Georg Trakls Gedicht „Im Winter“

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GEORG TRAKL

Im Winter

Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten
Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.

1913

 

Konnotation

Es bleibt nichts mehr übrig als ein Gefühl wilder Verzweiflung und des Grauens über dieses chaotische Dasein; lassen Sie mich verstummen davor.“ Diese briefliche Mitteilung Georg Trakls (1887–1914) an seinen Förderer Ludwig von Ficker, abgefasst im März 1913, liest man wie ein existenzielles Signum seines Dichterlebens.
In den Gedichten des Salzburger Unglücksmannes stößt man auf immer dieselben Topoi und Motivkreise: auf Schweigen, Kälte, Schuld, Verfall und Verwesung. Im Wintergedicht, das in Trakls erstem Gedichtband aus dem Jahr 1913 zu finden ist, scheint die Natur in einer universellen Erstarrung eingefroren, die verbliebenen Zeichen des Lebendigen umweht eine Bedrohung. Der umarmende Reim verstärkt noch den Effekt der Einschließung. Zwar flackert noch ein Licht aus menschlichen Behausungen, aber der dritten Strophe dominieren die Bilder des Unheils und der Gewalt: das verblutende Wild, die „blutigen Gossen“ und das „aufgeschossene“ Rohr.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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