CHRISTOPH SCHWARZ
be, B
Ich schreibe,
ich schrei’ ,B‘.
ich beschreibe,
ich, B., schrei’ ,B‘.
ich beschreibe B.,
ich, B., schreibe ,B‘.
ich bebe, schrei ,B‘,
ich, B., beschreibe.
1989
aus: Christoph Schwarz: Poetische Sprachspiele. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hrsg. von Peter Dencker. Reclam Verlag, Stuttgart 2002
Die Phonetik und die Orthografie der einzelnen Wörter, die wir in unserem Sprachsystem vorfinden, stehen meist nicht in einem Identitätsverhältnis, sondern bilden schwierige, aber auch reizvolle Konstellationen, woraus sich manchmal poetische Funken schlagen lassen. Aus der Homophonie des Buchstabens „B“ mit dem Suffix „-be“ und aus der systematischen Zerlegung der Verben „schreiben“ und „be-schreiben“ entwickelt der experimentelle Lyriker Christoph Schwarz (geb. 1947) ein ebenso artistisches wie vergnügliches Sprachspiel.
Auf sehr anschauliche Weise wird demonstriert, wie selbst kleinste BuchstabenVerschiebungen, Zertrennungen und Neukompositionen von Einzelwörtern einen jeweils neuen Sinn-Kontext erzwingen. Die Engführung von „schreiben“ und „schreien“, von dem Einzelbuchstaben „B“ und der Silbe „be-“ ergibt immer neue Metamorphosen des Sinns. Sicher ist nur die Souveränität des Schreibenden: Das Ich, das hier schreit, schreibt oder beschreibt, schafft sich eine eigene Ordnung der Dinge.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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