Peter Hacks’ Gedicht „Das Kind am Alexanderplatz“

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PETER HACKS

Das Kind am Alexanderplatz

– Armes Kind, was weinest du?
– Hab mein Streichhölzlein verloren.
– Ei, wer wird denn gar so schrein
Wegen einem Streichhölzlein!

– Reibeflächlein hab ich schon,
Schwefelfädlein hab ich schon,
Bömbchen liegt schon unterm Alex,
Fehlt mir nur das Streichhölzlein.

1988

aus: Peter Hacks: Werke Band 1. Die Gedichte. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2003

 

Konnotation

Der politisch und ästhetisch unberechenbarste Dichter der DDR war wohl Peter Hacks (1928–2003). Mit seinen Dramen hat er sehr viel ästhetische Energie in die klassizistische Denkmalspflege des real existierenden Sozialismus investiert, ohne freilich das Misstrauen der SED-Kulturpolitiker immer dämpfen zu können. Im Zweifelsfall entschied er sich stets für die Provokation des Zeitgeists – und für einen linksaristokratischen Fundamentalismus.
Im Gewand des Kinderverses spricht Hacks hier von einer Ungeheuerlichkeit – von einem potentiellen Terroranschlag im Zentrum des sozialistischen Staats. Mit den unschuldig daherkommenden Diminutiven („Streichholzlein“, „Bömbchen“) tarnt der Dichter den fast undenkbaren Schrecken. Hacks steigert die Irritation, indem er ein Kind zum möglichen Attentäter stilisiert. In einer Anmerkung zu dem 1988 entstandenen Text spricht Hacks von einer „mythischen Fabel“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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