WIDMUNG
Ich singe das Selbst, das schlichte Einzelwesen,
doch spreche ich das Wort demokratisch aus, das
aaaaaWort en masse.
Physiologie vom Scheitel bis zur Sohle singe ich,
nicht Physiognomie noch Hirn allein ist der Muse
aaaaawürdig,
ich meine, weit würdiger ist die Gesamtgestalt,
ich singe das Weibliche gleichrangig dem
aaaaaMännlichen.
Das Leben, unermeßlich in Leidenschaft, Pulsschlag und Kraft,
heiter, zu freiester Tat geformt nach göttlichem Gesetz,
ich singe den heutigen Menschen.
Übertragen von Erich Arendt
Walt Whitmans berühmte Gedichtsammlung Grashalme, zwischen 1855 und 1891 von ursprünglich zwölf auf nahezu vierhundert Texte erweitert, ist ein Hauptwerk der neueren Weltliteratur und zugleich die Geburtsstunde der modernen amerikanischen Dichtung. In ungemein kraftvollen, sprachlich eigenwilligen freien Rhythmen beschreibt Whitman das harte Leben der Habenichtse, preist er die Natur seiner Heimat, kämpft er gegen Sklaverei und für Demokratie. Gedichte wie Geschichten, voller Geheimnisse, voller unerwarteter Wendungen, vorgetragen mit der Stimmkraft eines Erzpoeten.
Aus Zbigniew Herbert: Poesiealbum 86, Verlag Neues Leben, 1974
gegenüber dem Wert der wunderbaren Gabe ihrer Grashalme. Für mich sind sie das Außergewöhnlichste an Geist und Weisheit, das Amerika je hervorgebracht hat… Ich finde darin unvergleichliche Dinge unvergleichlich gut gesagt, so wie es ihnen zukommt… Ich rieb mir ein bißchen die Augen, um zu sehen, ob dieser Strahl der Sonne keine Täuschung sei; aber der solide Geist des Buches ist eine leibhaftige Gewißheit. Es hat das Beste, was ein Buch haben kann: es stärkt uns und macht uns Mut.
Ralph Waldo Emerson, Verlag Neues Leben, Klappentext, 1974
Von Kai Grehn nach einem Text von Walt Whitman
Regie: Kai Grehn
Mit: Iggy Pop, Paula Beer, Jule Böwe, Volker Bruch, Alexander Fehling, Robert Gwisdek, Birgit Minichmayr, Josef Ostendorf, Lars Rudolph, Marianne Sägebrecht, Martin Wuttke
Komposition: alva noto und Tarwater
ZUM BEISPIEL WALT WHITMAN
Wo die Halme sprießen, in des Seins irdischer Mitte,
dort hebt die Dichtung an:
doch sie reicht bis zu des Lebens äußerster Grenze,
und siehe, die ist nicht außen,
die ist in der Seele.
Innen die Grenze und außen die Mitte,
eines das andere gebärend, eines dem andern verwoben,
das allein ist Dichtung –
Freilich, am Ende entdeckst du verwundert,
daß es einfach dein Leben,
das Leben des Menschen ist.
Hermann Broch
Christian Lindner: Tod des amerikanischen Lyrikers Walt Whitman
deutschlandfunk.de, 26.3.2017
Oliver vom Hove: Walt Whitman: „Ein Yankee, der seiner Wege geht“
Wiener Zeitung, 26.5.2019
Florian Baranyi: Der Dichter der Demokratie
orf.at, 31.5.2019
Manfred Orlick: „O Captain! My Captain!“
literaturkritik.de, Mai 2019
Hannes Stein: Der Mann, der die richtigen Worte für Amerika fand
Die Welt, 31.5.2019
Erwin In het Panhuis: „O Captain! My Captain!“
queer.de, 31.5.2019
Ulf Heise und Torsten Kohlschein: Dichter Walt Whitman: „Den Neuen Menschen singe ich“
Freie Presse, 31.5.2019
Jürgen Brôcan: Ein Mann, ein Kosmos: An Selbstbewusstsein fehlte es dem Lyriker Walt Whitman nicht
Neue Zürcher Zeitung, 1.6.2019
Walt Whitman – Dokumentation von 1988.
Schreibe einen Kommentar