Kurt Martis Gedicht „es war eine gute ehe“

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KURT MARTI

es war eine gute ehe

es war eine gute ehe
sie blieben sich treu
es war eine gute ehe
nicht das geringste geschah
es war eine gute ehe
die stark war wie stahl
es war eine gute ehe
die still war wie stein
es war eine gute ehe
nicht das geringste geschah
es war eine gute ehe
jetzt ist das gefängnis gesprengt

1999/2000

 

Konnotation

Seit über einem halben Jahrhundert demonstriert der 1921 geborene Dichter und Pfarrer Kurt Marti, dass Poesie und Politik keine unvereinbaren Sphären sein müssen. Mit dialektischem Wortwitz und sprachkritischer Aphoristik versucht er in seinen Gedichten gesellschaftliche und moralische Schieflagen kenntlich zu machen. Seine lyrische Befreiungstheologie verbindet er mit Mahnungen zu Zivilcourage und praktizierter Nächstenliebe.
Dass die mustergültige Erfüllung gesellschaftlicher Konventionen nicht vor lebenspraktischem Scheitern schützt, illustriert seine um 1999/2000 entstandene Miniatur über Glück und Unglück einer Durchschnittsehe. Die unverbrüchliche Zweisamkeit der Eheleute scheint hier durch gewaltsame Normierung erkauft worden zu sein. Aus dieser Perspektive erscheint die Institution Ehe als ein lebloses Konstrukt – so dass ihr Scheitern als Ausbruch aus einer Gefangenschaft erlebt werden kann.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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