GEORG BÜCHNER
O meine müden Füße ihr müsst tanzen
O meine müden Füße ihr müsst tanzen
aaaaaaaaIn bunten Schuhen,
Und möchtet lieber tief, tief
aaaaaaaaIm Boden ruhen.
O meine heißen Wangen, ihr müsst glühen
aaaaaaaaIm wilden Kosen,
Und möchtet lieber blühen
aaaaaaaaZwei weiße Rosen.
O meine armen Augen, ihr müsst blitzen
aaaaaaaaIm Strahl der Kerzen,
Und lieber schlieft ihr aus im Dunkeln
aaaaaaaaVon euren Schmerzen.
1836
Dieses Tanzlied verweigert jeden optimistischen Schwung, es zielt nicht auf Befreiung und Beweglichkeit, sondern auf Grabesruhe. Eine existenzielle Müdigkeit legt sich hier auf alle Lebensregungen. So ist das Lied erfüllt von einer Schwere, die jeden Versuch eines tänzerischen Ausdrucks unterbindet und den Tanzenden in das Dunkel der Melancholie zieht. Es wird gesungen von Rosetta, der Geliebten des Prinzen Leonce in Georg Büchners (1813–1837) Lustspiel Leonce und Lena von 1836.
In Büchners Komödie wird der Prinz Leonce von Lebensüberdruss und Langeweile geplagt. Wenn dann sein „Liebchen“ Rosetta die Bühne betritt, ist auch die Frage nach der Liebe von Skepsis und Überdruss kontaminiert. Eine Sehnsucht nach Schlaf und nach der Erlösung von der Müdigkeit im Tod verdunkelt diesen Aufruf zum Tanz.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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