GÜNTER BRUNO FUCHS
Nach der Haussuchung
Gut, sie haben nicht alles zerschlagen.
Sie werden abermals kommen,
das wird vergeblich sein.
Sie lärmen schon lange vor Mitternacht.
Sie haben die Blumen entwurzelt,
sie finden es nicht.
Sie haben die Rotte nur abgelöst,
die lebenslänglich
mein Haus umstellt.
Ich höre den kreisenden Stiefelschritt:
Stein, Blasrohr, Hellebarde,
Patronengürtel, Bombenwurf.
Sie suchen immer nur die eignen Waffen.
Sie finden nimmermehr das Spiel,
das jenen Namen trägt, der unaussprechbar ist.
1957
aus: Günter Bruno Fuchs: Nach der Haussuchung. Eremiten-Presse, Düsseldorf 1978
Der Malerpoet, Holzschneider und „freischaffende Trinker“ Günter Bruno Fuchs (1928–1977) hat in seiner frühen Lyrik und Prosa einige charakteristische Figuren und Szenerien entwickelt, die in seinem Werk später wiederkehren. Zu den berühmtesten Texten des Frühwerks zählt das 1957 erstmals veröffentlichte und vielfach zitierte Gedicht „Nach der Haussuchung“, das wegen seiner staatskritischen Gestik zum Evergreen der politischen Lyrik geworden ist.
Die heranrückende Staatsmacht, die mit großer Rücksichtslosigkeit in die private Lebenswelt der einzelnen Bürger einbricht und dort nach Waffen sucht – sie könnte zunächst als Allegorie der barbarischen Tyrannei gelesen werden, die noch zehn Jahre vor der Niederschrift des Gedichts in Deutschland die Regierungsgewalt ausübte. Aber mit der dritten und vierten Strophe ändert sich das Bild. Die Waffen selbst repräsentieren den Triumph der Staatsgewalt, die sich nur in unterschiedlichen „Rotten“ manifestiert ohne substantielle Differenzen. Der parabelhafte Schluss benennt ein existenzielles „Spiel“, dessen Regel unbekannt bleibt.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
Schreibe einen Kommentar