KRIPPE
Das ist die Welt, die nicht Gott schuf,
sondern ein Künstler, der das Original kopierte
oder eine nostalgische Vorstellung des Originals,
mit Maria und Josef oder Statuen von Maria und Josef,
die ihre vom Lampenlicht erhellten Gesichter über das Kind Jesus beugten.
Sprache ist nicht das Werkzeug der Menschen hier,
wo alle acht Minuten sich die Jahreszeiten wiederholen,
ein Regenbogen auftaucht, der wie eine Iris blutet,
und der Anschein der Einheit erreicht wird,
bevor Schneetreiben alles wieder zudeckt.
Von oben gesehen, sind die Schafe des Farmers
so groß wie Nadelbäume. Irgendetwas stimmt nicht mit seinen Söhnen,
denen kahle knochige Nacken eine wildes Aussehen verleihen.
Und der Hahn kräht eher wie ein elender Esel.
Ein Licht geht aus. Ein anderes geht an.
In einem kleinen Fenster mit einer Lampe zum Lesen,
liest niemand. Wenn Gott da irgendwo ist,
so scheint er nicht einzugreifen.
In den Alpen knirscht die kleine Gondel im Getriebe,
ins Tal hinunter schwebend, wo schwere große Tropfen fallen,
während die Frau des Bauern sich beeilt – wie ein bewegliches Ziel
oder ein denkender Geist –, die Wäsche abzunehmen
von der nassen weißen Leine, und der Bauer
auf dem Kornspeicher die kleinen Schreie der Tochter
des Nachbarn erstickt, die ihre Lippen öffnet.
Wenn der Sinn des Lebens Liebe ist, scheint niemand sich dessen bewusst zu sein,
nicht einmal Maria und Josef, die, erschöpft und mit geschwollenen Augen,
ihre obskure goldene Krippe fliehen.
Es muss 2011 gewesen sein – da schickte mir Prof. Massimo Bacigalupo – Anglist in Genua, einst als Knabe in Rapallo einer der Tennispartner von Ezra Pound, heute DER italienische Spezialist für den großen amerikanischen Dichter und als unermüdlicher Übersetzer seit Jahrzehnten ein wichtiger Vermittler angelsächsischer Dichtung in Italien – seine 2010 im Verlag Guanda in Parma erschienene Übersetzung von Gedichten des amerikanischen Lyrikers Henri Cole. In einem Begleitschreiben ermunterte er mich, die Texte Coles doch auch ins Deutsche zu übersetzen.
Ich bin kein professioneller Übersetzer. Ich habe zwar einige Bücher – vor allem Romane – im Auftrag von Verlagen übersetzt, sonst aber, unbekümmert um die Möglichkeit einer Publikation, immer nur Werke von Autoren – zumeist Gedichte –, die ich selber, seit jeher Literatur in mehreren Sprachen lesend, für mich entdeckt hatte, und die für mich sowohl aus biografischen wie auch aus inhaltlichen und stilistischen Gründen interessant waren und mich derart zum Übersetzen reizten. Übersetzen ist ein großes Vergnügen für mich – manchmal aber auch eine Qual und wie eine Sucht.
Entsprechend einer von mir in einem Aufsatz über das Übersetzen zu meinem Bedauern keineswegs originellen Formulierung, der nämlich, dass Übersetzen intensiviertes, gesteigertes Lesen sei, also eine Art Komparativ oder gar Superlativ von LESEN, ist es mir lange Zeit überhaupt nur dann möglich gewesen, ein literarisches Werk in einer anderen Sprache lesend zu genießen, zu verstehen, zu beurteilen, wenn ich es Wort für Wort in meine Sprache übersetzte. Kommt doch der Übersetzer einem Text näher als der gewissenhafteste Leser oder der scharfsichtigste Kritiker, und, aus einer anderen Richtung, unbefangen, von außen her an den Text herangehend, sogar näher als der Autor selbst.
Ich las zum ersten Mal Gedichte von Henri Cole im Jahr 2003, in dem Band THE VISIBLE MAN, der mir beim Stöbern im Bibliotheksraum der Villa dei Pini in Bogliasco in Ligurien in die Hände gefallen war. Ich hatte damals ein Stipendium, ein „Fellowship“, von der „Bogliasco Foundation“ erhalten. Cole, der 2001 in Bogliasco Stipendiat gewesen war, hatte, wie es dort üblich ist, in der Bibliothek der „Fellows“ einige seiner eigenen Bücher hinterlassen.
Die „Fondazione Bogliasco“ ist eine interkulturelle Institution mit Hauptsitz in New York, deren Ziel es ist, Wissenschaftler und Künstler aus den USA und aus Europa während eines ca. 6-wöchigen, luxuriösen Aufenthalts in verschiedenen Villen in Bogliasco bei Genua in engeren, wenn möglich kreativen Kontakt zu bringen. Die Aktivität des gegenseitigen Übersetzens der Stipendiaten erschien mir, als eines der Ergebnisse dieses Kontakts, als durchaus im Sinne der Initiatoren der Institution. Als ich 2012 noch einmal ein Stipendium in Bogliasco erhielt, machte ich daher, angeregt auch durch Prof. Bacigalupos damalige Buchsendung, die Übersetzung von Gedichten Coles zum Arbeits-Projekt meines Aufenthalts.
Was mich beim Übersetzen von Anfang an überraschte, war die augenfällige Übersetzbarkeit dieser Texte. Kein Spiel mit Sprache oder mit Form erschwerte das Erfassen der Aussage der Texte: sie verweigerten sich weder dem raschen Verständnis noch der – zumindest auf den ersten Blick – gelungenen Wiedergabe in einer anderen Sprache. Ein unverstelltes, um Wahrhaftigkeit bemühtes, deutlich konturiertes lyrisches ICH mit einem Hang zum Selbstporträt und mit deutlich artikulierten, unverzagt immer wieder von neuem aufgeworfenen Problemen dominiert alle Texte. Die ab dem Band MIDDLE EARTH (2003) bevorzugte Form ist das rhythmisch freie, ungereimte Sonett, das Cole, nach einem längeren Aufenthalt in seinem Geburtsland Japan, mit Eigenheiten der japanischen Poesie zu durchsetzen bestrebt war, wie er in einem Interview für die Publikation PARIS REVIEW / The Art of Poetry No. 98 (2014) erklärt. Er stellt am Anfang dieses Gesprächs auch fest, dass er, trotz seines Beharrens auf der eigenen Biografie und auf der Form des Selbstporträts, kein „confessional poet“, sondern ein „autobiographical poet“ sei, dass ihm nicht so sehr daran liege, sein Leben vor den Lesern auszubreiten, sondern vielmehr dem Impuls zu folgen, Sprache zu Kunst zu gestalten. Es gehe ihm um „aesthetic dignity“, die in der Bekenntnisdichtung ja zumeist unberücksichtigt bleibe. Die Lyrik selbst, als Bekenntnis und Darstellung der Fakten eines Lebens, habe für ihn, anders als für viele Schreibende und Lesende, keineswegs eine therapeutische Wirkung. Das therapeutische Moment bestehe für ihn einzig darin, die richtigen Wörter zu finden und sie in die richtige Reihenfolge zu bringen.
Oft ist mir bei der sich über mehrere Jahre hinziehenden Arbeit des Übersetzens von Coles Texten das italienische Wort „sprezzatura“ in den Sinn gekommen, ein Begriff, dem die italienische Essayistin Cristina Campo einen ganzen Essay in ihrem Band Gli Imperdcnabili widmet. Baldassare Castiglione verwendete diesen Begriff in dem Buch Libro del Cortegiano / Das Buch vom Höfling (1528). Er sieht darin die wesentliche Eigenschaft eines perfekten Höflings:
eine gewisse Lässigkeit (…), die die Kunst verbirgt und bezeigt, dass das, was man tut oder sagt, anscheinend mühelos (…) zustande kommt.
Es finden sich für das Vokabel „sprezzatura“ in den Lexika viele unterschiedliche Erklärungen, die das Wort aber nicht ausreichend bestimmen, weil es weder ein Synonym noch ein Äquivalent dafür gibt – es umfasst Begriffe wie „Unbefangenheit“, „Gelöstheit“, „überlegene Nachlässigkeit“, „Ungezwungenheit“, „Nonchalance“, „Eleganz“, „Gelassenheit“, vielleicht ist auch etwas vom angelsächsischen „understatement“ darin: alles Begriffe, die für mich sehr wohl die Machart der Texte Coles charakterisieren. Es ist das Mit-, Neben- und Gegeneinander einer solchen „sprezzatura“, die ich in Coles Texten auszumachen vermeine, und den oft mit Absicht direkt, fast brutal und schockierend zur Sprache gebrachten Fakten und Problemen eines Lebens, was mich von Anfang an faszinierte und bedingungslos für diesen Dichter einnahm.
Henri Cole wurde 1956 auf einer der südlichsten Inseln von Japan, Kyushu, in Fukuoka als Sohn eines amerikanischen Militärbediensteten und einer französischen Mutter armenischer Abstammung geboren. Er wuchs, zusammen mit vier Geschwistern, in Virginia, USA, auf. Die bis zu ihrer Scheidung 34 Jahre lang verheirateten Eltern hatten ständig mit Geldsorgen zu kämpfen. Soweit sich Cole zurückerinnern kann, gab es häufig Streit und Gewalt zwischen den Eltern. Nach der Scheidung habe der Vater mit einem Mann zusammengelebt. Er sei wahrscheinlich bisexuell gewesen, sagt Cole in dem schon erwähnten Interview für PARIS REVIEW. Seine akademische Ausbildung erhielt Cole an den Universitäten von Wisconsin und Columbia. Von 1982 bis 1988 war er Executive Director der Academy of American Poets. Von 2010 bis 2014 war er der für Lyrik verantwortliche Herausgeber der Zeitschrift The New Republic. Wie so viele zeitgenössische amerikanische Autoren war Cole „artist in residence“ und Lehrer an verschiedenen namhaften akademischen Institutionen in den Vereinigten Staaten. Vor kurzem wurde er zum „Professor of Literature“ am Clarendon McKenna College ernannt.
Henri Cole hat seit 1986 zehn schmale Lyrikbände veröffentlicht, alle im Verlag FARRAR STRAUS GIROUX, zuletzt NOTHING TO DECLARE (2015) und BLIZZARD (2020) Seine Gedichte wurden ins Französische, Spanische und Italienische übersetzt.
Die von mir ins Deutsche übersetzten Texte Coles sind aus den Bänden THE VISIBLE MAN (1998), MIDDLE EARTH (2003) und BLACKBIRD AND WOLF (2007). Es sind diese drei Publikationen, die Cole zu einem der wichtigsten und gefeiertsten amerikanischen Lyriker des frühen 21. Jahrhunderts gemacht haben.
THE VISIBLE MAN, „infatti un libro italiano“, wie sein italienischer Übersetzer feststellt, ist deutlich von Coles Italienerlebnis geprägt, das durch die Zuerkennung des Rompreises der American Academy of Arts and Letters (1995) ermöglicht wurde. „Man könnte sagen, dass mich die Zeit in Italien ,romanisiert‘/,verrömert‘ (,romanized‘) hat und etwas an die Oberfläche gebracht, bloßgelegt hat“, sagt er im Interview. Er habe sich damals gefragt, warum seine bisherigen Gedichte so akademisch beschreibend waren und was er ändern könnte. Der Italienaufenthalt brachte eine wesentliche Änderung seines Stils mit sich. Bisher hatte er die Natur, vor allem Tiere und Pflanzen, als Maske verwendet, hinter der er über seine „privaten“ Gefühle ungehemmter reden konnte. Diese Maske hätte er in Italien fallen lassen, sie sei überflüssig geworden, so wie auch Beschreibung und Reim, die, wie er in dem Gedicht „ARTE POVERA“ schreibt, ihn „zugleich aufgepäppelt und einbalsamiert“ hatten. Von nun an wollte er „das Tier im Käfig scheißen sehen“.
Coles Italien ist kein Arkadien, keine Idylle der abendländischen Zivilisation und Kultur, trotz der häufigen Verweise auf die bildende Kunst – sein Italien ist nicht nur ein Mekka für Touristen aus allen Ländern der Welt, es ist auch ein Ort, der von den flüchtigen Gestalten aus der Welt der Prostitution und der promiskuösen Homosexuellenszene in jener Zeit bevölkert ist. Ein Beispiel dafür ist der Zyklus APOLLO, der den Band abschließt: eine poetische Autobiografie, in der Gewalt, Grausamkeit, Suche nach sinnlichem Glück sich mit der schmerzhaften Trauer über die Unerreichbarkeit eines Apollinischen Ideals vermengen.
Vor allem aber der Zyklus CHIFFONMORGEN scheint mir repräsentativ für einen wesentlichen Teil des Werks Coles: in diesen Gedichten wird in 6 Episoden die Beziehung eines lyrischen Ich zur Mutter thematisiert vor dem Hintergrund einer nicht funktionierenden Familie – beides bis heute Klischees im populären Narrativ der Homosexuellen, worüber sich Cole im klaren ist, die er aber kunstvoll auf eine höhere ästhetische Ebene zu heben vermag durch eine klug dosierte, manchmal brutale Direktheit, im Verein mit emotionaler Distanziertheit, und ein irritierendes Oszillieren zwischen Diskretion, unverblümter Abscheu und Angst. Das „Coming out“ des ICH in CHIFFONMORGEN kulminiert in der vierten Episode in dem banalen Dialogfragment:
Musst du allen sagen, was du bist.
Dieses ICH muss alles sagen, bittet es doch schon am Anfang der ersten Episode:
Kleines Gedicht,
hilf mir, alles zu sagen, was ich sagen muss,
nur besser.
Es ist dieses Ineinander von einem, den Leser verstörenden Redezwang und dem Beharren auf einer raffinierten, geschmeidigen, ausdrucksstarken Sprache, die virtuos den „hohen Ton“ und den „niederen Ton“ („high diction and low diction“) kombiniert, das den Reiz von Coles Dichtung ausmacht.
2003 veröffentlichte Cole den Band MIDDLE EARTH nach einem Arbeitsaufenthalt in Japan. Sind für den vorhergehenden Band das Erlebnis Italien, die Ästhetik einer ARTE POVERA und Bildwerke aus dem großen Museum Italien relevant, so wird dieses Buch vom Erlebnis Japan geprägt, und es beginnt mit einem SELBSTPORTRÄT IN EINEM GOLDFARBENEN KIMONO. Er habe, als Ergebnis seiner japanischen Erfahrung, z.B. unter dem Eindruck der Choreografie der Teezeremonie, die elegante Einfachheit („the elegant simplicity“) oder auch die raue Anmut („rough grace“) dieser Kultur und damit auch eine uns vielleicht fremd anmutende Lakonik in seine Verskunst übertragen wollen. Der Band endet wieder mit einer Folge aus sechs Sonetten, mit dem Titel BLUR / VAGHEIT, mit einer explizit erotischen Thematik. Cole hat große Bewunderung für Konstantin Kavafis, der das Thema Homosexualität mit exemplarischer, plakativer Aufrichtigkeit behandelt hat. Andere wichtige Autoren in diesem Zusammenhang sind für Cole Hart Crane, James Merrill, Elizabeth Bishop, Marianne Moore – Vorbilder und manchmal auch Befreier („liberators“) –, in deren Leben und Schreiben die Homosexualität und die ehrliche Auseinandersetzung damit eine wichtige Rolle gespielt hat.
Mit BLACKBIRD AND WOLF kehrt Cole wieder nach Amerika zurück. In einer Anmerkung in der italienischen Ausgabe sagt Cole, es gehe ihm in AMSEL UND WOLF um die Darstellung des Menschen als Körper und Geist, als Ariel und Caliban; Amsel und Wolf seien Manifestationen von ein und demselben; der Wolf sei der Körper, das Verlangen, und die Amsel sei der Geist, alles, was sich auf Gott beziehe… Coles Vorliebe für die Welt des Tiers kommt hier neuerlich zum Tragen. In seinen Büchern findet sich ein ganzes Bestiarium – Pferd, Hase, Affe, Hirsch, Katze, Hund, Spinne, Möwe, Bär, Hornisse, Biene, Turmfalke, Eistaucher, Ente, Haifisch, Zaunkönig… –, aber alle diese, in ihrer Eigenart genau erfassten und mit große Empathie beschriebenen Tiere figurieren im poetischen Diskurs nicht um ihrer selbst willen, sondern dienen als Metaphern für die zumeist prekäre Befindlichkeit des lyrischen Ich – exemplarisch dafür sind Texte wie „Eistaucher“ oder „Homosexualität“. In dem Gedicht „Amerikanischer Turmfalke“ formuliert Cole auf die für ihn typische lakonische Art so etwas wie eine ARS POETICA:
Wauwau macht der Hund, Leere fürchtend
wie auch ich, und so hängt sich meine Seele an die Dinge
und versucht, etwas zu schaffen, das weder Bekenntnis
noch Abstraktion ist, wie der Mond, der durch die Föhren dringt
Cole baut in seinen Texten nicht nur auf die Betroffenheit erzeugende traumatische Anekdote, nicht nur auf die Suggestivität eines hinter- und tiefgründig benützten sprachlichen Materials, sondern es gelingt ihm auch immer wieder, Wortstrenge mit Erinnerungsdisziplin, genaue Beobachtung mit unbedingter Wahrheitsliebe elegant zu vereinen. Das Ergebnis sind formal nicht allzu vielfältige, aber dichte poetische Texte, die Staunen erregen, eben „wie der Mond, der durch die Föhren dringt“, aber auch spontane Anteilnahme hervorrufen, oft Entsetzen, stets Bewunderung… – jedenfalls eine ganze Mixtur widerstreitender „starker“ Gefühle.
Ich möchte am Ende eine dem Jargon derartiger Vorstellungen vielleicht fremde, abseitige Bemerkung machen: im Verlauf meiner Übersetzungsarbeit an den Gedichten Coles ist für mich, den Leser und Übersetzer, das ICH, das ich hinter dem Sprechenden der Texte, hinter dem lyrischen Ich, ahnend wahrzunehmen vermeinte – dieses Ich in seiner manischen Selbst-Bezogenheit, mit seinen Wiederholungszwängen, der Versessenheit darauf, SEINE Wahrheit zu sagen, mit seiner hinter der Sprachkunst durchschimmernden, Anteil heischenden Linkischheit, mit seiner ständigen, naiven, anrührenden Hinwendung zur Welt der Tiere und Pflanzen…, also dass dieses im Hintergrund der Texte immer wieder verschwindende, vage, aber doch allgegenwärtige ICH immer mehr zu einer BEWUNDERUNGSWÜRDIGEN und LIEBENSWERTEN Person für mich geworden ist. Das passiert, nach meinen Erfahrungen als Übersetzer, selten. Häufiger habe ich den Hass des Übersetzers auf den Text und seinen Autor erlebt, der durch den allzu intimen Umgang mit dem Text entstehen kann: man sieht immer mehr Schwächen und Fehler in dem zu übersetzenden Text, über die man als Leser hinwegsehen SOLL und KANN, mit denen man aber als Übersetzer kreativ umgehen MUSS…
Zum Abschluss möchte ich noch die in ihrer Sachlichkeit, Bescheidenheit und von „understatement“ bestimmte Antwort Coles auf die Frage des Interviewers von PARIS REVIEW, WARUM er schreibe, zitieren:
For the completely selfish pleasure of composition, which for me surpasses the trumped-up pleasure of eating, drinking, and sex. Since I do not write to teach anybody anything, it’s a completely selfish act, but it gives me a sense of equlibrium and reason for existence. Nothing gives me as much pleasure, when I’am doing it well, as writing.
(Für das ganz und gar egoistische Vergnügen des Literaturmachens, das für mich das in den Vordergrund gerückte Vergnügen des Essens, Trinkens und des Sex übertrifft. Da ich nicht schreibe, um jemanden etwas zu lehren, ist es ein ganz und gar egoistischer Akt, es verschafft mir ein Gefühl der Ausgeglichenheit und eine Rechtfertigung meiner Existenz. Nichts macht mir mehr Vergnügen, wenn es mir gelingt, als das Schreiben)
Hans Raimund, 2015/2021, Nachwort
Hans Raimund im Interview mit Gerhard Winkler für die Literatur-Edition-Niederösterreich am 13.4.1999 in Hochstraß.
Henri Cole liest eine Sammlung seiner alten und neuen Gedichte am Radcliffe Institute.
Schreibe einen Kommentar