Christian Hofmann von Hofmanswaldaus Gedicht „Die Welt“

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CHRISTIAN HOFMANN VON HOFMANSWALDAU

Die Welt

Was ist die Welt und ihr berühmtes Glänzen?
Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?
Ein schnöder Schein in kurtz-gewölckter Nacht;
Ein bundes Feld, da Kummer-Disteln grünen;
Ein schön Spital, so voller Kranckheit steckt;
Ein Sklavenhaus, da alle Menschen dienen,
Ein faules Grab, so Alabaster deckt.
Das ist der Grund, darauff wir Menschen bauen,
Und was das Fleisch für einen Abgott hält.
Komm, Seele, komm, und lerne weiter schauen,
Als sich erstreckt der Circkel dieser Welt.
Streich ab von dir derselben kurtzes Prangen,
Halt ihre Lust für eine schwere Last;
So wirst du leicht in diesen Port gelangen,
Da Ewigkeit und Schönheit sich umfaßt.

1647/48

 

Konnotation

Das Dichten in Antithesen und rhetorischen Zuspitzungen war die Domäne des Barockdichters Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1616–1679), der als Repräsentant der spätbarocken Dichtkunst mit ihrer Vorliebe für Formspiele und Ornamentik gilt. In einer ganzen Reihe von Gedichten hat er die Frage nach der Essenz des irdischen Daseins gestellt und dabei immer wieder das Vergänglichkeits- bzw. Vanitas-Motiv ins Zentrum gerückt.
Die zwei Elementarfragen nach der „Welt“, die das um 1647/48 entstandene Gedicht stellt, werden mit fünf paradoxen Fügungen beantwortet: Die „Pracht“, „Buntheit“ und „Schönheit“ des weltlichen Daseins unterliegen stets der Erfahrung von Krankheit und Vergänglichkeit. Der christliche Hintergrund des Gedichts erhellt aus dem hier betonten Gegensatz von sterblichem „Fleisch“ und der auf Unvergänglichkeit hoffenden „Seele“. In der epigrammatischen Pointe am Ende wird ein Zustand der „Ewigkeit“ in Aussicht gestellt, der die illusorische, da kurzfristige „Lust“ überwindet und eine überirdische Harmonie („in diesen Port“) verheißt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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