FERDINAND HARDEKOPF
Das Bar-Sonett
Gazellenscheu im Wüstenbrand der Lüste,
Erzittert sie vor der gesuchten Gier
Und lockert sich dem guten Elixir,
Mit dem sie viel zu übertäuben wüsste.
Dann trägt sie, sehr erfahren, Bar-Manier,
Die Irrlicht-Augen, Muschelglanz der Brüste,
Sich-Praxis, küssende und wundgeküsste,
Geschäftlich zum Geschäftsmann: ,Cavalier‘.
,Wer sind Sie? Opfer oder Henkerin?
Wie lügen Sie? Wie werden Sie belogen?
Was geben Sie? Was gibt man Ihnen hin?‘
Aztekisch ist ihr das Profil gebogen
,Man kennt mich doch. Bestellen Sie mir Gin!‘
Sie faltet sich dem Paradies der Drogen.
um 1920
Der Dichter Ferdinand Hardekopf (1876–1954) führte wie so viele seiner literarischen Zeitgenossen ein Doppelleben. Er verkörpert geradezu exemplarisch den modernen Typus des Großstadtintellektuellen. Im bürgerlichen Leben Stenograph im Reichstag, führte der Literat, Übersetzer und Journalist Hardekopf nachts ein Bohemienleben, schwelgte in künstlichen Paradiesen und überließ sich dem Morphiumrausch.
Drogen, Bar-Atmosphäre und Exotismus – damit ist das Gros der Hardekopfschen Motive bereits genannt. Doch was Hardekopf von vielen seiner damaligen Dichterkollegen, der expressionistischen Generation, die er stilistisch vorbereiten half, unterscheidet, sind der luzide Umgang mit der Verszeile und der Bau neuer leuchtender Metaphern. Sein Werk blieb schmal und obwohl er in Kurt Pinthus epochaler Anthologie Menschheitsdämmerung (1920) nicht vertreten ist, spürt man seinen stilistischen Fingerabdruck bei einer nicht geringen Menge der dort vertretenen Dichter.
Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
Schreibe einen Kommentar