HEINRICH SEIDEL
Die schlimme Sorte
Eine Sorte von Menschen macht gleich mich verstummen,
Das sind die superklugen Dummen.
Da hilft nur das: Sie schweigend zu tragen
Oder sie einfach niederzuschlagen.
nach 1880
Über Dummheit lässt sich manchmal nur noch brachial triumphieren. So will es zumindest der Sinnspruch des Ingenieurs und Schriftstellers Heinrich Seidel (1842–1906), der eher ein Genie der Technik als der Poesie war. Zwar gründete er mit zwei literarischen Kombattanten den Allgemeinen Deutschen Reimverein. Aber es blieb dann doch bei mittelmäßigen Ergebnissen. Der Verfasser des legendären Spruchs „Dem Ingenieur ist nichts zu schwer“ und Pionier bei der Dachkonstruktion des Anhalter Bahnhofs in Berlin liebte als Poet die idyllische Kleinmalerei. Oder eben die robuste Sentenz.
Schon zu seiner Zeit als erfolgreicher Ingenieur hatte Seidel ein verborgenes zweites Leben als Schriftsteller geführt. „Ich bin jedenfalls nicht wegen verfehlten Berufes unter die Schriftsteller gegangen.“ notierte er im Alter. 1880 schied er aus der Berliner Eisenbahngesellschaft aus und versuchte sich als freier Poet. Sein epischer Held „Leberecht Hühnchen“ (1882) agierte als Repräsentant eines selbstzufriedenen Kleinbürgertums.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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