KARL KROLOW
Exit
Die letzte Krankheit. Man wird ganz allein sein
mit Apparaten. Und Dein- und Mein-Sein
ohne Unterschied in der Agonie.
Man wird so schmutzig oder so rein sein
und ohne Schuld und ohne Verzeihn sein
nach der letzten, tödlichen Therapie.
1990er Jahre
aus: Karl Krolow: Gesammelte Gedichte 4. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1997
Karl Krolow (1915–1999) startete bereits in den Jahren des Dritten Reichs seine literarische Karriere – mit unpolitischen Naturgedichten. Doch erst in den 1950er Jahren trat er als Protagonist einer offiziellen Verskultur hervor, die sich in der Nachfolge eines Wilhelm Lehmann dem Naturgedicht verschrieb. Krolow zeigte sich in den 50 Jahren seines Schreibens als sehr entwicklungsfähig: Bis in sein Alterswerk hinein lassen sich in Abständen immer wieder stilistische Sprünge ausmachen, Verjüngungen des eigenen Werks, die sich in den späten Gedichten finden lassen, die sich vor allem dem Alter und dem näher rückenden Tod widmen.
„Mein eigenes Verschwinden“, so hat Krolow einmal das Thema seiner späten Gedichte selbst benannt, kommt in „Exit“ auf eine seltsam gefasste Art zur Sprache. Mit den Doppelreimen an den Versenden und eingestreuten Binnenreimen nehmen diese sechs fünfhebigen Verse die Liedhaftigkeit eines Blues an. Das lyrische Subjekt scheint das eigene Verschwinden leicht zu nehmen, weiß es doch vorgeblich, dass Leben eine Folge von Agonien ist, auf die je Therapien folgen.
Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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