BJÖRN KUHLIGK
Die sieben Geliebten
Die erste liegt
mir auf dem Schoß
vor blutigen Tagen
die zweite geht mir
stotternd aus dem Sinn
und bündelt die Jahre
die dritte ist ein Garten
entzündet von Vogelschreien
die vierte gibt es nicht
die fünfte sagt Liebe
und ich glaube es nicht
die sechste trägt
Kußkantaten auf der Brust
die siebte geht
und zerstört die Woche
2002
aus: Björn Kuhligk: Am Ende kommen Touristen. Berlin Verlag, Berlin 2002
Es hat offenbar eine eigene Magie, wenn sich liebesbedürftige Helden unserer Gegenwartsliteratur „sieben Geliebte“ erträumen. Das alte französische Märchen von „den sieben Weibern des Blaubart“ mag hier eine gewisse Rolle spielen wie auch die Sonderstellung der Zahl sieben in allen Mythologien und religiösen Schöpfungsgeschichten.
Die „sieben Geliebten“, die sich das lyrische Subjekt des Berliner Großstadtpoeten Björn Kuhligk (geb. 1975) erträumt, sind in ihrer Gestalt und ihrer Bedeutung so heterogen, dass sie kaum in einen einheitlichen Kontext zu bringen sind. Denn hier kreuzen sich Fragmente eines romantischen Liebesverständnisses mit Sehnsuchts- und Ernüchterungs-Bildern, die den Liebesbegriff sehr weit fassen, etwa wenn die Geliebte als „Garten“ beschrieben wird, „entzündet von Vogelschreien“. „Sieben Geliebte“ – das sind hier sieben fragile Glücksmomente oder Augenblicke der Desillusionierung.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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