NICOLAS BORN
Abonnement
Viel passiert zwischen meinen paar Wänden
manches habe ich unter Putz gelegt.
Die Zeitungen bringen Unruhe und Hitze herein
halb ohnmächtig krieche ich durch die Nachrichten.
aaaaaaaGerädert von Todesarten, gefüllt mit Suppe
mach ich mich fit für die Nachtausgabe
dazu gehört ein Gang durch die Umgebung.
aaaaaaaVom Lesen und Blättern wund und schwarz
hat es mir wenig genützt
täglich für Groschen
die Lügen der Welt zu kaufen.
aaaaaaa02Ich bin abonniert
auf Stapel von Unglück und Revolution
Berichte von der Gartenschau machen mich befangen.
1964
aus: Nicolas Born: Gedichte. Hrsg. von Katharina Born. Wallstein Verlag, Göttingen 2004
Das große Erwachen der „Außerparlamentarischen Opposition“ in der Bundesrepublik des Jahres 1967 bedeutete – zunächst unmerklich – auch für das literarische Leben eine Zäsur. In Abgrenzung zu den damals grassierenden Konzepten einer literarischen Politisierung forderte der Dichter Nicolas Born (1937–1979), der wichtigste Repräsentant einer „Neuen Subjektivität“, eine Poesie der „rohen, unartifiziellen Formulierung“, in der die Alltagswirklichkeit „direkt“ angegangen wird.
In Borns Debütband Marktlage von 1967 artikuliert sich schon jenes lyrische Subjekt, das von Peter Handke später für seine „weltoffene Nervosität“ gerühmt wurde. Es ist ein instabiles, unruhiges Ich, das sich neugierig in die Welt hinein tastet und nach verlässlichen Orientierungen sucht. Das Ich dieses 1964 entstandenen Gedichts scheint schon zermürbt zu sein von den Nachrichten des universellen Verhängnisses, die in den Medien zirkulieren. Das lyrische Alltagsprotokoll zeigt einen passiven Beobachter der politischen Verhältnisse, der keinen Standort mehr findet jenseits der „Lügen der Welt“.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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