Helmut Böttiger: Celans Zerrissenheit

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Helmut Böttiger: Celans Zerrissenheit

Böttiger-Celans Zerrissenheit

SCHLAFEN, SCHLAFEN, VIELLEICHT AUCH TRÄUMEN

– Im Spannungsfeld zwischen Rilke, den Rezitationen Alexander Moissis und der Gruppe 47. –

Celans Vorstellungen von Lyrik sind von seiner Heimatstadt Czernowitz nicht zu trennen. Es war ein Ort, „in dem Menschen und Bücher lebten“,1 wie er in seiner Dankesrede zum Bremer Literaturpreis 1958 sagte: Gelegen am Ostrand Habsburgs, direkt an der Grenze zum russischen Zarenreich, hatte Czernowitz bis 1914 eine ungewöhnliche kulturelle Blüte erlebt. Das Bürgertum in der Stadt war überwiegend jüdisch geprägt, und es sprach Deutsch. Jiddisch, die Sprache der Unterschicht, war für diejenigen, die sich als Kulturbürger begriffen, verpönt. Celans Vater war ein traditionsbewusster Jude, der sozial eher an den Rand gedrängt war. Er schlug sich als Holzhändler durch, und die materiellen Bedingungen waren ziemlich schwierig. Der Vater versuchte, Celan eine orthodoxe jüdische Erziehung angedeihen zu lassen, was auf Dauer auch aus gesellschaftspolitischen Gründen nicht so verlief, wie er es sich vorstellte. Paul, der Sohn, beendete den Hebräischunterricht 1933 nach der Bar-Mizwa und engagierte sich in einer kommunistischen Jugendgruppe, bei der das Politische und das Romantische anscheinend schwer zu unterscheiden waren. Das Abitur machte er in einem rumänischsprachigen Gymnasium – seit 1920 gehörte Czernowitz zum Königreich Rumänien –, das sich altphilologisch und sprachlich orientierte und den Vorstellungen der Mutter entsprach, die sich den bildungspolitischen Idealen des alten Habsburgerreichs verpflichtet fühlte und dem Sohn das österreichische Hochdeutsch der klassischen Literatur vermittelte. Die unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen von Vater und Mutter sind in der Sozialisation Celans ein nicht zu unterschätzendes Moment; das enge Verhältnis zu seiner Mutter erwies sich als äußerst prägend.
Der soziale Aufstieg war für Celan untrennbar mit der deutschen Sprache und der altösterreichischen Kultur verknüpft. Die Welt des deutschsprachigen jüdischen Bürgertums von Czernowitz erschien ihm voller Versprechen. Einen Eintritt verschaffte ihm seine Jugendfreundin Edith Silbermann, die in der unmittelbaren Nachbarschaft seines engsten Klassenkameraden Gustav Chomed wohnte. Manchmal bewarf sie die beiden beim Schlittenfahren mit dafür extra gesammelten Kastanien.2 Ihr Vater, in habsburgischer Zeit ein Germanist und Altphilologe, der jetzt den Brotberuf eines Bankbeamten ausübte, besaß die „zweitgrößte Bibliothek der Stadt“, wie sie es in ihren Erinnerungen penibel verzeichnet, und das sei „für den bildungshungrigen Schüler Paul eine wahre Fundgrube“ gewesen. Hier lernte er die für seine eigene lyrische Entwicklung wichtigen Autoren kennen. Edith Silbermann berichtet, dass ihr Vater Karl Horowitz gleichzeitig argwöhnisch über seine Bibliothek wachte. Wenn er bemerkte, dass die Bücher nur ein bisschen verrückt waren, habe er sofort gefragt:

Waren schon wieder die Kadetten da?3

Damit seien Paul Celan und sein Klassenkamerad Immanuel Weißglas gemeint gewesen, die beide Gedichte zu schreiben begannen.
Mit fünfzehn oder sechzehn Jahren wies Celan Edith Silbermann dann auf den für ihn wichtigsten Lyriker hin, Rainer Maria Rilke:

mit dem wir einen wahren Kult trieben, so dass ich auch, als ich nach dem Krieg in Bukarest Germanistik studierte, über diesen Dichter meine Lizenziatenarbeit schrieb. Immer wieder trug Paul den Cornet, die Geschichten vom lieben Gott und Gedichte aus dem Stundenbuch und dem Buch der Bilder vor, später dann auch die Sonette an Orpheus und die Duineser Elegien.4

Rilke war für die Czernowitzer Intellektuellen und Kulturbürger die herausragende Instanz, er hatte viele Jünger und Nachahmer. Der Rilke-Ton schien die Atmosphäre der wie eine Oase an der äußersten Grenze gelegenen Stadt Czernowitz am genauesten einzufangen: eine Vielvölker- und Vielsprachenstadt, und inmitten etlicher anderer slawischer und sonstiger Sprachen war das Deutsche fast so etwas wie eine Kunstsprache, eine künstliche Orchidee, abgeschnitten vom weit entfernten, geschlossenen deutschen Sprachraum, in dem es die Sprache des Alltags war und die Entwicklungen der unmittelbaren Gegenwart repräsentierte. In Czernowitz war Deutsch dagegen vor allem eine Sprache der Vergangenheit, und die Lyrik war die unumstrittene Form des literarischen Selbstgefühls. Prosa oder gar ein Roman schienen dem Charakter dieser Stadt nicht zu entsprechen, weiträumige, großflächige Beschreibungen einer Metropole oder eines Entwicklungsprozesses. Dagegen waren Lyrikrezitationen ein selbstverständlicher Mittelpunkt bürgerlicher Salons.
Dass viele bürgerlich-jüdische Jugendliche dichteten, ging wie zwangsläufig daraus hervor. Verglichen mit Texten, die zeitgleich in Mitteleuropa entstanden und von dem Lebensgefühl der aufgebrochenen Moderne gezeichnet waren, wirken die Bukowiner Dichter äußerst traditionsbezogen, aber mit einer unverkennbaren Farb- und Tongebung, die der eigenen Randsituation entsprach. Die Lyrikerin Rose Ausländer, eine Generation älter als Celan, wuchs in Czernowitz auf, seine Cousine Selma Meerbaum-Eisinger schrieb ebenfalls Gedichte, die nach ihrem Tod als Achtzehnjährige 1942 im Lager Michailowska auf verschlungenen Wegen gerettet wurden, und die gleichaltrigen Paul Antschel, der sich erst später „Celan“ nannte, Immanuel Weißglas, Alfred Kittner oder Alfred Gong versuchten ebenfalls, sich auf diese Weise dessen zu vergewissern, was ihr Leben ausmachte. Die frühen Gedichte Celans sind sehr stark von diesen Czernowitzer Besonderheiten geprägt. Es muss eine Art lyrisches Treibhausklima geherrscht haben, etwas Enges und Hitziges. Nach der faschistischen Machtübernahme in der Bukowina sah man sich mit den Erfahrungen der Barbarei konfrontiert.
In dieser Situation, unter dem Eindruck der zeitgeschichtlichen Katastrophe, entstand Celans „Todesfuge“. Sie baut auf vielfältigen Voraussetzungen auf, die durchaus zu Missverständnissen führten. Es ist naheliegend, den erkennbaren Neuansatz in Celans Lyrik, der in der „Todesfuge“ deutlich wird, auf die unmittelbar zurückliegenden Erfahrungen zurückzuführen, ein sprachlicher Quantensprung als direkte Aufarbeitung eines Schocks. Doch die zeitliche Zuordnung scheint nicht ganz einfach zu sein. Dass sich in und außerhalb von Czernowitz im Lauf der Jahre ein spezifisches Metapherngeflecht entwickelt und ein bestimmter Bildervorrat angesammelt hatte, ist in einer Ausstellung des Literaturhauses Berlin 1993 umfassend dokumentiert worden. Die „schwarze Milch“, mit der Celans „Todesfuge“ einsetzt, findet sich bereits in dem völlig anderen, sehr konventionell gearbeiteten Gedicht „Ins Leben“ von Rose Ausländer. Es wurde 1925 geschrieben und 1939 zum ersten Mal veröffentlicht. In Alfred Margul-Sperbers Gedichtband Geheimnis und Verzicht aus dem Jahr 1939 findet sich das Bild von der „dunklen Milch des Friedens“, und an einer anderen Stelle heißt es:

(…) Die Milch des Abends rinnt
die schwarzen Stämme abwärts auf den Grund
(…)

Der Czernowitzer Moses Rosenkranz veröffentlichte 1947 in Bukarest einen Lyrikband, in dem sich ein Gedicht mit dem Titel Die Blutfuge findet – es ist formal sehr konservativ, mit vier Strophen zu je vier Versen in landläufigen Endreimen, das den kurz zurückliegenden Massenmord an den Juden zu verarbeiten sucht:

In stilles, grabestiefes Orgelsummen
Tropft wieder Christi Blut, o Blut von Bach!
5

Trotz desselben Lebensthemas fällt auf, wie sehr sich Celans „Todesfuge“ von den Gedichten anderer Czernowitzer bereits entfernt hat, wie eigenständig und formal weitaus avancierter sein Gedicht konzipiert ist.
Das gilt genauso für den Vergleich mit dem Gedicht „ER“ von Immanuel Weißglas, dessen verblüffende Ähnlichkeiten mit Bildern aus Celans „Todesfuge“ einige Interpreten zu verschiedenen Mutmaßungen veranlasst hat. Auch dieses Gedicht hat vier Strophen zu je vier Versen mit mitunter etwas mühsam verschränkten Endreimen, es ist auch in der Wortwahl und im Versbau äußerst konventionell. Aber es finden sich, wie bei Celan, die „Gräber in der Luft“, das „Fiedeln“ und „Tanzen“, es gibt die „Schlangen“ und „Gretchens Haar“ und auch den „deutschen Meister“ namens Tod. Die beiden letzten Verse lauten:

Das Grab in Wolken wird nicht eng gerichtet:
Da weit der Tod ein deutscher Meister war.
6

Celans „Todesfuge“ ist ein völlig anderes Gedicht. Die Form, der Aufbau, Rhythmus und Klang scheinen einer ganz anderen Zeit anzugehören, und die unmittelbare Wirkung dieses Gedichts verdankt sich seinen innovativen, damals aufregend zeitgenössischen lyrischen Mitteln. Erst dadurch wurde die „Todesfuge“ zu dem, was sie ist. Dennoch fallen dieselben Motive in Weißglas’ epigonal wirkendem Gedicht natürlich auf. Während Israel Chalfen in seiner Jugendbiografie Celans Wert darauf legt, dass Celan Annäherungsbemühungen von Weißglas eher auf Distanz gehalten habe,7 beschreibt Alfred Kittner aus der Erinnerung eine andere Dynamik:

Sie lasen gemeinsam, besprachen gemeinsam das Gelesene, übten ihre Übersetzungerbegabungen an den gleichen Gedichten, an Jessenin, Apollinaire, Yeats, Housman, Arghezi, Shakespeares Sonetten. Es war ein ständiges Nehmen und Weiterreichen.8

Weißglas’ Gedicht wurde zum ersten Mal überhaupt in der Bukarester deutschsprachigen Zeitschrift Neue Literatur veröffentlicht, in der zweiten Nummer des Jahres 1970. Sie enthielt den spekulativen, nicht beweisbaren und ziemlich unglaubwürdigen Vermerk, das Gedicht sei bereits 1944 entstanden. Celan kann diesen Abdruck theoretisch noch wahrgenommen haben. Die Spekulationen einiger, er könne der unmittelbare Auslöser für Celans Freitod im April 1970 gewesen sein, weil er eine weitere Plagiatsaffäre fürchtete, entbehren jedoch einer nachprüfbaren Grundlage. In Weißglas’ Gedichtband Kariera am Bug von 1947 ist das Gedicht „ER“ nicht enthalten. Weißglas selbst äußerte in den siebziger Jahren ziemlich diffus und ausweichend, dass es „im Bereich der Dichtung“ immer nur „auf Gewinn und Verlust im rein Künstlerischen“ ankomme, möge „auch der Umriss einer Metapher von einem Gebilde ins andere herüberleuchten“. Ein „kameradschaftlicher Kontrapunkt“ habe „zwei wortbesessene Freunde oft in gemeinsamer Bemühung um das Gedicht“ verbunden, und dem Freiburger Germanisten Gerhart Baumann gegenüber, der diese Bemerkungen von Weißglas veröffentlicht hat, erklärte er:

Es kam so: wir sprachen Verse vor uns hin, die zu Gedichten gerannen.9

Celan hat schon früh ein distanziertes Verhältnis zu Weißglas eingenommen. In einem Brief an den Czernowitzer Schulfreund Gustav Chomed vom 26. Februar 1962 heißt es:

Von Weißglas weiß ich so gut wie nichts; aber ich habe ihn bis Ende 1947 denn doch oft genug gesehen, um Dir sagen zu dürfen, dass alles Unsauber-Mimetische, das ihn schon in früheren Zeiten auszeichnete, zu einiger Weiterentfaltung gelangt ist.

Und in einem weiteren Brief vom 3. Mai fügt Celan hinzu:

Charakter war nicht gerade sein hervorstechendster Wesenszug.10

Das Erstaunliche an der „Todesfuge“ ist, wieweit sie sich bereits vom Czernowitzer Ton entfernt hat und wie sehr sie sich deshalb auch von Celans eigenen Czernowitzer Gedichten unterscheidet. Vieles scheint bereits auf Erfahrungen hinzuweisen, die Celan erst in Bukarest gemacht haben kann: in der Begegnung mit Dichtern, die stark vom Surrealismus beeinflusst waren, und generell durch die stärkere Auseinandersetzung mit der westlichen Moderne. Dennoch geht die Forschung grundsätzlich, und mit nachvollziehbaren Gründen, davon aus, dass die „Todesfuge“ noch in Czernowitz oder unmittelbar nach seiner Ankunft in Bukarest entstanden sei. Eindeutiger Bezugspunkt ist eine fragmentarische Notiz in Celans Vorarbeiten zu seiner Meridian-Rede anlässlich der Büchnerpreisverleihung 1960, in der er allerdings zuerst „September“ geschrieben hatte und dies dann in „Mai“ korrigierte:

Als ich im (September) Mai 1945 die „Todesfuge“ schrieb, ich hatte damals, in der Izvestia, wie ich mich zu erinnern glaube, die Berichte über das Lemberger Ghetto gelesen.11

Es existiert daneben eine sehr konkrete Erinnerung Alfred Kittners, der im Spätfrühling 1944 aus dem Lager nach Czernowitz zurückgekehrt war:

Nicht lange danach dürfte es gewesen sein, dass er mir eines Vormittags vor dem Eisengitter der Czernowitzer Erzbischöflichen Kathedrale in der Siebenbürgerstraße die kurz zuvor entstandene „Todesfuge“ vorlas, die mir bei aller Bewunderung, die ich für sie empfand, allzu kunstvoll, zu vollendet dünkte, gemessen an den Schrecknissen, denen ich kaum entronnen war.12

Seiner jungen Freundin Gisela Dischner gegenüber erinnerte sich Celan am 7. September 1967, dass er „ohne auszusetzen, wie unter Diktat, die ,Todesfuge‘ schrieb“, und am 17. November 1967 erklärte er ganz dezidiert:

Die „Todesfuge“ ist im Frühjahr 1945 in Bukarest entstanden, im Schmerz und aus ihm, unmittelbar.13

Hatte also das Gedicht tatsächlich bereits im Mai 1945 jene Gestalt, in der wir es kennen? Gedruckt wurde es auf jeden Fall zum ersten Mal am 2. Mai 1947 in Bukarest auf Rumänisch in der Zeitschrift Contemporanul, in der Übersetzung des Freundes Petre Solomon. Der Titel lautete hier interessanterweise noch „Tangoul mortii“, also „Todestango“.
Einige Anhaltspunkte, die es zur Entstehung gibt, irritieren. Am 19. Mai 194 7 bat Ernst Schönwiese, der Literaturredakteur des Senders Rot-Weiß-Rot in Wien, den Bukarester Literaturimpresario Alfred Margul-Sperber um Empfehlungen. Dieser schickte ihm im Wesentlichen eine von Celan selbst zusammengestellte Gedichtauswahl, die Sperber im Herbst 1946 auch schon an den Zürcher Literaturredakteur Max Rychner gesandt hatte. Die „Todesfuge“ war darin jedoch noch nicht enthalten gewesen. Jetzt aber, im Frühjahr 1947, fügte Celan sechs weitere Gedichte hinzu, darunter an erster Stelle die „Todesfuge“. Es gäbe also durchaus Indizien dafür, dass dieses Gedicht in seiner bekannten Form erst später in Bukarest entstand, in einem Prozess und nicht in einem herausgehobenen Moment der Eingebung. Aber das muss natürlich eine Spekulation bleiben. Die literarischen Erfahrungen Celans in Bukarest führten jedenfalls zu einer erkennbaren Veränderung seiner Gedichte, die surrealistischen Wortspiele mit seinem Freund Petre Solomon trugen gewiss dazu bei.

Als Partisan des erotischen Absolutismus (…)

(im rumänischen Original: „Partizan al absolutismului erotic“)14 – solche Wörter hatte er in Czernowitz noch nicht gebraucht.
Dennoch ist der spezielle Kosmos der Bukowina und des Habsburg-Nachklangs für Celan grundsätzlich bedeutsam. Besonders der Einfluss Rilkes geht über die frühen Gedichte weit hinaus. Es ist etwas in ihnen angelegt, was auch die weiteren Entwicklungsphasen von Celans Lyrik prägt. Dabei geht es um einen bestimmten Duktus und um die Art, wie Literatur und Leben ineinandergreifen.
In den Anfängen Celans ist der Grundton angeschlagen: in der Art der Reime, der daktylischen Verse, der wehmütig konjunktivisch ausklingenden Zeilen oder dem Enjambement. Das Gedicht „Umsonst malst du Herzen ans Fenster“ spielt unverkennbar auf Rilkes Cornet an. „Kein ankerloses Tasten stört die Hand“, die erste Zeile des chronologisch wohl ersten überlieferten Celan-Gedichts, ruft das Buch der Bilder auf. Zentrale Rilke-Motive wie Herz, Rose, Haus, Stern, Stein oder Baum sind beim jungen Celan allgegenwärtig und werden von ihm zeit seines Lebens weiterentwickelt. Den atmosphärisch dichtesten Eindruck gibt ein Brief Celans vom 2. Juni 1961 an Friedrich Michael wieder, dem früheren Leiter des Insel Verlags:

An die Literaturgeschichte von Heinemann und an das darin vor wohl fünf Lustren aufgeschlagene Rilke-Gedicht habe ich in den letzten Wochen oft gedacht. „… und schreiten einzeln ins Imaginäre“ –: das war für mich, den damals (und „manche Nacht“) bis zu Dehmel Gekommenen, das Ereignis. Und wie mich damals, auf der Straße und im Gehen, die Enjambements aufregten! Es war in Czernowitz, hinter den Bergen also – wo es (…) denn doch keine Leute geben darf –, es war in Czernowitz und in der Armeniergasse, – ja, es war ein Ereignis. C’est là – erlauben Sie es dem Büchner-L e s e r  Paul Celan, es mit diesen welschen Worten zu sagen –, c’est là, ma foi, que la poésie m’a enjambé!15

Die Zeitzeugen aus Czernowitz, die Israel Chalfen für seine Biografie von Celans Jugend befragen konnte, berichten übereinstimmend von einem „Lesekreis“, dem außer Celan anfangs nur Mädchen angehörten und in dem er die Dichtung Rilkes rezitierte. Einmal berichtet Chalfen gar davon, dass Celan so begeistert vom Cornet gewesen sei, dass er eine ganze Nacht durchwandert habe, um Freunden im Nachbardorf daraus vorzulesen:

Es gab ein großes Hallo.16

Das Rezitieren spielte eine äußerst wichtige Rolle. Es ist zum Verständnis Celans wesentlich, dass zu den Gedichten von Anfang an der mündliche Vortrag gehörte – und vor allem auch die Wirkung, die er dadurch erzielte. Bald ging er dazu über, explizit Theater zu spielen und mit Vorliebe Shakespeare-Szenen vorzuführen. Edith Silbermann erinnert sich, dass Celan dabei „mit Vorliebe den Part der Frauen, z.B. die Ophelia oder die Julia“ sprach, und fügt hinzu:

Da er auch ein guter Stimmenimitator war, fiel es ihm – nicht zuletzt durch sein gewinnendes Äußeres – nicht schwer, der Mittelpunkt jedes geselligen Beisammenseins zu werden.17

Die Czernowitzer Welt, die sich durch die deutsche Literatur über ihre Eigenarten verständigte, prägte den Dichter Paul Celan auf besondere Weise. Es ging dabei nicht um die Gegenwart und um Zeitgeschichte, sondern um eine klar konturierte, kulturell definierte Vergangenheit. Und es gab dafür einen eindeutigen Bezugspunkt. „Das Erreichbare, fern genug, das zu Erreichende hieß Wien“,18 sagte er in seiner Bremer Rede über das Lebensgefühl in seiner schon bei seiner Geburt dem rumänischen Staatswesen zugeschlagenen Heimat. Wien: Das war dabei in erster Linie das Burgtheater und die dort gepflegte Kunst der deutschen Sprache. Es ist von erheblicher Bedeutung, dass es auch bis weit in die dreißiger Jahre hinein viele Gastspieltourneen deutschsprachiger Theater in Czernowitz gab. „Das Stadttheater war immer gut besucht, bei Gastspielen ausverkauft“ heißt es in einem biografischen Rückblick Rose Ausländers, in dem sich auch einige vielsagende Sätze über den Lebensstil des „intellektuell orientierten Teils der Bevölkerung“ finden: „Weltfremdheit und Nichtbeachtung der umdüsterten Realität als Ausdruck des Lebens in einer als ,wesentlichere Wirklichkeit‘ empfundenen Welt der Ideen und Ideale“19 – die Kunst also als wichtigster Orientierungspunkt, der über die reale politische Situation hinausweist und sie transzendiert.
Der alles überragende Schauspieler dieser Jahre war bis zu seinem Tod 1935 Alexander Moissi, ein von Tournee zu Tournee reisender Bühnenstar aus Triest, dessen Muttersprache Italienisch war, der aber in Berlin und Wien berühmt wurde. Sein Deutsch hatte einen charakteristischen mediterranen Akzent, etwas Fremdes, Singendes, das aber gerade deswegen nach der Erfahrung des Ersten Weltkriegs eine neue Grundspannung vermittelte, eine Theatralik, die bis ins Letzte der Empfindungen ging. Vor allem bei seinen Soloauftritten sprachen ihm die zeitgenössischen Beobachter schier hypnotische Fähigkeiten zu.
In Czernowitz wurde ein mehrtägiges Gastspiel von ihm legendär. Und das hatte auch mit den veränderten politischen Umständen zu tun. Moissi spielte den Franz Moor in Schillers Räubern in der Zeit, als Czernowitz erst vor wenigen Jahren rumänisch geworden war. In einer nationalistischen Aktion sprengten rumänische Studenten die Vorstellung und initiierten einen Kampf um die Sprache. Moissi aber blieb noch eine Woche lang in der Stadt und trat jeden Abend im Musikverein auf. Er rezitierte dabei die herausragenden Stücke aus seinem Repertoire, in seinem italienischen, ein bisschen auch ins Östliche reichenden Deutsch, denn sein Vater war Albaner gewesen – und dass sich sein Deutsch in diesen Tagen untrennbar mit dem in ähnliche Richtungen weisenden Czernowitzer Deutsch verband, erschien wie ein zwangsläufiges Ergebnis der allgemeinen Situation.
Für Celan muss die Fama dieses Moissi-Aufenthalts eine nachhaltige Wirkung gehabt haben. Wenn man nämlich die früheste Rundfunkaufnahme hört, die es von ihm gibt – sie wurde wenige Tage nach seinem Auftritt bei der Gruppe 47 im Mai 1952 im Studio des NWDR in Hamburg aufgenommen –, wird man unmittelbar an die wenigen Tonaufzeichnungen Moissis erinnert. Es gibt Schellackplatten, auf denen dessen Stimme mit seinen Smash-Hits zu hören ist: Das „Schlaflied für Mirjam“ des Wiener Fin-de-siècle-Proragonisten Richard Beer-Hofmann gehört dazu, Emile Verhaerens Gedicht „Novemberwind“ oder eine Partie aus Shakespeares Hamlet-Monolog „Sein oder Nichtsein“. Diese sehr einprägsame Stelle trägt Moissi in einer Weise vor, die wie aus der Zeit gefallen scheint und in frühe Märchen- und Sagenwelten führt: „schlafen, schlafen, vielleicht auch träumen“ – er dehnt die Silben genauso wie die Pausen zwischen den Worten. Es ist eine sich in unnennbare Sehnsüchte hineinfühlende Artikulation, leise und eindringlich, identifikatorisch und illusionistisch und musikalisch ausschwingend, ganz das Gegenteil dessen, was sich dann nach 1945 als schauspielerische Haltung durchgesetzt hat. Paul Celans Lesung seiner Gedichte indes ist in der Tonlage, in der Art und Weise, Wirkung zu erzeugen und die Sprache klingen zu lassen, Moissi zum Verwechseln ähnlich: „So schlafe, und mein Aug wird offen bleiben (…)“ – er „singt“ genauso wie der große Schauspieler. Die Beeinflussung durch einen Vortragsstil, den Moissi in den zwanziger und dreißiger Jahren zur Perfektion getrieben hatte und der durch den Geschichtsbruch in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts für viele nicht mehr zeitgemäß erschien, ist hier unverkennbar. Es ist ein verblüffender Effekt: Selbst in der Modulation seiner Stimme, seiner dialektalen Färbung, die dem tranceartigen Gleiten erst den unverwechselbaren Charakter verleiht, sind sich Moissi und Celan nahezu gleich.
Es geht Celan um einen Zauber, den er in den glücklichen Jahren des Abiturs in Czernowitz erlebt hat, bei den Rilke-Rezitationen und den Theaterszenen, es geht ihm vielleicht so wie Stefan Zweig, der über Moissi schrieb:

Die Stimme schmeichelt sich selber, rollt wie eine Katze ihren Knäuel spielend die Treppe hinauf und hinab, den angesponnenen Gedanken in musikalisch steigenden und abfallenden Oktaven die ganze Skala des klingenden Kehlinstruments entlang. Manchmal schließt man einen Liderschlag die Augen, um seine Rede nur als Musik zu fühlen…20

Es ist allerdings ein Balanceakt, eine Spannung, deren existenzielle Dimension unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Franz Kafka hatte hier einen besonderen Instinkt. Am 28. Februar 1912, nach einem Vortragsabend Moissis in Prag, vertraute Kafka sich seinem Tagebuch an, durchaus ein bisschen verstört und irritiert – und wer will, kann bei ihm bereits heraushören, wie parallel dazu Celans Vortragsweise wahrgenommen werden konnte:

Singen einzelner Verse gleich zu Beginn zum Beispiel: „Schlaf Mirjam, mein Kind“, ein Herumirren der Stimme in der Melodie; scheinbar wird nur die Zungenspitze zwischen die Worte gesteckt; Teilung des Wortes November-Wind, um den „Wind“ hinunterzustoßen und aufwärts pfeifen lassen zu können. – Schaut man zur Saaldecke, wird man von den Versen hochgezogen.

Und weiter:

Manche Worte wurden von der Stimme aufgelöst, sie waren so zart angefasst worden, dass sie aufsprangen und nichts mehr mit der menschlichen Stimme zu tun hatten, bis dann die Stimme notgedrungen irgendeinen scharfen Konsonanten nannte, das Wort zu Ende brachte und schloss.21

So, wie Celan seine Gedichte bei der Gruppe 47 gelesen hat, hat er sie auch kurz danach im Rundfunkstudio gesprochen. Er war dadurch bestätigt worden, dass er direkt nach seinem Auftritt in Niendorf einen Verlagsvertrag angeboten bekam und nun das erste Rundfunkhonorar in Aussicht stand, etwas, was für einen freien Schriftsteller in diesen Jahren den Königsweg darstellte. Der Czernowitzer Theaterton war für ihn ein Halt. Er gehörte zur deutschen Sprache, die ihm allein noch zur Verfügung stand als Möglichkeit, sich zu verorten. Man bekommt beim Hören dieses Tonbands eine Vorstellung davon, wie es auf seinem viel umraunten Auftritt vor der durchaus heterogenen Gruppe 47 geklungen haben mag – und wie fern das wohl einigen erschienen ist. Die Sozialisation der dort versammelten deutschsprachigen Dichter war eine völlig andere als die Celans: Einige hatten den Nationalsozialismus in Deutschland schon als Erwachsene erlebt und waren durchdrungen von dem Verlangen, dass eine literarische Sprache nach dieser geschichtlichen Katastrophe nur radikal nüchtern und sachlich sein könnte. Zudem war die Großstadt des zwanzigsten Jahrhunderts, vor allem Berlin, aber auch Frankfurt, München oder Hamburg, als Erfahrungsraum für die meisten der Beteiligten gegenwärtig. Wenn es um Lyrik ging, bewegte man sich zwischen so entgegengesetzten Polen wie Erich Kästner und Gottfried Benn, und gesprochen konnte man sich Gedichte nur so vorstellen, wie es solche Dichter taten: karg, ohne große Variationen der Stimmlage.
Celan bewegte sich allein durch die Art seiner Vortragsweise in einem völlig anderen Koordinatensystem, und der eine oder andere der bei der Gruppe 47 Versammelten, vor allem ihr Chef Hans Werner Richter, assoziierte dabei automatisch die Lyrik, gegen die man sich wandte und die in den frühen Jahren der Bundesrepublik vorherrschte: die religiöse Dichtung eines Rudolf Alexander Schröder etwa. Damit hatte Celan zwar nichts zu tun, aber manche Hörer konnten ihn kaum woanders einordnen. Obwohl Celan auch sofort Fürsprecher fand, vor allem bei den zahlreichen jüngeren Teilnehmern der Tagung und der mit ihm angereisten Gruppe aus Wien – eine Irritation blieb.
Sie ist auch in den Erinnerungen spürbar, die einige der damals Anwesenden noch mehr als vierzig Jahre später zu Protokoll gaben. Walter Hilsbecher meinte hier zwar, dass ihm von den Vortragenden Bachmann und Celan den „bedeutendsten Eindruck“ machten, aber er fügte sofort hinzu:

Celan hatte es schwer allein durch die Art seines Vortrags.22

Heinz Friedrich betonte ebenfalls sein „Unverständnis“ bei der Lesung Celans: Es „resultierte sicher auch aus dem larmoyanten Vortragsstil des Autors“.23 Und Günter Grass, der mehrere Jahre in Paris wohnte und in dieser Zeit mit Paul Celan durchaus enger befreundet war, sagte 1996, trotz aller Bewunderung und Verbundenheit, in einem Radiointerview immer noch kopfschüttelnd, dass Celan mitunter etwas „Priesterliches“ gehabt habe:

Das Merkwürdige ist, dass er dieses Priesterliche selbst herstellte. Das war unerträglich, so verschmockt, mit Kerzenlicht und so. Er sah den Dichter als Seher, und dann ist der Schritt zum Priester und diese Stefan-George-Weihe naheliegend. Natürlich war er auch ein Darsteller seiner selbst. Natürlich ist das so, wenn man wie Stefan George auftritt: dann stellt man ihn dar! Und das in einer Zeit wie dieser! Mich stieß das ab, und das sagte ich ihm: die Art wie er die Gedichte liest und wie er sich darstellt, das würde seinen Texten widersprechen. Er war ein miserabler Interpret seiner Gedichte.24

Andererseits gibt es etliche Stimmen, die Celans Gedichtlesungen auch als magische Erlebnisse schildern, Hans Mayer etwa erinnerte sich an Auftritte Celans in Tübingen und Hannover, bei denen „es ihm nach wenigen Momenten gelungen“ war, „den Bannkreis zu ziehen“.25 Und Gisela Dischner, die als Literaturwissenschaftlerin später auch ein großes Buch über Rilke schrieb, erinnert sich:

Er war ein wunderbarer Vorleser – nicht nur seiner eigenen Gedichte. Er las mit einem langen Atem, und dies ließ mich länger und tiefer durchatmen – die ,Atemwende‘ vom Ein- zum Ausatmen bewusst erlebend. Er realisierte, wovon er in den Gedichten sprach.26

Es bleibt etwas Widersprüchliches, ein Zusammentreffen verschiedenster Zuschreibungen, die für Celan charakteristisch sind. Er war in der Bundesrepublik nicht nur seinen Gegnern, sondern des Öfteren auch seinen Freunden fremd. Und der Keim dafür liegt vielleicht in einer harmlos erscheinenden Begebenheit, die Celan am 18. November 1954 in einem Brief an Hans Bender beschrieb:

Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Warum meines Dichtens habe ich mich auf meine erste Begegnung mit der Poesie zu besinnen versucht: ich war sechs Jahre alt und konnte „Das Lied von der Glocke“ aufsagen… Wer weiß, ob der Eindruck, den das auf meine Zuhörer machte, nicht alles Weitere ausgelöst hat…27

 

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Inhalt

Kapitel 1
Lesebuchreif
Die Rezeption der „Todesfuge“ und der Nachruhm

Kapitel 2
Schlafen, schlafen, vielleicht auch träumen
Im Spannungsfeld zwischen Rilke, den Rezitationen Alexander Moissis und der Gruppe 47

Kapitel 3
Der größte aller Abendkönige
Die Suche nach Anerkennung in der Bundesrepublik. Demus, Jünger, Mohler

Kapitel 4
Knüppelpfade und Holzwege
Die Faszination durch den Dichtungsbegriff Martin Heideggers

Kapitel 5
Manchmal wird der Genius dunkel
Friedrich Hölderlin als Identifikationsfigur

Kapitel 6
Von der Meute gehöhnt
Celan und seine höchst unterschiedlichen Freunde. Böll, Schroers, Grass

Kapitel 7
Das Freiburger Dilemma

Die Germanistikprofessoren Gerhart Baumann und Gerhard Neumann

Anmerkungen
Ausgewähltes Literaturverzeichnis
Register

 

Auf Knüppelpfaden und Holzwegen

war er unterwegs, der Ausnahmedichter Paul Celan. Bis heute ist das Bild, das man sich von ihm macht, geprägt von Missverständnissen, falschen Vorstellungen und heroischen Romantisierungen.
Zum „Schmerzensmann“ und in die Rolle des „jüdischen Opfers“ stilisiert, wurde der Dichter auf vertrackte Weise ein „ideales Vehikel für die allgemeine Verdrängung“, so Helmut Böttiger, seine „Todesfuge“ avancierte zum Schulgedicht, der Rest des Werks trat dagegen zurück.
Dass Celans Suche nach einer neuen dichterischen Sprache ihn paradoxerweise (vergeblich) die Nähe Ernst Jüngers, Martin Heideggers oder sogar von Figuren wie Rolf Schroers suchen ließ, während er mit der Sprachhaltung seiner Freunde Böll und Grass wenig anfangen konnte, wurde dabei oft übersehen oder passte nicht ins Bild. Helmut Böttiger zeichnet Leben und Werk Celans vor dem Hintergrund des literarischen Betriebs seiner Zeit. Dabei entsteht ein ganz neuer Blick auf Celan.

Dieses explosive Buch öffnet ein neues Kapitel der Beschäftigung mit Paul Celan.
Der von Celan „Denk-Herr“ genannte Martin Heidegger, Ernst Jünger, Armin Mohler und andere – die konservativen Vertreter des deutschen Geistes, deren Nähe Celan ihres Zugangs zu Sprache wegen suchte, lehnten ihn ab; Böll, Grass, Enzensberger – die Linken, die ihn verehrten, blieben ihm fremd.
An kaum einem Autor zeigen sich die Verwerfungen der deutschen Nachkriegszeit deutlicher als an Paul Celan. Helmut Böttiger zeichnet Leben und Werk Celans vor dem Hintergrund der geistesgeschichtlichen Diskussionen seiner Zeit.

Galiani Berlin, Klappentext, 2020

 

Beiträge zu diesem Buch:

Alexander Kluy: Ich bin die Poesie
Buchkultur, Heft 189, 2/2020

Celans Zerrissenheit – Veranstaltung im Literaturhaus Stuttgart am 24.7.2020 mit dem Autor Helmut Böttiger und der Moderatorin Anat Feinberg.

Iris Radisch: „Etwas ist faul im Staate D-Mark“
Die Zeit, 20.4.2020

 

 

FÜR PAUL CELAN

Jetzt, da die Nekrologe schweigen,
Vergessen herabfällt, ein Abendtau,
will ich reden zu dir von den klaren
Tagen der Normandie.

Ging auch der Tod nachts
über die Bohlen im Takt deiner Schritte,
floh er doch fort
mit der steigenden Sonne, wurde
punktklein, einem Vogel am Himmel gleich.
Und Licht kam herauf, viel Licht, Lachen
übertönte der Unterirdischen
Grollen –

Auch hier ist Osten.

Dein Wort hielt zusammen
das Floß, im Hafen,
gebaut am Fuße des Nußbaums.
Das Floß war aus Worten. Es fuhr uns,
bestreut mit dem rötlichen Nußlaub der Dämmerung,
mit nächtlichem Weißgold,
in die kyrillischen Weiten, bis nach Odessa…

Vom Nachbargehöft schrie plötzlich der Tod, er hatte sich
verkleidet in den zerschossenen Kopf eines Bauern.
Aber der Tage Helligkeit
widerstand ihm. Buchstaben blühten
von morgens bis spät
im klaren, normannischen Luftstrom.
Davon wollen wir reden, wenn deine Stimme
aufersteht in meinem Gedächtnis.
Sagen wollen wir:
Es hat, wer nach der Finsternis griff,
nicht im Dunkeln gelebt.

Walter Neumann

 

Christine Ivanovic: Celan und kein Ende? Möglichkeiten und Grenzen des „Umgangs“ mit Person und Werk

Walter Jens: Leichtfertige Vorwürfe gegen einen Dichter, Die Zeit, 9.6.1961

Hans Mayer: Erinnerung an Paul Celan, Merkur, Heft 272, Dezember 1970

Harald Weinrich: Befangenheit vor Paul Celan, Die Zeit, 23.7.1976

Helmut Böttiger: „Alle Dichter sind Juden“. Der Auftritt Paul Celans bei der Gruppe 47 im Mai 1952

Schwarze Flocken. Über Paul Celan, Die Zeit, 27.10.1995

Wo ich mit meinen Gedanken bin, Die Zeit, 27.10.1995

Hans Ulrich Gumbrecht: Am Rand des Verstummens. Paul Celans poetisches Werk kam aus der Katastrophe – und mündete in sie, Neue Zürcher Zeitung, 10.9.2022

Zwischen „Grabschändern“ und „Linksnibelungen“ – Wolfgang Emmerich im Gespräch mit Michael Braun über Paul Celans Verhältnis zu Deutschland und seinen deutschen Kritikern

Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Kehraus mit Celan

Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.

 

Paul Celan: Dichter ist, wer menschlich spricht. Ein Film von Ulrich H. Kasten und Hans-Dieter Schütt mit Eric Celan und Bertrand Badiou.

 

Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.

 

 

Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.

 

„wir wissen ja nicht, was gilt“ – Paul Celan zum 100. Geburtstag

 

Ein Abend zu Paul Celan am 18.5.2020 im Literaturhaus Berlin mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Es moderiert Eveline Goodman-Thau.

 

Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.

 

Erreichbar, nah und unverloren. Reisen zu Paul Celan. Teil 1. Gespräch mit Helmut Böttiger.

 

Todesfuge – Biographie eines Gedichts. Alexander Suckel im Gespräch mit Thomas Sparr am 17.4.2020 im Literaturhaus Halle.

 

„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.

 

Paul Celan in Europa – Videogespräch am 22.9.2020 im Rahmen der trilateralen Forschungskonferenzen 2020–2023 in der Villa Vigoni.

 

Paul Celan übersetzen – Gabriel Horatiu Decuble im Gespräch mit Ton Naaijkens und Alexandru Bulucz, Moderation Ernest Wichner am 6.11.2021 im Literaturhaus Halle im Rahmen der Tagung „Was setzt über, wenn Gedichte übersetzt werden“.

 

Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.
Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.

 

„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll

 

Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969

Zum 50. Todestag von Paul Celan:

Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020

Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020

Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020

Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020

Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020

Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020

Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020

Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020

Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020

Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020

Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020

Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020

Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020

Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020

Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020

Evelyne Polt-Heinzl: Paul Celan Ein Migrant in Wien
Die Furche, 8.4.2020

 

 

Zum 100. Geburtstag von Paul Celan:

Björn Hayer: Herzhell leuchten die Toten

Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020

Klaus Demus: „Eine sehr große Freundschaft“
literaturoutdoors.com, 22.11.2020

Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020

Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020

Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020

Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020

Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020

Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020

Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020

Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020

Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020

Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020

Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020

Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020

Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020

Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020

Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020

Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020

Nikolaus Halmer im Gespräch mit Barbara Wiedemann: Paul Celan: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“
Die Furche, 11.11.2020

Harald Seubert: Lieder jenseits der Menschen und kodierte Zeit: Paul Celan (1920–1970). Zum Gedenken
youtube.com, 15.6.2020

Celebrating Paul Celan: An Evening with Pierre Joris and Paul Auster
youtube.com, 21.11.2020

Stadtführung „Auf den Spuren von Paul Celan“
youtube.com, 10.9.2020

Paul-Celan-Literaturtage 2020. Videopräsentation vom Paul Celan Literaturzentrum Czernowitz

Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern

Online-Begleitprogramm zur Ausstellung Paul Celan – Meine Gedichte sind meine Vita

 

 

West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020

Eröffnung

 

Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“

 

„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan

 

Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel

 

Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts

 

„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan

 

Betreten. Zum Anfang von Engführung

 

Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung

 

„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch

 

Fakten und Vermutungen zu Paul Celan + Instagram + ÖM + IZA 1 & 2 + IMDbKLGPCLZ + PCLZKanal + Archiv 1 & 2 + Internet Archive +Kalliope + Georg-Büchner-Preis 1 & 2
Porträtgalerie: Keystone-SDA
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Nachrufe auf Paul Celan: Neue Literatur ✝︎ NZN



Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + Instagram + IZA + Kalliope

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