Heinz Pionteks Gedicht „Einfache Sätze aus dem Jahr 68“

HEINZ PIONTEK

Einfache Sätze aus dem Jahr 68

Jemand läßt durchblicken, daß er
gegen die Zeit ist.

Jemand protestiert mit seinem Transparent
gegen Transparente.

Andere haben gleichschenklige
Dreiecke im Kopf.

Die Aufklärung nimmt zu.
Es wird dunkel.

Neue Bücher ergeben neue
Transparente.

Die Zukunft soll
rothaarig sein.

Über die Zukunft
sprechen wir morgen.

1968

aus: Heinz Piontek: Die Gedichte. Schneekluth Verlag, München 1982

 

Konnotation

Nur wenige Jahre, etwa von 1957 bis 1964, stand die Dichtung des aus Oberschlesien stammenden Lyrikers Heinz Piontek (1925–2003) in hohem Ansehen. Es war die Blütezeit des Naturgedichts, das Piontek mit seinen ersten drei Gedichtbänden – v.a. mit Wassermarken (1957) – fleißig bediente. Später wurde seine Lyrik strenger, verhaltener, konzentrierter. Die Ideale der aufkommenden Studentenbewegung konterte Piontek mit kühlem Lakonismus.
In diesem ersten Teil seines langen Gedichts „Einfache Sätze aus dem Jahr 68“ zerlegt der poetische Konservative Piontek die politischen Erhitzungen der APO-Generation ironisch in paradoxe Zweizeiler. Die Parolen der kulturrevolutionären Linken hatten selbst oft nur plakative Sätze gegen die Plattheiten des „Systems“ zu bieten. Piontek mokiert sich über den Leerlauf dieser Parolen, indem er sie in Banalitäten und Redundanzen übersetzt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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