CARL-CHRISTIAN ELZE
nur noch variationen! ich würde schweigen
wäre das alles nicht wie essen & trinken
geworden, variationen, portionen, geigen
die man zu sich nimmt, um nicht zu sinken.
zum beispiel jetzt, kommt ein großer hunger
ich rede nicht von appetit, ein kleines lied
das wäre appetit, ich meine großen hunger
auf vierzehn soßen, reim, es zieht jetzt an:
ich nehm das brot & schmier mein rot
dick drauf, stößt mir nicht übel auf, mein blut
jetzt wird belegt, die augen blind, man nimmt
von tief nicht einfach zimt & dann ist gut.
kein tier hilft hier, kein blütenstoß, kein kind!
zuletzt einen strick obenauf, tut not?
2005/06
aus: Carl-Christian Elze: Gänge. Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig 2009
Hier ist das Weltgefühl der literarischen Nachgeborenen in der Spätmoderne exemplarisch heiter formuliert: Der Dichter ist von dem grimmigen Nachzügler-Bewusstsein erfasst, „nur noch Variationen“ zu liefern, virtuos ausdifferenzierte Variationen einer tradierten Form oder eines kanonischen Ur-Textes. Der Dichter Carl-Christian Elze (geb. 1974), der ein Studium am Literaturinstitut Leipzig absolviert hat, nutzt das kollektive Selbstporträt zur Demonstration seines formalen Könnens.
In ironischer Leichtigkeit hat Elze sein lyrisches Exerzitium der „Variationen“ im Bedeutungsfeld des Kulinarischen angesiedelt. Das Setting eines traditionsbewussten Gedichts mit seinen mehr oder weniger raffinierten Binnen- und Endreimen spielt er dabei eher beiläufig durch.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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