Lyrisches Herbsteln
Die vier Jahreszeiten – einstmals klar unterscheidbar, neuerdings durch den Klimawandel bis zur Unkenntlichkeit verwischt – lieferten über viele Epochen hin Stoff und Motive für lyrisches Schreiben. Das zyklisch wiederkehrende Naturgeschehen zwischen Frühling, Sommer, Herbst, Winter wurde (und wird weiterhin) in nachhaltiger Analogie zum individuellen Menschenleben dargestellt – Kindheit und Jugend, Reifezeit, Alter und Tod.
Die saisonalen Phasen sind aber auch vordergründig (sinnlich wahrnehmbar) charakterisiert durch jeweils spezifische Farben, Gerüche, Temperaturen, Witterungen und Stimmungen.
Der Herbst bietet im Vergleich mit den übrigen Jahreszeiten besonders viele Anlässe und Bezugspunkte für dichterische Zugriffe. Das hat zu tun mit seiner übergänglichen Ambivalenz zwischen Erfüllung und Vergehen. Die Herbstmonate sind gleichermassen Erntezeit und Zeit des Welkens, sie erbringen eklatante Buntheit in lauter warmen Farben (Gelb, Rot, Gold) ebenso wie das dumpfe Grau und Braun und Schwarz (bei Nebel, Regen, frühem Eindunkeln), und sie lassen an Verluste, Versäumnisse, Abschiede denken in Erwartung der unwirtlichen Winterzeit. Feier und Klage bestimmen auf gegenläufige Weise das typische Herbstgefühl.
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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