Kurt Schwitters’ Gedicht „Ich sing mein Lied“

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KURT SCHWITTERS

Ich sing mein Lied

Ich sing mein Lied in tiefen Raum, ………..man hört es kaum.
Es dringt hervor aus tiefer Brust …………………mir unbewußt.
Es singt Dir eine Melodie …………………………….jetzt oder nie.
Hast Du mich nun noch nicht erhört ………….bin ich empört
Und trinke Lindenblütentee …………………..der mildert Weh,
Und frage mich: „Was bist denn Du …………….Du alte Kuh?“

um 1913

aus: Kurt Schwitters: Das literarische Werk. Bd. I: Lyrik, DuMont Buchverlag, Köln 1973

 

Konnotation

Der hier sein ironisches Lied singt, hat noch nicht seine unverwechselbare Stimme gefunden. Der Universalkünstler und Literaturrevolutionär Kurt Schwitters (1887–1948) schrieb sein „Lied“ um 1913, kurz vor jener epochalen Umwälzung des Futurismus und Dadaismus, die der Autor als den eigentlichen Beginn seines lyrischen Werks ansetzte. Der sentimental-romantische Ton seiner frühen Gedichte wird aber hier schon ironisch konterkariert.
Wenn sich im ersten Teil des jeweiligen Verses ein feierlicher Ton Bahn brechen will, wird er im zweiten Teil umgehend durch Bagatellisierung ironisch ausgebremst. Der Sänger, aus dessen „tiefer Brust“ das „Lied“ hervordringt, erscheint als lächerliche Figur. Der Konsum von „Lindenblütentee“ eignet sich kaum für heroische Selbststilisierungen. Am Ende folgt dann der Gipfel der Selbstverspottung: Der Dichter als alte Kuh – erhabene Dichterpriester sehen anders aus.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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