist, was E.R. Curtius über die Vier Quartette sagt, daß sie „den Leser dazu zwingen, die Frage nach ihrer religiösen Relevanz zu stellen“.

(…)

Hans Blumenberg, Hochland 49, 1956/57

 

Ernst Robert Curtius: T.S. Eliot, Merkur, Heft 11, Januar 1949

Hans Egon Holthusen: Das Schöne und das Wahre in der Poesie. Zur Theorie des Dichterischen bei Eliot und Benn, Merkur, Heft 110, April 1957

Eva Hesse: T.S. Eliot Schwierigkeiten beim Leben. „Gerontion“ als Selbstinterpretation des Dichters, Merkur, Heft 203, Februar 1965

Eva Hesse: T.S. Eliot Schwierigkeiten beim Leben (II). „Gerontion“ als Selbstinterpretation des Dichters, Merkur, Heft 204, März 1965

Norbert Hummelt: Die verlorene Technik, Sinn und Form, Heft 6, November 2024

 

 

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T.S. Eliot liest The Waste Land.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 1/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 2/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 3/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 4/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 5/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 6/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 7/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 8/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 9/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 10/11.

 

T.S. Eliot – Eine biographische Dokumentation, Teil 11/11.

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