HEINZ ERHARDT
Den Unverstandenen
Stumm ist der Fisch, doch nicht nur er:
auch einen Wurm verstehst du schwer.
Selbst deines treuen Hunds Gebell
entzifferst du nicht immer schnell.
Auch bei den Rindern, Hühnern, Schweinen
kannst du nur raten, was sie meinen.
Drum spreche ich als Anwalt hier
für jedes unverstandne Tier.
(Für’n Papagei brauch ich das nicht,
weil er ja für sich selber spricht!)
1950er Jahre
aus: Das Große Heinz Erhardt-Buch. Lappan Verlag, Oldenburg 2004
Um mit den bedrängenden Einsamkeitsgefühlen in seiner Jugend fertig zu werden, hatte der große Komiker und Scherzdichter Heinz Erhardt (1909–1971) ein probates Gegenmittel entwickelt: den Humor. Es war ein versöhnlicher, begütigender, niemals verletzender Humor, der jene Harmonie wiederherstellte, die der Sohn eines Theaterkapellmeisters als Kind nie genießen konnte. Erhardts Eltern hatten sich früh getrennt, seine Großeltern sabotierten seinen Lebenswunsch, Musiker zu werden.
Der chronisch überarbeitete Einzelgänger hat eine ganze Reihe von kauzigen und sentimental-anrührenden Tiergedichten in sein poetisches Repertoire aufgenommen. Sein vermutlich in den 1950er Jahren entstandenes Plädoyer für die „unverstandene“ Kreatur, das als Bekenntnis eines leidenschaftlichen Tierfreunds daherkommt, dient einigen Tierschutz-Organisationen als programmatisches Motto.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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