DIE AUGENBLICKE KEHREN WIEDER
tausend Sonnenuntergänge hinter Straßenbahnleitungen in den offenen Himmeln von
aaaaaWarschau –
Der Kulturpalast dunkle chinesische Gipfel gegen den
aaaaahellroten Nebel des Horizonts –
eine eiserne Straßenbahn fährt vorüber Insekten-
aaaaaAntennen sprühen blaue Funken, ein Mann mit
aaaaaHut humpelt an blätternden Wohnmauern
aaaaavorbei –
Christus in Kapellen unter weißem Satinglanz – zitternde
aaaaaFinger auf dem langen Rosenkranz – erwartet die
aaaaaWiederauferstehung
Sterblicher alter roter fetter Jack in Florida – Tränen in schwarzen Wimpern, Bachs Abschied
aaaaaan das Kreuz –
Vor 24 Jahren war es, daß Sebastian Sampas auf einem zerkratzten Plattenspieler adieu zur
aaaaaErde sagte –
ich hielt auf dem Pflaster, das Warschauer Konzert zu erinnern, dumpfe traurige Pianos
aaaaakrachen wie Bomben, himmlische Melodie
in einer Küche im Ozone Park – Alles wurde wahr im Sonnenuntergang auf einer verlassenen
aaaaaStraße –
Und an diesem Abend habe ich nichts anderes vor als in einem Pelzmantel auf der kühlen
aaaaagrauen Avenue zu gehen, Jahre später, ein melancholischer einsamer Mann –
die Musik schwindet in ein anderes Universum – die Augenblicke kehren wieder – Echos der
aaaaaTaxis vor einer Bank im Park –
Mein Bart ist schrecklich, keine Sprache zu diesen jungen Augen – daß ich mich erinnere
aaaaanackt zu sein in meinen allerersten Träumen –
jetzt saß ich neben einem Straßenübergang traurig über die kahle Stirn meines Schädels und
aaaaadas graue Zeichen der Zeit in meinem Bart –
Kopfschmerzen oder Tanz-Ermüdung oder Ruhr in Moskau oder Erbrechen in New York –
Oh – das Metropol-Hotel ist fertig – Menschenmengen auf Verkehrsinseln unter
aaaaaStraßenlampen – das schrille Kreischen der Straßenbahnen auf der Jerusalemski – An
aaaaaDachgiebeln blitzt der Rote Staat – gelbe Lampen leuchten über die weite Avenue –
aaaaaStoplichter blinken, lange Straßenbahnzüge halten kreischend, Motorräder fahren
aaaaadonnernd vorbei –
Das Gedicht kehrt wieder zu dem Augenblick zurück, zeichnet mein Versprechen auf – meine
aaaaakalten Finger – und hier muß ich sitzen und auf meine eigene einsame Gegenwart
aaaaawarten – der erste Psalm –
Ich kehre wieder zu mir selbst zurück, der Augenblick und ich sind jetzt ein Mann auf einer
aaaaaBank im Park an einer belebten Straßenecke in Warschau –
Ich atme und seufze – Gib dein Verlangen nach Kindern auf sagte der hagere Guru mit dem
aaaaaweißen Bart in Benares – bin ich vorbereitet auf den Tod?
oder eine Stimme dicht neben mir auf der Bank, eine sanfte Frage – das gealterte Gesicht
aaaaaeines jungen Mannes unter perlgrauem Hut –
Alles was ich sagen kann „No Panamay“ – Ich kann nicht sprechen.
Ostersonntag, 18.4.1965
Robert Weimann: Allen Ginsberg und das geschlagene Glück Amerikas, Sinn und Form, Heft 5, 1965
für Allen
mit deinem tibetanischen Pathos der
aaaaaaaaprofunden Freuden. was jetzt?
aaaanachdem du die Kabbala
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaadie Intelligentsia die
aaaaaaaaaaaaPfiffe der Organisation…
aaund dein heiliger Whitman im Tonbandgerät rumort, –
aaaaaaaaaaaaaaaaawas jetzt?
aaaaaaaSan Francisco Prag Himalaya sind
aaaaaaaaaaarussisch-jüdische Tragödien
aaaaaaaaawie dus auch anfaßt
aaaaaaaaaaaaaaaAmerika dein Megaphon
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaund deine Puste Allen
aaaaaaaaaaaaawas jetzt?
Walter Höllerer
Allen Ginsberg Planet News Memorial in der Cathedral Church of St. John the Divine in New York City am 14. Mai 1998
Hilde Marx: Nacktheit als Urzustand des Seins
Die Tat, 28.5.1976
Allen Ginsberg liest aus seinem Buch Cosmopolitan Greetings zusammen mit einigen älteren Gedichten und Liedern. Teil 1/6.
Allen Ginsberg liest aus seinem Buch Cosmopolitan Greetings zusammen mit einigen älteren Gedichten und Liedern. Teil 2/6.
Allen Ginsberg liest aus seinem Buch Cosmopolitan Greetings zusammen mit einigen älteren Gedichten und Liedern. Teil 3/6.
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Allen Ginsberg liest aus seinem Buch Cosmopolitan Greetings zusammen mit einigen älteren Gedichten und Liedern. Teil 6/6.
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