ALFRED MOMBERT
Gott ist vom Schöpferstuhl gefallen
hinunter in die Donnerhallen
des Lebens und der Liebe.
Er sitzt beim Fackelschein
und trinkt seinen Wein
zwischen borstigen Gesellen,
die von Weib und Meerflut überschwellen.
Und der Mond rollt über die Wolkenberge
durch die gestirnte Meernacht,
und die großen Werke
sind vollendet und vollbracht.
1897
aus: Alfred Mombert: Dichtungen. Bd. I. Kösel-Verlag, München 1963
Es ist ein ungeheurer Akt der Profanierung, ein Thronsturz des Schöpfergottes, den hier der lyrische Kosmiker Alfred Mombert (1872–1942) in seinem frühen Gedichtband Die Schöpfung (1897) inszeniert. Die Vorstellung vom herabstürzenden Gott, der „in die Donnerhallen des Lebens“ gelangt und dort auf entschlossene Tatmenschen trifft, ist der Gedankenwelt Friedrich Nietzsches (1844–1900) entlehnt.
Mit seiner visionären, sprachlich-musikalischen Verschmelzung von Religion, Geschichte und Philosophie steht Mombert an der Schwelle zum literarischen Expressionismus, als dessen „Wegbereiter“ er gilt. Der Sohn eines jüdischen Kaufmanns wurde 1940 in Heidelberg von der Gestapo in das Konzentrationslager Gurs in Südfrankreich verschleppt. Schweizer Freunde erwirkten 1941 ein Asyl in der Schweiz. Mombert starb 1942 in Winterthur an den Folgen der Lagerhaft.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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