ROLF BOSSERT
Vierzeiler
Auf hellem Feld ein Gartenzwerg.
Daneben stampft die Industrie.
Ein Kunststoffgalgen auf dem Berg.
Ein Land geht langsam in die Knie.
1982
aus: Rolf Bossert: Ich steh auf den Treppen des Winds. Gesammelte Gedichte. Hrsg. v. Gerhardt Csejka. Schöffling & Co., Frankfurt a.M. 2006
Der Dichter Rolf Bossert (1952–1986) war die suggestivste Stimme im staatlich schikanierten Zirkel der rumäniendeutschen Schriftsteller; die seit den spätern 1970er Jahren davon träumten, innerhalb der Diktatur Nicolae Ceauşescus als „sanfte Guerilleros“ (Richard Wagner) agieren zu können, Nach 1980 tat sich im lyrischen Werk des anfänglich geförderten Bossert jener Riss zwischen offizieller Staatsästhetik und poetischem Autonomieverlangen auf der nicht mehr zu kitten war.
In vier Zeilen ist hier die Tragödie des rumänischen Feudal-Kommunismus zusammengefasst. Die falsche Gartenzwerg-Idylle verbindet sich mit dem Getriebe einer Industriegesellschaft, bei der die rücksichtslose Ausplünderung der ökologischen Ressourcen eines Landes zum Programm des „Fortschritts“ gehört. Das Gedicht entstand im November 1982; das Ende des rumänischen Alptraums sieben Jahre später hat Rolf Bossert nicht mehr erlebe Im Februar 1986 sprang er in Frankfurt aus dem Fenster eines Aussiedlerheims.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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