Christian Hölmanns Gedicht „Ich liebe, du liebest, er liebet das lieben“

CHRISTIAN HÖLMANN

Ich liebe, du liebest, er liebet das lieben

Ich liebe, du liebest, er liebet das lieben;
Was liebet, wird alles vom lieben getrieben,
Wir lieben, ihr liebet, sie lieben zusammen,
Drum kommet, ihr nymfen, und kühlet die flammen.

Ich liebte zum ersten die stoltze Clorinde,
Die keusche Diana, die schöne Melinde,
Sie liebten mich wieder, ich kont’ es wohl spüren,
Doch ließ ich mich niemahls von einer verführen.

Ich hatte geliebet, ich muß es gestehen,
Da meynt’ ich, mir solte das lieben vergehen;
Nun hat mich das lieben doch wieder bestricket,
So bald ich die schöne nur einmahl erblicket.

Die werd’ ich hinführo allein nur lieben,
Sie wird mich im lieben auch nimmer betrüben,
So offt ich sie küsse, küst sie mich von neuen;
Doch lieb’ ich das lieben und hasse das freyen.

um 1700

 

Konnotation

Christian Hölmann, 1677 in Breslau geboren und dort 1744 gestorben, ist ein Vertreter der sogenannten Galanten Poesie, einer stark von gesellschaftlichen Konventionen geprägten Dichtung, deren Inhalte die Kenntnis von Benimmnormen und Verhaltensmustern voraussetzt. Tatsächlich verbirgt sich hinter der scheinbaren Mühelosigkeit des Liebesgedichts eine strikte Poetik der Kontexte.
Mit Leichtigkeit wird die Liebe hier zu einem ungezwungenen Spiel. Die Stilisierung Hölmanns passt sich dem Geist der galanten Zeit an, dem vor allem an Andeutungen und einer Scheinoberfläche gelegen war. Man darf also annehmen, dass hier auf gesellschaftliche Codes der Adelsgesellschaft rekurriert wird, die heute nur noch erahnt werden können. Die Schlusszeile beispielsweise, die die Liebe zu einem platonischen Gedankenspiel erklärt, dürfte im Galanten Conduit recht eigentlich ihr Gegenteil bedeuten.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

0:00
0:00