Friedrich Nietzsches Gedicht „Nach neuen Meeren“

Beitragsbild rechts für Lyrikkalender reloaded

FRIEDRICH NIETZSCHE

Nach neuen Meeren

Dorthin – will ich; und ich traue
Mir fortan und meinem Griff.
Offen liegt das Meer, ins Blaue
Treibt mein Genueser Schiff.

Alles glänzt mir neu und neuer,
Mittag schläft auf Raum und Zeit –:
Nur dein Auge – ungeheuer
Blickt michs an, Unendlichkeit!

1887

 

Konnotation

Den Genueser Seefahrer Christóbal Colón, besser bekannt als Kolumbus, bewunderte der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844–1900) als phänomenales Entdecker-Genie und als Revolutionär, der gegen alle überkommenen Vorstellungen sein Leben einsetzte, um eine neue Welt zu entdecken. In den Jahren 1842–44 [Das ist nicht korrekt. Die Redaktion] verfasste Nietzsche mehrere, stark voneinander abweichende Versionen eines Gedichts, das die unendliche Fahrt seines Helden mit dem „Genueser Schiff“ auch als Königsweg philosophischer Erkenntnis feiert. Die vorliegende Variante findet sich unter den „Liedern des Prinzen Vogelfrei“ im Anhang zu Nietzsches 1882 publizierter Schrift Die fröhliche Wissenschaft. [Es erschien 1887 in der ergänzten Fassung des Werks Die fröhliche Wissenschaft. Die Redaktion]
Zu den Widersprüchen des radikalen Ästhetizisten Nietzsche gehört der Umstand, dass er die metaphysischen Großbegriffe (z.B. „Unendlichkeit“), die er in seinen philosophischen Schriften zu demontieren versucht, in seinen Gedichten hinterrücks wieder einführt. Fünfzig Jahre nach Nietzsches Tod adoptierte sein lyrischer Bewunderer Gottfried Benn (1886–1956) diese schweren Kategorien („Raum“, „ungeheuer“) in seinem Gedicht „Ein Wort“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

3 Kommentare

  1. Ein satori Erlebnis habe ich bei diesem Gedicht nach neuen meeren! Auf einem lebens-schiff ..auf der lebens- reise in den ungeheuren tiefen von meer, von unendlichkeit, unsterblichkeit ,ewigkeit..das spirituellen Gedicht sagt “nur dein auge-Gott blickt mich aus oder in der unendlichkeit an.meine Interpretation ist ganz subjektiv,”privat-persönlich!!!
    Es sind meine Assoziationen und mein “einheitserlebnis von Raum und Zeit, natur und Transzendenz!!!ein e glückserfahrung,die auch mich trifft und erschütterte tremendum!!!

    Antworten
  2. Tolles Gedicht, der Erscheinungszeitraum kann angesichts von Nietzsches Lebensdaten jedoch nicht ganz stimmen. 🙂

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

„Suppe Lehm Antikes im Pelz tickte o Gott Lotte"

Sakko

Kosak. – Oh, Sack, ach, Ochs!

Michel Leiris ・Felix Philipp Ingold

– Ein Glossar –

lies Sir Leiris leis

Würfeln Sie später noch einmal!

Lyrikkalender reloaded

Luchterhand Loseblatt Lyrik

Planeten-News

Planet Lyrik an Erde

Tagesberichte zur Jetztzeit

Tagesberichte zur Jetztzeit

Freie Hand

Haupts Werk

Gegengabe

0:00
0:00