KARL KROLOW
Was tu ich?
Was tu ich? Ich weiß nicht: mitunter
weiß ich nicht mehr, was ich tu.
Es geht ein Vorhang herunter.
Ich sehe dem Ende zu.
Ich lese. Ich schreibe. Das sagt sich
einfach. Doch scheint es nur so.
Ist das alles? fragt man und fragt sich
es selten genug. Man beklagt sich
doch lieber und glaubt, nirgendwo
sei noch etwas zu tun, es sei nutzlos,
noch etwas von dem zu machen,
was andere taten. Ganz schutzlos
lebt sichs fort unter Siebensachen.
1985
aus: Karl Krolow: Gesammelte Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1997
Das stoische Thematisieren der letzten Dinge und die ruhige Annäherung an das eigene Lebensende: Das ist die lyrische Passion des späten Karl Krolow (1915–1999), der in seinem letzten Lebensjahrzehnt in über dreihundert Gedichten das Motiv der Vergänglichkeit durchspielt. Wie virtuos er den lakonischen Reim und den lässigen Zeilensprung handhabt, zeigt auch ein Poem in locker gefügten Volksliedstrophen, das kurz nach dem 70. Geburtstag Krolows entstand.
Das lyrische Ich versucht seine Position des Schreibens gegen alle Anfechtungen und Zweifel, die an seinem Identitätsbewusstsein nagen, zu verteidigen. Die Lebensbilanz fällt jedoch ernüchternd aus. Gegen das Gefühl der „Nutzlosigkeit“ der eigenen Existenz ist selbst durch Poesie kaum anzukommen. Wie nur wenige andere vermittelt dieses Gedicht die Abgründigkeit der Sinnfrage nach individueller Legitimität. Eine optimistische Antwort bleibt aus.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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