Lioba Happel: Der Schlaf überm Eis

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Lioba Happel: Der Schlaf überm Eis

Happel-Der Schlaf überm Eis

WIE SCHWER sich über den Himmeln die Grenzen
aaaaateilen
Wie störrisch meine Stirn im Fenster
An das der Wind heute seine Mitteilungen gelegt hat
Mit harten Händen

Befehle mich ihm zuzumuten
Aufforderungen mich ihm zu stellen

Nachts vom Schneetau naß gewordene Gesichte
Ein Zerren ein auseinander
Hervorträumen

Ich stelle mich blind

Bis in den Morgen bis es März ist
Bis ich mit einem Ruck hochschrecke mein ganzes
Bisher gelebtes Leben aufsteht

Mich ansieht

Und mit sturzheftigem Lachen
Rückwärts hinab geht in die
Unwiderrufliche die dahingeschwundene Zeit

 

 

 

Zeichen und Wunder 

(…)

Kann poetische Schönheit auch überdauern in Gedichten, die nicht wie bei Ursula Krechel die schroffe Dissonanz suchen, sondern sich auf das Pathos als Stilmittel verlassen? Wenn Liebesschmerz und pathetische Gestimmtheit im Gedicht zusammentreffen, entsteht in der Regel dröhnender Kitsch. Denn solche aufdringlichen Liebespoeme überschwemmen alles mit der Unmittelbarkeit des Gefühls – so daß im Gedicht zwar Affekte bewegt werden, aber die Sprache stagniert. Es gibt aber auch eine Strenge und Reinheit des Tons, die auch das Liebesgedicht in spannungsvoller Schwebe hält. In Lioba Happels neuem Band Der Schlaf überm Eis lesen wir solche Gedichte von strahlender Düsternis, verstörende „Ballade(n) von der verlorenen Frau“, Lieder vom „kalten Prinzip“, das die Möglichkeit von Liebe dementiert. Hier regiert das riskante Pathos der Liebesklage, hier dominieren Verzweiflungsbilder der Kälte, Vereisung, Entfremdung und Erstarrung. Es sind Gedichte von der Übermacht des Schmerzes, der die Horizonte verdüstert: 

Als ich erwachte
Sah ich die Sonne hatte sich ein schwarzes Tuch übergeworfen
Und der Mond rollte darunter hervor wie nach einer Enthauptung
… Und ich flüsterte die seltsame Rede des Glücks
Und das Glück hatte den Geschmack der Pest… 

Man muß sich – dieser Brecht-Satz beweist einmal mehr seine Gültigkeit – mit Gedichten ein bißchen aufhalten, um herauszufinden, was schön daran ist. 

Michael Braun, neue deutsche literatur, Heft 506, März/April 1996

 

SONETT
für Lioba Happel

Der fremde Ton; sie hört ihn durch
die hartgewordnen Reime, da
fiebernd Morgenstunden durch sie
ziehn. Und hält ihm stand. Berührung

ist, was so vorübergeht und leicht
zerbricht an ihrer stummen Haut.
Und lärmt es auch und wärmt als
letztes Wort ihr gut noch ihre Knochen

sie kennt die Augen, kennt Sich-Entwinden
Fremdgewachsnes viel: Was ruht
in diesem Blick? Was hebt die

so genauen Tiefen? Geht
herum. Und legt als Mantel
sich ums Gestenspiel.

Ernest Wichner

 

MARILYN,

um fünf im kiosk / die katze blüht / ein
lächeltropfen in berlin / zeit lebt drei zeilen
zu / der augenblick: recht tier

(nach Lioba Happel)

Ernest Wichner

 

 

Fakten und Vermutungen zur Autorin + Instagram + Kalliope

 

Alice Salomon Poetik Vorlesung 2021 mit Lioba Happel: „Bevor ich mein Thema kenne, …“.

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