HUGO VON HOFMANNSTHAL
Kleine Blumen…
Kleine Blumen, kleine Lieder,
Heller Klang und bunte Pracht,
Blumen, die ich nicht gezogen,
Lieder, die ich nicht erdacht: –
Und ich selber hätte nichts,
Dir zu bringen, Dir zu danken,
Sollte heute, heute schweigen?
Ach, was mein war, die Gedanken,
Sind ja längst, schon längst dein Eigen.
1888
Hugo von Hofmannsthal (1874–1929), das Wiener Junggenie des Fin de siècle, hatte schon als Siebzehnjähriger das Selbstbewusstsein eines Meisters: „Das Wort, das Andern Scheidemünze ist, mir ists der Bilderquell, der flimmernd reiche.“ Zum Zeitpunkt dieses Statements hatte der junge Poet schon einige formvollendete Verse verfasst, die er nur unter dem Pseudonym „Loris“ veröffentlichen konnte, weil dem Gymnasiasten das Publizieren verboten war. Eins seiner frühesten Gedichte entstand schon 1888, die frühreifen Verse eines Vierzehnjährigen.
Die neoromantische „Nervenkunst“, der er schon als junger Poet überdrüssig wurde, konnte Hofmannsthal als lyrischer Novize noch ungehemmt auskosten. Der Protagonist präsentiert sich hier als Nachgeborener, der die verführerischen „Blumen“ und „Lieder“, die er einem „Du“ darreichen möchte, nicht selbst „erdacht“ hat. Aber in einer galanten Wendung stellt das Ich eine weil intensivere Nähe her, indem es auf die innige geistige Liaison mit dem begehrten „Du“ verweist.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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